Vier Holzwege und ein Ausweg

Wenn in einem Unternehmen nur mit halber Kraft gearbeitet wird, hat das meist einen einfachen Grund. Der restliche Teil der Energie geht für Konflikte drauf. Die Kraft wird benötigt, um mit den Kollegen zu streiten, sich gegen Attacken zu wehren oder selbst welche zu reiten. Wie können hier Führungskräfte wirksam intervenieren?

Wenn Führungskräfte Reibereien zwischen Mitarbeitern mitbekommen, wie reagieren sie dann typischerweise? Der deutsche Berater Matthias Wölkner fasst die üblichen Reaktionsweisen nachfolgend pointiert zusammen und zeigt konkrete Lösungsrichtungen.

Unerfahrene Führungskräfte bevorzugen es, Querelen zwischen den Mitarbeitern zu ignorieren: "Das wird schon wieder. Die werden sich schon wieder vertragen." Das ist Wunschdenken, wie wir aus jeder Beziehung wissen: Wenn man Krach miteinander hat, muss man sich aussprechen. Vom Unter den Teppich-Kehren wird’s nicht besser. Das wissen die meisten Führungskräfte. Deshalb ergreifen sie Initiative. Sie ergreifen zum Beispiel das Instrument des Appells: "Leute, vertragt euch wieder und macht eure Arbeit!" Resultat? Kennen wir alle: Die Leute geben vordergründig Ruhe und bekabbeln sich weiter, wenn der Chef weg guckt. Deshalb greifen viele Führungskräfte eskalierend zur Drohung: "Wenn jetzt nicht endlich Ruhe im Karton ist, dann ... !" Ergebnis? Der Konflikt taucht noch tiefer in den Untergrund ab. Denn die Drohung hat ihn ja nicht gelöst – lediglich verboten. Also spricht der Chef, die Chefin irgendwann ein Machtwort: "Das wird jetzt so und so gemacht, damit endlich Ruhe ist." Weil man es aber niemals allen recht machen kann, produziert man dabei (mindestens) einen Verlierer, der auf Rache sinnt und deshalb einen neuen, anderen Konflikt vom Zaun bricht.

Die wirkungslosen Instrumente der Konfliktbewältigung sind also:

     

  • Ignorieren
  • Appellieren
  • Drohen
  • ein Machtwort sprechen

Was stattdessen?

Sie können einen Konflikt erst dann lösen, wenn Sie wissen, worum es geht. Logisch. Aber die meisten Führungskräfte wollen es gar nicht so genau wissen. Das einzige, was sie interessiert, ist schnell wieder Ruhe zu haben. Deshalb appellieren oder drohen sie und werden mit der Zeit immer ärgerlicher, weil das gewünschte Ergebnis auf sich warten lässt. Die ersehnte Ruhe bekommen sie nur, wenn sie dem Konflikt auf den Grund gehen. Dazu müssen sie die versteckten Interessen herausfinden.

Nehmen wir ein typisches Beispiel: Sylvia und Petra streiten sich mal wieder darum, wer die Ablage zu machen hat. Sylvia sagt: "Ich habe Besseres zu tun, als Ordner zu schleppen, schließlich bringe ich hier den Umsatz!" Petra erwidert: "Ich bin doch hier nicht der Hiwi vom Dienst!"

Deklinieren Sie für dieses Beispiel mal die drei Holzwege durch:

     

  1. Appell: "Mädels, vertragt euch wieder!"
  2. Drohung: "Wenn die Ablage nicht in zehn Minuten gemacht ist, dann ... "
  3. Machtwort: "Petra, jetzt stell dich nicht so an, mach die Ablage!"

Was liegt am Grunde jedes Konfliktes? Ablage? Nein, Interessen. Sylvia ist daran interessiert, zu zeigen, wer die Umsatzkönigin ist, Petra ist daran interessiert, dass sie nicht herum geschubst und im Team für voll genommen wird. Wer Konflikte lösen will, muss daher die versteckten Interessen offenbaren.

Interessen offenbaren

Viele Führungskräfte haben eine gute Intuition. Sie ahnen, worum es bei einem Konflikt geht: "Hört endlich damit auf! Keine von euch beiden ist was Besseres! Keine ist zu gut dafür, die Kataloge auf zu füllen!" Interessen erkannt? Ja. Konflikt gelöst? Nein. Eine gute Intuition ist zwar etwas Schönes, ersetzt aber weder den gesunden Menschenverstand noch Konfliktkompetenz. Denn was machen Menschen, denen Sie ihre geheimen Interessen vorhalten? Sie stellen auf stur. Sie leugnen. Sie zeigen Widerstand. Jemandem seine Interessen vorzuhalten ist Konfrontation. Und Konfrontation löst keine Konflikte. Weil sie Widerstände auslöst. Welches Führungsinstrument löst keine Widerstände aus? Fragen. "Sylvia, warum möchtest du keine Ablage machen?"

Interessen würdigen

Sylvias Antwort kennen wir bereits. "Ich habe Besseres zu tun, als Ordner zu schleppen, schließlich bringe ich hier den Umsatz!" Vielen Führungskräften würde dabei der Kragen platzen: "Hör mal, bloß weil du hier den dicksten Umsatz hast, kannst du doch nicht die Kollegen ausnutzen!" Was ist das? Gut erkannt, ein Eigentor. Klar, das passiert Ihnen und mir gelegentlich auch mal. Aber das heißt nicht, dass man es zur Gewohnheit machen soll. Interessen beurteilt man nicht, Interessen würdigt man, indem man Verständnis zeigt. Und weil das einige Führungskräfte immer noch verwechseln: Verständnis heißt nicht Zustimmung – Verständnis heißt Respekt vor dem Interesse eines anderen. Denn gegen das Interesse eines anderen können Sie ohnehin nichts machen. Probe gefällig? Sie trinken gerne Wein, Bier oder Tee? Dann lassen Sie das doch! Sehen Sie? Kein Mensch lässt sich seine Interessen ausreden. Also versuchen Sie es auch nicht bei Mitarbeitern. Denn neueste Studien haben ergeben, dass auch Mitarbeiter Menschen sind.

Gemeinsame Interessen finden

Nun stehen Sie also mit zwei unvereinbaren Interessen da: Keine der beiden will die Ablage machen. Eine Pattsituation? Nein. Denn es gibt für alle Menschen übergeordnete Interessen. Finden Sie sie. Das ist Ihre Aufgabe als Führungskraft. Sie können das provokant machen: "Also dann machen wir die Ablage eben nicht mehr auf, damit ihr beide eure Ruhe habt!" Sie können es auch neutral machen. Richtig, neutral heißt fragend: "Können wir die Ablage einfach weglassen?" Darauf werden beide Nein antworten, wenn auch vielleicht widerstrebend. Warum? Weil ihr gemeinsames Interesse ist: Umsatz zu machen. Zu diesem gemeinsamen Interesse führen Sie sie hin.

Lösung delegieren

Viele Führungskräfte sabotieren ihre Konfliktlösung in letzter Sekunde: "Seht ihr, wie wichtig die Ablage ist? Also wechselt euch eben ab beim Ablage machen!" Eine Katastrophe. Denn was der Chef sagt, wird niemals so befolgt wie das, was man selber für richtig hält. Also geben Sie um Himmels willen keine Lösung vor. Lösen Sie nicht. Lassen Sie lösen: "Überlegt euch mal, wie wir das mit der Ablage machen können. Schafft ihr das bis morgen früh? Ja? Dann informiert mich einfach kurz." Erster Vorteil: Sie müssen sich nicht den Kopf zerbrechen. Zweiter Vorteil: Diese Lösung wird eher, besser und motivierter umgesetzt als Ihre, weil kein Mitarbeiter seine eigene Lösung kaputtmacht.

Warum funktioniert das?

In 99 Prozent der Fälle löst die (korrekt angewandte!) Interessen-Methode Konflikte in Wohlgefallen auf. Warum? Weil Konflikte immer nur wegen Unausgesprochenem entstehen können. Sobald jedoch die Kontrahenten ihre unausgesprochenen Interessen ausgesprochen haben, die ihnen meist selbst bislang nicht klar waren, löst sich der Konflikt auf. Alles, was ausgesprochen wird, ist lösbar. Sie brauchen nur vier Schritte dafür:

     

  • Interessen erfragen
  • Interessen würdigen
  • Gemeinsames Interesse ergründen
  • Lösung delegieren

Warum es sich lohnt

Es gibt sie, diese Unternehmen, wo man die Tür aufmacht und nach drei Schritten schon merkt: Hier weht ein anderer Geist! Das Klima ist prima, die Leute sind alle gut drauf, verstehen sich glänzend und setzen sich daher auch voll für den Kunden ein, weshalb der wirtschaftliche Erfolg nicht auf sich warten lässt. Hinter diesem Erfolg steht immer ein Chef, eine Chefin, die konfliktkompetent ist. Wann weht in Ihrer Firma/Abteilung dieser Geist?

Quelle: Mit freundlicher Genehmigung von Matthias Wölkner, Wölkner & Partner

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