"Mit 30 4000 Menschen zu führen ist schon heftig"

Dr. Paul Frey, Kaufmännischer Direktor des Kunsthistorischen Museums, über die möglichen Verführungen als Vorstandsassistent, einen steilen Aufstieg und große Verantwortung in jungen Jahren, wichtige Vorbilder und nervende politische Spielchen in Konzernen.

Kurz zu Ihrem Werdegang – was haben Sie studiert und was waren Ihre bisherigen Karriereschritte?

Ich habe in Wien Jus studiert und wurde im zweiten Studienabschnitt Assistent am Institut für Rechtsgeschichte. Das blieb ich auch noch kurze Zeit nach dem Studium und wechselte dann als Revisionsassistent in die Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Ich fand es wichtig, als Jurist eine betriebswirtschaftliche Zusatzausbildung zu machen, wollte aber kein zweites Studium machen und war sicher, dass ich mir in der Wirtschaftsprüfung wichtige Grundlagen aneignen kann: Unternehmen genau verstehen, Abläufe durchleuchten und Bilanzen lesen. Nach zwei Jahren hat mich die Anker-Versicherung, heute Helvetia Versicherungen, anlässlich eines Spezialprojekts als Vorstandsassistent ins Haus geholt. Nach drei Jahren in der Versicherung folgte 2002 der Wechsel zum Postbus, wo ich als Leiter der Rechtsabteilung eingestiegen bin und 2005 zum Geschäftsführer berufen wurde. Im Jahr 2007 bin ich als kaufmännischer Geschäftsführer ins Kunsthistorische Museum gewechselt.

Wie kam die Anker-Versicherung gerade auf Sie?

Über eine Empfehlung einer Bekannten. Ich denke, ich habe genau die Anforderungen mitgebracht, die sie für dieses Projekt gesucht haben: eine Kombination von historischer, juristischer und betriebswirtschaftlicher Ausbildung. Am Beginn ging es primär um dieses Projekt und als das weitgehend abgeschlossen war, wurde meine Tätigkeit in eine klassische Vorstandsassistentenfunktion übergeführt. Es gab vier Vorstände und ich war der einzige Vorstandsassistent. Eine wunderbare Schule, weil ich es mit vier sehr unterschiedlichen Charakteren zu hatte und ich mich auf vier verschiedene Chefs einstellen musste. Da lernt man viel, sieht viel und kann sich an vielem reiben, im Sinne von was will man später so machen oder nicht so machen.

Was war das beispielsweise?

Ich habe damals gelernt, sehr autoritäre Führung für mich abzulehnen. Das ist etwas, woran ich in der Führung nicht glaube. Ich glaube an Hierarchien, an Entscheidungsebenen, an die Übernahme von Verantwortung, aber das hat für mich alles nichts mit autoritärem Führungsstil zu tun.

Vier Chefs zu haben, die einem vielleicht widersprüchliche Aufträge geben, stelle ich mir eher kompliziert und anstrengend vor.

Es funktioniert dann, wenn man alle im gleichen Ausmaß bedient und sich auf niemandes Seite schlägt. Das wäre sicher fatal gewesen. Innerhalb des Vorstands gab es relativ starke Auffassungsunterschiede zwischen neuer und traditioneller Führungskultur und Unternehmensführung. Da muss man sich dann mitunter auch abgrenzen und klar sagen: "Ich bin hier nicht Vorstand. Ich habe meine Aufgabe als Assistent und die nehme ich bestmöglich wahr." Aber klar, anstrengend ist es schon.

Was waren Ihre konkreten Aufgaben?

Die Vorbereitung der Aufsichtsratssitzungen, das Erarbeiten und Zusammenfassen von Strategiepapieren, zeitweise die Pressearbeit, die Zusammenarbeit mit Beratern bei Angelegenheiten, für die die Vorstände keine Zeit hatten und teilweise das Führen von Gesprächen mit Abteilungsleitern in Vertretung des Vorstands. Es ist eine große menschliche Herausforderung, diese Aufgabe zu erfüllen, ohne sich gleich die Vorstandsschuhe anzuziehen. Denn einerseits haben Sie einen Auftrag zu erfüllen, eine Botschaft zu überbringen und ein Ziel zu erreichen, müssen aber klar unterscheiden zwischen der persönlichen Ebene und der Sachebene.

Eine Funktion, in der man zwar keine Positionsmacht hat, aber durch das Naheverhältnis zu den Vorständen Autorität zugesprochen bekommt, oder?

Genau. Man lernt für sich sehr viel selbst in Hinblick auf Authentizität. Damit meine ich, dass man als Person und in der Wahrnehmung seiner Aufgabe authentisch ist und das auch offen legt. Etwa indem man sagt, "Schauen Sie, das und das sind meine Aufträge. Ich spreche hier für den Vorstand. Ich weiß genau, ich habe Ihnen nichts anzuschaffen, aber es geht darum, für das Haus die beste Lösung zu erzielen." Damit bin ich immer gut gefahren. Bei meinem Weggehen wurde mir eine hohe Akzeptanz attestiert, das ist das schönste Kompliment, das man in der Funktion bekommen kann. Ich habe in meiner späteren Karriere in meinem Umfeld oft auch Vorstandsassistenten erlebt, die quasi als Ersatzvorstand agiert haben und ein unglaublich arrogantes Verhalten an den Tag gelegt haben, was in dieser Rolle völlig fehl am Platze ist.

Man agiert quasi als Stellvertreter des Vorstands und muss dessen Willen an die Führungskräfte kommunizieren…

Ja, natürlich muss man vor allem mit den schwierigen Gesprächspartnern reden und da schwerpunktmäßig über die "heißen Themen". Die bequemen Themen erledigen die Vorstände meist selbst. Aber dort wo es Widerstand gibt, wo es um haarige Lösungen geht, um Kompetenzkonflikte, da schickt man gerne jemanden aus. Das ist sehr herausfordernd, aber auch sehr gewinnbringend, denn dabei habe ich auch unglaublich viel gelernt: über Transparenz, Offenlegung, Authentizität, Klarheit in der Kommunikation und Übernahme der Verantwortung. Also nicht zu sagen, "Mich schickt der Vorstand, mir ist das eh wahnsinnig unangenehm" und dabei herum zu stottern, sondern höflich und klar zu sagen: "Der Vorstand hat dies und jenes beschlossen und mich gebeten, mit Ihnen zu besprechen, wie wir da zu einer Lösung kommen. Ich sehe diese und jene Ansatzpunkte. Wie stellt sich denn die Situation für Sie da, wie können wir zu dem Ziel kommen?" Es geht darum, konstruktiv zu sein, nicht über den anderen drüberzufahren, aber auch nicht um eine Lösung zu betteln. Das ist hier besonders wichtig.

Wird man nicht genau in die Schusslinie gestellt und bekommt die Treffer ab, die in Richtung Vorstand zielen?

Das muss man auch einstecken können, wobei man sich aus direkten Konflikten sehr wohl heraushalten kann, zum Spielen gehören bekanntlich immer zwei. Wenn ich das Gefühl hatte, zu sehr instrumentalisiert zu werden, habe ich Aufträge auch einmal abgelehnt und dem Vorstand gesagt: "Ich glaube nicht, dass es konstruktiv ist, wenn ich das mache. Da braucht es Ihre Autorität, da müssen Sie als Vorstand persönlich hin gehen und das machen. In diesem Fall können Sie nicht mich ausschicken." Das setzt aber auch ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Vorständen voraus, das ich mir im Lauf der Zeit erarbeiten konnte.

Vorstandsassistent ist auch deswegen eine tolle Lernmöglichkeit, weil man in jungen Jahren sehr rasch nahe ans Zentrum der Macht kommt und diese Dynamik viel unmittelbarer erlebt als auf anderen Positionen.

Man kommt ins Zentrum der Macht und das ist auch das Verführerische, von dem man sich persönlich gar nicht früh genug abgrenzen kann. Denn das kann einem schnell zu Kopf steigen. Vergleichbares habe ich bei Ministern und ihren Kabinettchefs erlebt, wo sich einige Kabinettchefs fälschlicherweise für Minister gehalten haben. Spätestens wenn man dann selbst die erste eigene Führungsaufgabe antritt, merkt man, dass man nicht Generaldirektor mit umfassenden Befugnissen ist, sondern in einem Team agiert.

Wie kam es zum Wechsel von der Anker Versicherung zum Postbus?

Ich saß an meinem Schreibtisch in der Versicherung, das Telefon hat geläutet und ohne jede Vorstellung kam die Frage: "Können Sie sich vorstellen, für Österreichs größtes Personenverkehrsunternehmen auf der Straße zu arbeiten?" Zuerst habe ich gedacht, das wäre eine Umfrage, aber dann hieß es: "Nein, wir sind eine Personalberatung und würden Sie gerne zu einem Gespräch einladen." Ich war neugierig, habe ja gesagt, ohne genau zu wissen, worum es geht und dann im Erstgespräch mit den Beratern erfahren, dass es sich um die Funktion Leiter Rechtsabteilung beim Postbus handelt. Nach dem ersten Gespräch kam ich in eine zweite Runde, wurde dann Frau Goldmann, der damaligen Vorstandsdirektorin beim Postbus, vorgestellt und einige Monate später hat es dann tatsächlich geklappt.

Was hat Sie an dem Jobangebot gereizt?

Vor allem, dass ich dort etwas Neues aufbauen konnte. Das Unternehmen wurde damals von der Post abgespalten und ich kam genau in dieser Pionierphase, Ende 2001, Anfang 2002 ins Unternehmen, als es darum ging, diesen Betrieb, der gut funktioniert hat, aber schwer defizitär war, mit unternehmerischen Funktionen zu versehen. Controlling, Recht, Personal. Das wurde durch die Abspaltung nötig. Am Beginn war ich nur eine winzige Rechtsabteilung mit einer Mitarbeiterin, aber ich hatte die Möglichkeit, unglaublich viel zu bewegen. Zuerst ging darum, viele Verträge, die noch auf die Post gelautet haben, zu entflechten und auf den Postbus zu reduzieren sowie darum, eine interne Governance zu schaffen, sprich eine Geschäftsordnung zu schreiben, ein internes Regelwerk zu entwerfen und eine Unterschriftenordnung zu machen. Das hat mich das erste halbe Jahr beschäftigt, dann habe ich mich mehr dem Markt zugewandt. Denn der Postbus ist ein Unternehmen, das aufgrund von Grund- und Leistungsverträgen mit dem Bund und den Ländern zu zwei Drittel öffentlich finanziert ist und zu einem Drittel aus Fahrgeldeinnahmen gespeist wird. Diese Verträge waren eine spannende Sache, weil man dazu einen guten Einblick in die österreichische Finanzverfassung haben muss.

Wenn man unternehmensinterne Spielregeln und Abläufe festlegt, sind das ja massive Interventionen in die Organisation, weil man damit wichtige Rahmenbedingungen der Führung definiert. Wie sehr denkt man so etwas mit?

Das musste ich ganz stark mitdenken, genau das erwartete die Vorstandsdirektorin von mir. Frau Goldmann war eine Direktorin, die ihrem Team, ihren Abteilungsleitern, eine unglaubliche Freiheit gegeben, aber auch verlangt hat, dass sie sich ein bisschen in sie hineinversetzen können. Es gab ein klar ausgesprochenes Führungsmodell sowie das klare Ziel, das Unternehmen in die Gewinnzone zu bringen. Beides musste ich berücksichtigen, als wir neue Abläufe und Prozeduren definiert haben. Es war immer die Frage präsent: Wie funktioniert unser Markt und wer braucht daher welche Freiheiten, um sich am Markt gut bewegen zu können? Ein konkretes Thema war: Wie muss eine Unterschriftenordnung ausgelegt sein, damit sich der Vertrieb rühren kann? Wenn ich weiß, dass das Geschäft bei uns so funktioniert, dass viel direkt in den Bundesländer passiert, dann müssen die handelnden Personen auch entsprechende Abschlussfreiheiten für Verträge haben.

Sie kamen sehr jung in die Position eines Abteilungsleiters, oder?

Ich war 28. Was es mir erleichtert hat, war, dass in diesen Monaten viele neue Führungskräfte von außen gekommen sind - für Marketing, Controlling, Vertrieb, Personal. Da hat sich eine Führungsmannschaft gebildet, die wie Pech und Schwefel zusammen gehalten hat. Gleichzeitig haben wir versucht, bewusst keinen Klüngel zu bilden, weil uns klar war, dass wir schnell in den Betrieb hinein wachsen müssen: Wenn wir authentische Führung in dem Unternehmen haben wollten, musste das bis zum einzelnen Busfahrer hin spürbar sein. Genauso notwendig war es, mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft eine gute Gesprächsbasis zu haben. Ich habe mir am Beginn aber sehr schwer getan, weil ich als junger Manager mit Anzug und Krawatte wahrscheinlich eher als "Bankschnösel" gewirkt habe. Irgendwann wird man dann auch als Mensch gesehen, aber am Anfang ist man "der Feind", gerade wenn das neue Management einher geht mit Restrukturierung und Kulturwandel.

Die Zielsetzung war klar: schwarze Zahlen. Aber was war die Strategie?

Produktivitäts- und Umsatzsteigerung durch Verkehrsdienstverträge und Optimierungen im Personalbereich, das waren die Eckpfeiler. Meine Rolle war sicher dankbarer als die des Personalchefs, denn niemand hatte etwas dagegen, sich mehr Geld vom Markt zu holen. In dem Bereich ging tatsächlich viel weiter, ich habe eine Zeit lang mit einer Kollegin im Vertrieb tolle Abschlüsse erzielt. Es gab damals gerade ein "Window of opportunity", weil die Gebietskörperschaften aufgrund der höheren Mineralölsteuer-Einnahmen mehr Geld für den öffentlichen Verkehr hatten und wir die Verkehre massiv verdichten konnten. Das bedeutete für den Personalchef wiederum, dass er dem Betriebsrat mehr Arbeit verkaufen und sich das gegen höhere Produktivität abkaufen lassen konnte. Das war eine ziemliche Erfolgsstory.

D.h. die Gebietskörperschaften haben Verträge und zahlen eine gewisse Gebühr.

Sie zahlen ein Leistungsentgelt dafür, dass man bestimmte Strecken in bestimmten Intervallen fährt. Durch ein besseres Angebot in Richtung integriertes Verkehrsangebot konnten wir ein höheres Entgelt erzielen. Nach eineinhalb Jahren und dem Weggang einer Kollegin hatte ich nicht mehr nur die Rechtsabteilung inne, sondern auch den Vertrieb und die Verkehrsplanung, sozusagen erhebliche Teile der Produktion. Seitdem bin ich überzeugt: Vertrieb und Produktion sollten tunlichst in einer Hand geführt werden. Ich habe die Trennung in der Führung von Produktion und Vertrieb schon in der Versicherung immer als falsch angesehen, weil dadurch die Vertriebsmitarbeiter immer gejammert haben, "die Produkte, die Ihr konzipiert, sind nicht verkäuflich", während die Produktion gemeint hat, "das was Ihr verkaufen wollt, können wir mit dem Schadenssatz rechnerisch nicht darstellen, das ist ein Unding". Meine Erfahrung ist: Nur wenn das aus einem Blickwinkel gedacht und aus einer Hand geführt wird, entsteht ein Mehrwert.

Was hieß das für Ihre Führungsaufgabe?

Zuerst hatte ich nur eine Mitarbeiterin, mit der ich eng zusammen gearbeitet habe. Mit der Übernahme des Vertriebsbereichs waren es dann ca. 20 Mitarbeiter in der Verkehrsplanung und im Vertrieb, die mir direkt zugeordnet waren und eine Vielzahl von Mitarbeitern in den Regionen, die ich fachlich mitgesteuert habe. Aber natürlich waren schon 20 Leute für eine direkte Führung zu viel.

Zuerst eine Mitarbeiterin, dann 20 direkt zu führende Mitarbeiter - wie wirkt sich diese Veränderung konkret aus?

Es wirkt sich vor allem so aus, dass man sich als Führungskraft bei dieser Teamgröße aus jeder operativen Tätigkeit völlig zurückziehen sollte. Man darf "nichts mehr im landläufigen Sinn arbeiten", sondern man führt dann „nur“ mehr. Man nimmt eine Distributions- und Ausgleichsfunktion innerhalb der Abteilung wahr und 90% Ihres Tages bestehen nur mehr aus Kommunikation. Das ist für mich auch nach wie vor das Fordernde an diesem Job, weil man sich eigentlich nie zurückziehen kann, man ist permanent gefordert. Das ist hier im Kunsthistorischen Museum das gleiche. Sobald ich das Haus betrete, bin ich gefordert. Ich bin einer der, auf den man schaut, meistens der, auf den man in Besprechungen wartet, der dann etwas möglichst Gescheites sagen oder den Prozess steuern soll. Man muss die ganze Zeit präsent sein und das ist manchmal unglaublich anstrengend. Und es ist meines Erachtens nach unmöglich, wenn man mit sich selbst nicht im reinen ist und sich nicht dazu bekennen kann, auch immer wieder mal Fehler zu machen, denn dann wird man nie entspannt führen können. Dazu müssen Sie aber viel Zeit in die Entwicklung Ihres Teams investieren. Denn nur wenn Ihre Leute Sie kennen, ein Verständnis für die Ziele entwickelt haben und die Regeln des Miteinanders klar ausgesprochen sind, ist auch die nötige Toleranz vorhanden, wenn Sie einmal nicht gut drauf sind. Es passiert einem ja immer wieder mal, dass man sich für irgendein Anliegen gerade keine Zeit nehmen will und sagt, "Bitte quälen Sie mich jetzt nicht mit dem Thema. Ich will jetzt gerade nicht!" Das ist für den jeweiligen Mitarbeiter eine unglaubliche Zurückweisung, aber in einem entwickelten Team ist dafür auch mal Platz. Das Gute ist: Wenn man sich für die Entwicklung des Teams Zeit nimmt und die Dinge offen ausgesprochen werden können, fallen fast 80 Prozent der möglichen Reibungsflächen weg.

Beim Postbus waren Sie zuerst Leiter der Rechtsabteilung..

Dann wurde ich Prokurist und Vertriebsleiter und dann kam es zur Zusammenlegung von Postbus und Bahnbus, wobei zwar der Postbus von der ÖBB gekauft, aber der Bahnbus in den Postbus integriert wurde. Frau Goldmann ist dann im Konzern eine Etage höher gestiegen und wurde Vorstand für den Personenverkehr auf der Schiene und ich bin ihr als Geschäftsführer nachgefolgt, wobei dieser Wechsel - vom Kollegen zum Vorgesetzen - viel Kraft und viel Kommunikation gekostet hat und eine große Herausforderung war. Man hört dann Sätze wie: "Aber du warst doch früher nicht so." Da braucht es ganz bewusste "Initiationsriten", um diese neue Rolle klar zu machen. Das wollte ich, vielleicht auch aufgrund meines jungen Alters, nicht wahrhaben. Das ist mir im nächsten Job hier im Haus schon leichter gefallen, wobei es mir menschlich noch immer schwer fällt, von 55- oder 60-jährigen Damen und Herren mit Herr Direktor angesprochen zu werden. Es ist mir ein Stück weit unangenehm, aber ich weiß, dass es das braucht. Als kaufmännischem Direktor des Kunsthistorischen Museums werden von mir einfach bestimmte Dinge erwartet und wenn ich das nicht repräsentiere, gehe ich auch ein Stück weit an der Anforderung dieses Jobs vorbei.

Wie war der Wechsel vom Führen einiger Mitarbeiter zum Führen eines Unternehmens?

Das waren Momente, bei denen mir privat mitunter schwummrig geworden ist, das musste ich mit mir selber ausmachen. Man muss sich eingestehen, dass man nicht mehr machen kann, als den ganzen Tag fleißig zu arbeiten und mit seinem Kopf und Bauch redlich zu entscheiden. Und man muss akzeptieren: Wenn ich mich geirrt habe, habe ich mich geirrt. Es nutzt ja nichts. Aber es ist schon heftig, sich vorzustellen, als knapp 30-jähriger für 4000 Mitarbeiter verantwortlich zu sein und für einen Umsatz von 350 Mio. Euro.

Wie schafft man es eigentlich, dass andere "in die Verantwortung gehen"?

Vor allem hängt es davon ab, wie man selbst tickt und arbeitet. Wenn man jemand ist, der klammert und nicht loslassen kann, wird es nicht gelingen. Man muss Grenzen setzen, Verantwortungen definieren und dann auch loslassen können. Wenn Sie Team von 7-10 Mitarbeitern führen, die ja jeder für sich wieder eine große Verantwortung haben, dann müssen Sie das auch ansprechen und wertschätzen und immer wieder betonen, wie wichtig diese Führungskräfte sind. Gleichzeitig reicht es nicht, sich immer wieder über Strategien zu unterhalten, Sie müssen auch abchecken, ob Ihre Führungskräfte mit Ihnen am richtigen Weg sind. Sie müssen also auch controllen im Sinn von begleiten. Diese 7-10 Mitarbeiter, die Sie direkt führen, müssen Sie spüren. Damit meine ich nicht Druck oder ein Klima der Angst, sondern Präsenz und Konsequenz. Etwa indem Sie sagen: "Du, wir haben doch vor 3 Monaten gesagt, dass wir das und das machen. Ich habe dazu noch nichts bekommen. Sag mir bitte, wie es da steht oder was die Gründe waren, wenn du dich anders entschieden hast. Ich habe das Gefühl, wir müssen darüber reden."

Warum sind Sie 2007 ins Kunsthistorische Museum gewechselt?

Aufgrund des Kaufs durch die ÖBB gab es ein Konzernumfeld, wo ich in der Konzernhierarchie in der dritten oder vierten Ebene angesiedelt war. Ich konnte immer weniger selbst gestalten, war z.B. bei Investitionen, die über einen bestimmten Betrag hinausgingen, starken Restriktionen unterworfen und habe schnell gemerkt, dass mir hier zu viel Konzern- und Parteipolitik im Spiel war. Die Tätigkeit hat meiner unternehmerischen Einstellung immer weniger entsprochen und mir unter diesen Rahmenbedingungen einfach keinen Spaß mehr gemacht. Ich habe daher mein großes Projekt, die Teilprivatisierung des Post- und Bahnbusses, abgeschlossen und mich danach nach einer neuen, spannenden Aufgabe umgeschaut. In meinem „neuen“ Job gibt es wieder die Gestaltungsfreiheit, die ich mir immer vorgestellt habe und die Arbeit macht wieder extrem viel Spaß!

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Dr. Paul Frey, kfm. Direktor des Kunsthistorischen Museums