Here comes trouble

Magnus Baarman, President der Frauenthal Automotive Holding GmbH, über den eigenen Karriereweg im Automotive-Bereich, die Übernahme der Gesamtverantwortung in der Krise und die Antwort auf die Frage, wie man es schafft, trotz Umsatzeinbruchs von 55 Prozent innerhalb eines Jahres die Null-Linie zu erreichen.

Was hat Sie in den Automobilbereich verschlagen?

Nach dem Abitur war ich auf der schwedisch-sprachigen technischen Universität an der Westküste, die ich mit dem Master of Science abgeschlossen habe. Über meine Diplomarbeit bin ich in den Automotive-Sektor gekommen. Es gab damals eine Fabrik in unserer Nähe, die Blattfedern für die schwere Nutzfahrindustrie hergestellt hat und zu einer finnisch-schwedischen Stahlgruppe gehörte, die auf Spezialstähle und Komponenten spezialisiert war. Ich habe für die Diplomarbeit ein Computermodell für die Dynamik der Federung einer kompletten Achse entworfen und untersucht, wie die Teile dabei zusammenwirken: Federn, Stabilisatoren, Stoßdämpfer, Reifen.

Wenn man als Diplomand in einer Firma arbeitet, sind mit der Diplomarbeit noch nicht alle Fragen geklärt, sondern es gibt oft noch den Bedarf für weitere Untersuchungen. So war es auch bei mir, daher hat man mir ein Angebot gemacht zu bleiben. Ich habe als Ingenieur angefangen, zuerst in der Entwicklung, später im Sales-Bereich, danach habe ich die Verantwortung für ein neues Geschäftsfeld übernommen, die sogenannten Rohrstabilisatoren, die wir selbst entwickelt und patentiert haben. Schon damals hat man aus Kostengründen sehr auf das Gesamtgewicht der Fahrzeuge geschaut und sich mit der Frage beschäftigt, wie man jede Komponenten im Fahrzeug leichter machen kann. Mit unserer Innovation konnten wir damals 45-50 Prozent des Gewichts dieses Teils sparen, das waren rund 20 Kilos. Bei einem Fahrzeug von 15 Tonnen ist das nicht die Welt, aber wenn man an jeden Teil mit dieser Philosophie herangeht, spielt das sehr wohl eine Rolle. Dieses Produkt hat uns ermöglicht, unsere Marktposition in Europa zu verstärken und in Richtung Mitteleuropa auszubauen, es hat sozusagen als Türöffner gewirkt.

Eingestiegen sind Sie nach dem Studium in die Entwicklung, dann gingen Sie in den Sales-Bereich. Hat Sie das überhaupt interessiert?

Ja, das ist der Vorteil, wenn man in einem kleineren Unternehmen anfängt. Dann kann man einfacher über die Grenzen arbeiten. Schon als Entwicklungsingenieur war ich im technischen Verkauf eingebunden. Dass ich dann später die rein kommerzielle Verantwortung bekommen habe, hat sicher damit zu tun, dass diese Welt für mich dann nicht mehr komplett neu war, auch wenn man da natürlich auch Neues lernen muss. Wir hatten als Werk ca. einen Umsatz von 15 Mio. Euro mit rund 100 Angestellten, da arbeitet man immer etwas über die Grenzen und lernt dadurch viel mehr in die Breite als in einem großen Konzern.

Was haben Sie damals von den ersten Chefs über Führung gelernt?

Das habe ich teilweise erst später verstanden. Wir waren damals, Mitte der 90er-Jahre schon straff unterwegs mit Prozessorganisation, d.h. weg von Hierarchien, mit starkem Fokus auf den Kundennutzen. Das Wichtige war, dass es Ende des Tages einen zufriedenen Kunden gab und einen guten Cash-Flow. Was ich damals gelernt habe, dafür hatte ich dann später viel Verwendung. Mein Eindruck ist, dass in Zentraleuropa typischerweise  - aus welchen Gründen immer – die Hierarchien wichtiger sind als die Prozesse. Zwar haben inzwischen viele Unternehmen damit begonnen, sich mit Prozessdenken zu beschäftigen, aber mein Glück war, dass wir im Norden schon ein bisschen früher damit begonnen haben. Das hat sicher auch mit der Kultur zu tun. Ich hatte immer den Eindruck, dass es bei uns im Norden immer stark um die Sache ging, während es in Zentraleuropa deutlich mehr um Beziehungen, Status, Hierarchien geht. Das kommt im Norden auch vor, aber deutlich weniger.

Was haben Sie im Sales-Bereich genau gemacht?

Wir haben damals begonnen, unseren Markt in Richtung Zentraleuropa auszubauen. Meine Aufgabe war eigentlich, als Exportmanager Kundenbeziehungen zu den großen deutschen LKW-Herstellern aufzubauen, auch zu den Herstellern in Italien und Großbritannien. Das war eine superinteressante Aufgabe, insbesondere weil wir ein wirklich interessantes Produkt dabei hatten. Wir haben damals bei Null angefangen und es hat ungefähr drei bis vier Jahre gedauert, bis wir am Markt etabliert waren. Für einen jungen Ingenieur war das ein tolles Erlebnis.

Mit dem neuen Produkt haben wir eigentlich keine Komponente verkauft, sondern wirklich eine Lösung. Der Kunde hatte den Bedarf, im LKW Gewicht zu sparen und wir hatten dafür eine Lösung. Damit wir damals der Einzige am Markt. Es war auch interessant zu erleben, wie unterschiedlich die großen Giganten als Organisation arbeiten. Bei einigen hatte man einen Termin mit dem Einkauf und wenn die interessiert waren, haben die intern alles für Sie organisiert: Technik, Prüfung, Qualität usw.  Dann gab es Organisationen, wo der Einkauf nur ein kleiner Teil war und man selbst alle Beziehungen in der Organisation aufbauen musste. Da hieß es immer: Du musst mindestens 25 Visitenkarten haben, bevor du überhaupt eine Chance auf einen Auftrag bekommst. Das hat auch gestimmt. Und dann gab es noch alle möglichen Zwischenformen. Auch das - diese völlig unterschiedlichen Welten kennen zu lernen - hat mir für meine jetzige Arbeit viel geholfen. Diesen operativen Verkauf habe ich relativ lang gemacht, von 1994 bis 2008, weil ich dann später, als ich Werksleiter für das finnische Werk wurde, weiterhin diese Vertriebs-Verantwortung hatte. Erst mit dem neuen Job in Österreich war ich nicht mehr an der operativen Front tätig.

Zuerst Entwicklungsingenieur, dann Sales, dann Werksleiter?

Als Zwischenstufe hatte ich zuerst die Leitung des neuen Geschäftsbereichs, bei dem ich zuerst für den Verkauf, dann auch für Technik und Produktion verantwortlich war. Im nächsten Schritt wurde ich Werksleiter.

Die Geschäftsfeldleitung war die erste Führungsverantwortung?

Ja, da habe ich meine erste kleine Organisationseinheit geleitet. Vorher hatte ich keine Personalverantwortung, aber ich habe schon in ganz jungen Jahren als Pfadfinder gelernt, Leute zu führen. Das war eine gute Schule und so viel komplizierter ist es im Unternehmen auch nicht, es geht um dieselben Prinzipien: Jeder muss verstehen, wie das Ziel ausschaut und vor allem muss jeder verstehen, warum es so aussieht. Was sind die Wege dorthin und warum sehen die Wege so aus, wie sie aussehen? Nur wenn die Mitarbeiter das verstehen, sind sie motiviert und engagiert. Das Wichtige ist, dass sie ein Eigeninteresse haben, dabei zu sein, sie müssen das Gefühl haben: I make the difference. Wenn jeder dieses Gefühl hat, einen wichtigen Beitrag zu leisten, dann hat man auch ein persönliches Interesse, ein tolles Ergebnis zu erzielen.

Wenn ich mich in Firmen so umschaue, habe ich nicht unbedingt das Gefühl, dass das tatsächlich weit verbreitet ist. Wie stellen Sie das also konkret an?

Die Leute möchten erklärt haben, warum es so ist, wie es ist und warum ich der Meinung bin, dass wir das so und so machen sollen, um das Ziel zu erreichen. Die Leute wollen für sich selbst überlegen und entscheiden können, ob das so Sinn macht. Also muss man es zuerst ausführlich erklären und dann muss jeder offen darüber reden können. Wenn alle mitdenken, kann das mein Denken nur verbessern.

Das erfordert aber auch auf Ihrer Seite die Flexibilität, anderslautende Meinungen ernst zu nehmen und aufzugreifen, statt sich gleich angegriffen zu fühlen, wenn jemand etwas in Frage stellt. Einwände können berechtigt sein, andere Ideen tatsächlich besser. Oft erweist sich das nur als eine Art Pseudo-Partizipation, wo man dann doch sein Ding durchdrückt.

Ich bin nicht in einem Führungsjob, weil ich immer am besten weiß, wie wir zum Ziel kommen, sondern weil ich die Herausforderung angenommen habe, Leute zusammen zu bringen, um gemeinsam das beste Ergebnis zu erreichen. Das ist, warum ich gern einen Führungsjob habe und damit habe ich auch gute Erfahrungen gemacht.

Das Werk in Finnland wurde dann verkauft.

Ja, 2003 an die Frauenthal-Gruppe. Da war ich schon Werksleiter.

Wie war die Umstellung?

Die war schon groß, wobei die Frauenthal-Gruppe uns eine ziemlich große Freiheit gewährt hat. Man hatte ein großes Verständnis für die kulturellen Unterschiede. Das haben wir jetzt ein wenig verändert. Frauenthal hatte damals eine Wachstumsstrategie. Wir hatten im Werk zwar interessante Produkte, aber wir hatten im Werk strukturell ein Problem, wir waren von der Größe her etwas zu klein, um sehr effizient arbeiten und die Fixkosten decken zu können und dabei konkurrenzfähig zu sein. Zudem waren wir logistisch gesehen nicht gut positioniert. Auch die schwedischen Kunden haben ihre LKWs mehr und mehr in Zentraleuropa montiert und produziert. Da waren wir ziemlich weit weg von den Hauptmärkten. Daher hat der Mutterkonzern dann ein Angebot von Frauenthal angenommen. Bei Frauenthal wurden wir das fünfte Werk, mit Spezialkenntnissen, aber einer schwierigen Position von der Struktur her und es war bereits absehbar, dass das Werk vielleicht früher oder später zugesperrt werden würde, weil es am Markt zu einer Konsolidierung kommen würde. 2006 wurde das finnische Werk dann tatsächlich geschlossen und die Produkte auf die anderen Werke in der Gruppe aufgeteilt. Frauenthal hat damals also eigentlich die Technologie und Marktanteile gekauft. Natürlich war das nicht gerade leicht, weil das Werk in dem kleinen Ort doch ein größerer Arbeitgeber war. Ich war damals nicht mehr Werksleiter, nachdem ich 2005 in die neue Key-Accounter-Struktur der Gruppe gegangen war, wo ich für einige Hauptkunden die Gesamtverantwortung inne hatte, aber ich habe in der Nähe des Werkes gewohnt und in dem Werk mein Büro gehabt, insofern habe ich das alles hautnah miterlebt.

Standen da nicht alle Mitarbeiter bei Ihnen auf der Matte, mit der Aufforderung: Tu was!

Natürlich. Was kann man sagen? Das Beste ist Ehrlichkeit: So sieht die Situation aus. Zu jedem Beschluss gibt es die verschiedensten Meinungen und natürlich haben wir für das Werk gekämpft und laufend Verbesserungen und Veränderungen im Werk vorgenommen, aber das hat an dem strukturellen Problem nichts geändert. Klar gab es Enttäuschungen, aber gleichzeitig verstehen die Leute ja viel mehr, als Manager oft glauben. Sie haben alle gewusst, was das Problem ist und dass das kaum zu lösen ist.

Wie ging es bei Ihnen weiter?

Den Job als Key-Account-Manager habe ich bis Oktober 2008 gemacht, als es zu der Neustrukturierung in der Frauenthal-Gruppe kam. Der Job war eine gute Abwechslung: von der Werksleitung wieder hinein in den Verkauf und Vertrieb mit einem starken technischen Hintergrund und dem technischen Wissen, was in einem produzierenden Werk wichtig ist. Ich weiß, wie man entwickelt, wie man produziert und auch, wie man das verkauft. Nach der Werkschließung habe ich von meinem Home-Office in Finnland aus gearbeitet, war aber viel unterwegs.

2008 waren die Zahlen zwar noch sehr gut, aber seit einigen Monaten waren bereits drastische Rückgänge bei Auftragseingängen zu beobachten. Es haben sich dann zwei Top-Manager entschlossen, das Unternehmen zu verlassen und das war Anlass zu Interviews mit den Führungskräften der zweiten Reihe und intensiven Diskussionen über die künftige Richtung. Das war spannend und hat viel gebracht. Es wurde sehr offen diskutiert, weil man das als Chance gesehen hat, Umbauten vorzunehmen. Ich habe auch ein Konzept gemacht, was ich mit der Gruppe gern machen würde und das stieß auf Interesse. Es ging vor allem in Richtung Prozessmanagement und eine viel engere Zusammenarbeit zwischen Vertrieb und Produktentwicklung, die damals in ganz unterschiedlichen Ecken tätig waren.

War nicht schon seit langem klar, dass es im Markt enorme Überkapazitäten gibt?

Ja, klar. Es war damals allerdings eine Doppelherausforderung, weil alles gleichzeitig passiert ist. Es ging darum, das Unternehmen organisatorisch auf neue Beine zu stellen, ein neues Denken zu forcieren und all das bei gleichzeitig wegbrechenden Märkten. Gewisse Maßnahmen waren sicher "low hanging fruits", die lagen schon länger in der Luft, z.B. das Zusammenbringen von Entwicklung und Vertrieb. Die Krise hat uns dann zu den schwierigen Entschlüssen gebracht, nämlich wie wir so schrumpfen, dass es erstens liquiditätsschonend ist und uns zweitens nicht mittel- und langfristig schadet.

Es gab inzwischen 13 Werke. Wie geht man da vor?

Man muss überlegen, welche Struktur lebensfähig ist in einer noch schärferen Konkurrenzsituation, wie es künftig sicher sein wird. Wir hatten mit den 7 Federwerken einen Umsatz von ca. 200 Millionen. Es erklärte sich mehr oder weniger von selbst, dass hier ein Effizienzpotenzial steckte. Es war klar, dass wir künftig denselben Umsatz mit deutlich weniger Werken und damit weniger Fixkosten machen können müssen. Also mussten wir überlegen, was sind die vier Werke, mit denen wir weitermachen und wie schaut der Weg während dieser Schrumpfungsphase aus? Zwei Werke wurden dann verkauft, eines wurde stillgelegt. Das klingt einfacher als es ist, denn das musste alles in enger Zusammenarbeit mit den Kunden passieren. Hier geht es um Business to Business und da hat der Kunde eine sehr enge Beziehung zu einem bestehenden Lieferwerk. Wenn wir also sagen, lieber Kunde, wir liefern das künftig aus einem anderen Werk, damit wir konkurrenzfähig bleiben, dann bedeutet das für ihn, dass er Teile, die er bisher vom Werk A bekommen hat, jetzt vom Werk B bekommt. Da muss man den Kunden erst mal überzeugen, dass Werk B von der Qualität genauso gut ist, dass die ebenfalls immer lieferfähig sind, dass die Logistik funktioniert und man muss ihm genau beschreiben, wie die Transferphase mit der Verlagerung ausschaut. Nach dem Beschluss fängt die harte Arbeit also erst an. So eine Verlagerung ist ein hochkomplexes Verfahren, damit das für den Kunden passt. Diese Transfer-Projekte haben wir im April 2009 gestartet und darauf haben wir uns im letzten Jahr voll konzentriert. Dass wir diese Verlagerung überhaupt machen konnten, hat übrigens mit der geringen Nachfrage zu tun gehabt. Ein, zwei Jahre früher wäre das gar nicht gegangen, denn da lag die Nachfrage teilweise bei 110 Prozent unserer Kapazität. Jetzt konnten wir das tun, aber gleichzeitig war der Wettbewerb größer als je zuvor, weil jeder wie wild um Aufträge gekämpft hat. Gelingt so ein Transfer nicht, warten schon Konkurrent A, B, und C vor der Tür, um liebend gerne Aufträge zu übernehmen.

Wie schafft man es da, schnell zu agieren und umzusetzen?

Wir waren stark auf Liquidität fokussiert, hatten hohe Restrukturierungskosten, aber als Lohn haben wir schon Ende 2009 Ergebnisse der harten Arbeit gesehen. Wir hatten das Ziel, bis Ende des Jahres cash-neutral zu sein, und das bei einem Umsatz, der 55 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2008 war! Das haben wir erreicht und das hat mich wirklich erstaunt.

Da freuen sich alle Kostendrücker: Schaut, was da noch alles geht, oder?

Ums Kostendrücken selbst kommen Sie in so einer Situation nicht herum. Die Frage ist, wie intelligent man dabei vorgeht. Nutzt man es als Chance zur Erneuerung, zur Fokussierung, zur Änderung alter Systeme oder nicht. Wir haben Tag und Nacht gearbeitet, aber das Ergebnis war dann auch da. 2010 fangen wir mit einer Marktlage an, die sich langsam verbessert und wir verlieren trotz halbiertem Umsatz kein Geld mehr. Der Weg dort hin war: Fixkosten weg, wo es nur ging: Wir haben Büros geschlossen, zwei Werke verkauft, ein Werk geschlossen, wir haben unsere Struktur bereinigt und viele, viele kleine Dinge verbessert. Heute haben wir die Nase über dem Wasserspiegel und können überleben, selbst wenn 2010 auch ein schlechtes Jahr werden sollte.

Wie schauen in so einer Phase die Arbeitstage aus? Sitzen Sie den ganzen Tag in Meetings und leisten Überzeugungsarbeit?

Es gab zwei große Bereiche: intern den Strukturumbau und die Arbeit mit den Kunden. Ich war viel bei den Kunden unterwegs, um ihnen zu erzählen, was wir unternehmen und warum es für sie Sinn macht, mit uns weiterzumachen. Intern ist es wichtig, zu kommunizieren, warum  wir das machen, wie tief die Krise ist, aber auch Hoffnung zu geben, dass nach dem Regen wieder die Sonne kommt.

War das alles bereits absehbar, als die die Leitung des Automotive-Bereichs übernommen haben?

Teilweise schon. Dass die Krise so tief werden würde, davon hatte ich damals keine Ahnung, aber ich wusste schon: Here comes trouble.

Weiß man da stets, was man machen soll oder ist man auch mal ratlos und denkt sich: Ich habe keine Ahnung, was ich jetzt machen soll?

Nein, das war eigentlich niemals der Fall. Es sind eher Situationen, wo man vor der Entscheidung steht: Sollen wir links oder rechts fahren? Wo es also darum geht, Beschlüsse zu fassen, während die Zeit gegen einen spielt. So viel wie ich vergangenes Jahr gelernt habe, habe ich sicher niemals zuvor in meinem Berufsleben gelernt. Das Ziel ist klar, es geht ums Überleben und darauf ist man dann voll konzentriert. Vielleicht wäre die Angst größer gewesen, wenn der Markt nur um 20-30 Prozent hinuntergegangen wäre, dann wäre die Gefahr größer gewesen, dass man zögert oder vor radikalen Veränderungen zurückschreckt, aber so war die Krise so tief, dass klar war, dass man sofort handeln muss.

Es war ziemlich klar, worauf wir uns konzentrieren sollten: verstärkte Kundenbeziehungen, Liquiditätssicherung und schneller Umbau bei gleichzeitigem Achten darauf, dass wir den wertvollen Teil des Unternehmens dabei nicht zerstören. Ich muss sagen: Obwohl die Krise so groß war – und sie ist ja noch nicht vorbei – ist es unter den Kollegen im Management niemals zu großen Meinungsunterschieden gekommen. Das hat mich überzeugt und bestätigt, dass man auch extrem schwierige Themen, wenn man sie offen auf den Tisch legt und offen darüber redet, gemeinsam bewältigen kann. Konflikte entstehen meistens dann, wenn man zu wenig miteinander redet.

Was hat sich jetzt wirklich verändert, außer dass die Zahl der Werke geschrumpft ist?

Zum einen sind heute unser Kunden-Interface und der interne Zusammenhalt deutlich besser. Wirklich deutlich besser. Wir hören zu, sind aktiv, innovativ, entwickeln und wir steuern unsere Werke jetzt ganz anders als noch vor einem Jahr. Früher wurden sie typischerweise über die normale G+V-Rechnung gesteuert, jetzt gibt es bei uns eine Zentralverantwortung für die Preise, dafür, welche Werke was machen, für die Zuteilungen. Darauf haben die Werke keinen Einfluss, daher macht es auch keinen Sinn, über eine G+V zu steuern, weil die Werksleiter das nicht zu 100 Prozent beeinflussen können. Also haben wir den Werksleitern gesagt: Eure wichtigen Schlüsselzahlen sind Produktivität, Qualität, Logistik und Kundenzufriedenheit. Wenn ihr das schafft, habt ihr euren Job gemacht. Auch das ist eine Frage der Kommunikation. Der Nebeneffekt der neuen Schlüsselzahlen ist, dass es damit auch plötzlich Transparenz gibt, wer wo besonders gut ist, wodurch auch mehr voneinander gelernt wird. Die neuen Zahlen sind einfach viel aussagekräftiger.

Für mich persönlich war in dieser Situation enorm wichtig, dass ich so einen breiten Hintergrund habe. Ich weiß, wie Verkaufsarbeit im Automotive-Bereich gemacht wird, ich war selbst sechs Jahre Werksleiter, ich weiß also, wie man produziert und ich weiß, wie man entwickelt. Diese breite Erfahrung samt den frühen Erfahrungen mit Prozessdenken hat mir in dieser Krise enorm geholfen, intern ebenso wie bei den Kunden. Seit kurzem kann ich mich ein wenig aus dem operativen Geschäft herausnehmen und darauf konzentrieren, darüber nachzudenken, wie wir weitermachen: What´s next?

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Magnus Baarman, President der Frauenthal Automotive Holding GmbH