Die Jagd auf "heilige Kühe"

In jedem Unternehmen gibt es eine Menge Vieh, das auf Ihren Gewinnen, Ihrer Produktivität und auf Ihrer Geduld weidet. Die amerikanischen Berater und Autoren Ron Kriegel und David Brandt verwenden den Begriff "Heilige Kühe" als Sinnbild für die Angst, veraltete, überflüssig gewordene Verfahrensweisen und Regeln, die inzwischen mehr kosten als sie bringen, in Frage zu stellen und zu schlachten.

Der Vorteil einer im ganzen Unternehmen ausgerufenen "Kuhjagd" liegt neben dem offensichtlichen Effekt der Effizienzsteigerung darin, dass sie die Mitarbeiter dazu animiert, die Augen und Ohren für veraltete Ideen und Verfahren offen zu halten und dadurch die Kreativität und Veränderungsbereitschaft der Organisation spürbar belebt.

Im Gegensatz zu irgendwelchen Postkästen für Verbesserungsvorschläge, in denen sich häufiger Zigarettenstummel und leere Kaffeebecher finden als gute Ideen, hat dieser Zugang ein spielerisches Element, er macht  Spaß – vorausgesetzt, es gibt klare Regeln, was mit dem entdeckten Ballast zu geschehen hat. Werden die Entdeckungen nur die Hierarchieleiter nach oben gemeldet und dort irgendwo abgewürgt, ist die Jagd vorbei, bevor sie richtig begonnen hat.

Klagen weisen den Weg

Ein guter Zugang, heiligen Kühen auf die Spur zu kommen, besteht darin, den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich lauthals zu beklagen. Lassen Sie Sätze wie diese vervollständigen:

  • Dieser Job wäre großartig, wenn ich nicht ......müsste.
  • Es ist solche eine Mühe, ....
  • Niemand liest (verwendet) diesen ......., warum als mache ich das?
  • Es ist reine Zeitverschwendung, .......
  • Ich könnte sehr viel produktiver sein, wenn ich nicht .......müsste.
  • Wir könnten sehr viel Geld sparen, wenn wir aufhören würden, ........

Die Antworten – auch wenn Sie sie vielleicht nicht gerne hören – führen Sie direkt zu den Punkten, an denen sich der Hebel ansetzen lässt, um blockierte Energien zu lösen und neue Motivation entstehen zu lassen.

Check der Grundannahmen

Eine andere Methode ist, die grundlegenden Vermutungen aufzuschreiben, die Sie über Ihre Kunden, Ihre Konkurrenz, ein Produkt oder eine Dienstleistung haben. Z.B.:

  • der Preis ist für den Kunden das Wichtigste.
  • die Kunden werden nicht extra für den Service bezahlen.
  • der Konkurrenz fehlt die Technologie, um ein besseres Produkt zu entwickeln.
  • wir können besser produzieren als unsere Konkurrenz

Dann führen Sie eine Realitätsprüfung durch, um zu bestimmen, ob (immer noch) alles zutrifft. Manchmal ist das nicht der Fall.

Schauen Sie genau hin!

Eine weitere gute Methode, um heilige Kühe zu finden, besteht darin, über eine Woche hinweg eine tägliche Liste zu erstellen, mit ALLEM, das Sie in dieser Woche erledigen. Das "alles" ist deshalb so entscheidend, weil es die natürliche Tendenz gibt, sich nur auf die wesentlichen Aufgaben Ihres Jobs zu konzentrieren. Aber sogar unter vielen als selbstverständlich angesehenen Aufgaben können sich heilige Kühe verbergen.

Wenn Sie alle Tätigkeiten aufgelistet haben, helfen Ihnen folgende Fragen, sie auszuwerten.

Warum tun Sie es?

Bewerten Sie folgende Fragen auf einer Skala von 1 bis 5 (1= Definitiv Nein. 5 = Definitiv Ja)

Wird durch diese Tätigkeit....

  • der Wert des Produkt für den Kunden verbessert?
  • die Qualität verbessert?
  • das Service verbessert, und kann man dadurch mehr auf den Kunden eingehen?
  • die Produktivität verbessert und werden dadurch die Kosten direkt verringert?
  • die Kommunikation verbessert?
  • die Motivation oder Moral der Mitarbeiter gesteigert?
  • Innovation ermutigt?
  • die Entscheidungsfindung beschleunigt?

Wenn die zur Debatte stehende Tätigkeit nicht mindestens eine Vier bei einem dieser Faktoren erzielt, muht sie.

Fragen Sie sich: Was wäre, wenn diese Tätigkeit gar nicht existierte? Was wären die tatsächlichen Folgen für das Unternehmen – sowohl in positiver wie auch negativer Hinsicht? Sind die Folgen den Preis wert, die Tätigkeit oder das Verfahren weiterzuführen?

Der Selbsttest: Wenn Sie mit einer Tätigkeit, die Sie als sehr wichtig einschätzen, eine Woche lang aufhören und keiner bemerkt das, dann ist das zwar schwer fürs eigene Ego, aber eine gute Möglichkeit, Zeit und Energie freizubekommen für andere, wertvollere Arbeiten.

Weitere hilfreiche Fragen:

Wird diese Tätigkeit bereits von jemand anderem erledigt?

Selbst in Zeiten halb zu Tode gehungerter Unternehmen ist es verblüffend, wie verbreitet nach wie vor Doppelgleisigkeiten sind, speziell in größeren Unternehmen, in denen Komplexität oft nichts anderes heißt als "Unübersichtlichkeit" bzw. "keiner kennt sich mehr aus". Wie also sichern Sie sich in Ihrem Unternehmen gegen doppelte Arbeiten aus? Woher weiß die eine Hand, welche konkrete Tätigkeiten die andere ausführt? Und was passiert, wenn diese aufgedeckt werden? Brechen Macht- und Revierkämpfe aus?

Wie und wann entstand dieses Verfahren, und wer hat damit begonnen?

Irgendwann einmal waren die meisten heiligen Kühe sinnvoll. Es gab einen guten Grund für ihre Existenz, aber der hat sich häufig schon vor Jahren verflüchtigt. Das Problem ist, dass das niemand bemerkt hat. Stellen Sie diese Frage und Sie werden überrascht sein, wie schwierig es in vielen Fällen ist, den Ursprung und Zweck herauszufinden.

Umgang mit Widerstand (von oben):

Sollte es Einwände geben, Tätigkeiten oder Prozess einfach wegzulassen, vereinbaren Sie einfach eine Probezeit: ein weggelassener oder stark verkürzter Bericht, andere Regelungen für Meetings, Mitarbeiter abteilungsweise selbst einstellen statt eines langen aufwändigen Prozesses über Personalabteilung und Headhunter, usw. Testen Sie es und evaluieren Sie die Wirkungen nach einer vereinbarten Zeitspanne, um Skeptikern den Wind aus den Segeln zu nehmen und es einfach zu tun statt nur darüber zu reden.

Die heilige Kuh des einen ist oft der preisgekrönte Bulle des anderen. Wenn der eine einen Bericht für nötig erachtet, den der andere als Zeitverschwendung empfindet, warum nicht eine kurze Checklist am Laptop, damit der eine die nötigen Daten erhält und der andere Zeit einspart? Es gibt viele Wege, eine Kuh zu häuten.

Skepsis von unten

Die größte Blockade beim Finden heiliger Kühe ist die Angst, mit der heiligen Kuh auch gleich die eigene Arbeit los zu sein und sich selbst - zumindest ein Stück weit - weg zu rationalisieren. Entsprechend gespannt beobachten alle Mitarbeiter, was in solchen Fällen passiert. Zugespitzt formuliert: Werden Leute, die durch das Aufdecken überflüssiger Aufgaben und Prozesse ihre bisherige Arbeit wegrationalisiert haben, entlassen oder befördert? Kommt ihnen die Verbesserung zugute oder schaden sie sich damit selbst? Wenn Sie nicht bereit sind, Ihre Mitarbeiter an den Erfolgen teilhaben zu lassen oder Sie solche Ansätze nur verwenden, um Leute aufzuspüren, die man abbauen könnte, wird das sofort als Manipulation durchschaut und Ihre Glaubwürdigkeit ist nachhaltig beschädigt. Nun liegt es an Ihnen. Gutes Gelingen!

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