Inhouse Consulting: Klienten als Konkurrenten

Immer mehr Inhouse-Consulter bieten ihr Know-how auch anderen Unternehmen an. Michael Mohe und Alexanders T. Nicolai beschreiben die besonderen Chancen und Risiken.

Als „Anfang für manche parkinsonsche Entwicklung“ beschrieb noch Mitte der 80er Jahre Unternehmensberater Roland Berger die Internen Unternehmensberatungen. Die Beschäftigung einer eigenen Beratungseinheit innerhalb der Unternehmensstruktur schien nur ein Übergangsphänomen zu sein. Mittlerweile sieht die Sache etwas anders aus: Von Finanzdienstleistern wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank über Medienunternehmen wie Bertelsmann bis hin zu Großbäckereien wie Kamps – quer durch alle Branchen hat sich die Institution „Interne Unternehmensberatung“ oder „Inhouse Consulting“ durchgesetzt.

McKinsey oder VW?

Mehr noch, Steven A. Clark, Präsident des amerikanischen Verbandes interner Managementberater, beobachtet: „Interessanterweise haben viele Interne Beratungen bereits eine solche Kompetenz aufgebaut, dass sie ihre Dienstleistungen auch anderen Unternehmen anbieten – im direkten Wettbewerb zu den externen Beratungen.“ Tatsächlich treten die internen Spezialisten zunehmend gegen Traditionsberatungen wie McKinsey, Boston Consulting Group oder auch Roland Berger an: Die IBM Unternehmensberatung kletterte bereits unter die Top 25 der Managementberatungen. Die Spezialisten von Porsche Consulting stehen mit ihrem Rat auch dem Top-Management von Volkswagen zur Seite. Und die internen Consultants von Lufthansa berieten bereits ihre externen Kollegen und halfen PriceWaterhouseCoopers (mittlerweile von IBM gekauft) bei der Personalrekrutierung.

Das Verhältnis zwischen internen und externen Beratern ist nicht nur durch Konkurrenz geprägt, sondern auch in gleichem Maße von Kooperation. Interne Beratungen übernehmen auch eine wichtige Maklerfunktion bei der Auswahl, Betreuung und Evaluation externer Berater. Diese Funktion können sie umso besser erfüllen, je mehr Erfahrungen sie im externen Markt sammeln.

Das Inhouse Consulting befindet sich an der Schnittstelle zweier gesellschaftlicher Mega-Trends: Der Entwicklung zur Dienstleistungs- und zur Wissensgesellschaft. Bereits seit Anfang der 80er Jahre ist der Dienstleistungssektor Motor westlicher Volkswirtschaften. Ein Trend, den Daniel Bell vor fast 30 Jahren vorausgesehen und der sich zunächst in den USA und mittlerweile auch in Europa durchsetzt hat.

Erst in jüngerer Zeit wurde die Bedeutung von Wissen als Schlüsselerfolgsfaktor entdeckt. Tatsächlich steigt über alle Branchen hinweg der wissensbasierte Anteil der Wertschöpfung stetig. Spätestens seit den immensen Anstrengungen vieler Unternehmen, ein funktionierendes Wissensmanagement zu installieren, ist klar: Wettbewerbsvorteile wurzeln immer stärker in der unternehmerischen Wissensbasis. Wissen ist der Stoff, aus dem die Kernkompetenzen der Unternehmen bestehen. Fast naheliegend ist es da, dass vor allem große Unternehmen damit beginnen, als Dienstleister ihr wertvolles Wissenskapital zu vermarkten. Wenn Hewlett Packard seinen Rat den Klienten zur Verfügung stellt, profitieren diese von aktuellem IT-Wissen aus erster Hand. Wird bei Volkswagen ein Konzept für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) entwickelt, kann Volkswagen Consulting dem Kunden ein schon praxiserprobtes Instrument anbieten. Dennoch ist die externe Ausrichtung einer internen Beratung alles andere als ein Selbstläufer. Erfahrungsgemäß begleiten spezifische Chancen und Risiken, wie sie in der folgenden Tabelle dargestellt sind, dieses Vorhaben.

Chancen und Risken der externen Ausrichtung interner Beratung

Chancen Risiken
Anhaltend hohes Wachstum des Beratungsmarktes, allgemeine Zunahme des Beratungsbedarf Dominanz bereits etablierter externer Beratungen
Umsatzsteigerung durch Partizipation am externen Beratungsvolumen, bessere Kapazitätsauslastung Unkontrolliertes Wachstum der Internen Beratung
Ausbau der eigenen Wissensbasis, Lernen von anderen Unternehmen Unbeabsichtigter Know-how-Abfluss
Verbesserung von Vergleichsmöglichkeiten (z.B. „verdecktes“ Benchmarking) Loyalitätsprobleme durch Doppelmitgliedschaft im internen und externen Beratungskontext
Nutzung und Ausbau von bestehenden Geschäftsbeziehungen Verlust von Geschäftsbeziehungen durch unbefriedigende Beratungsleistungen
Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber, verbesserte Ausgangposition im „War for Talents“ Abwanderung von Potenzialträgern zu Klienten oder anderen Beratungen
Vermarktung von bereits erprobten Unternehmenskonzepten und profundem Branchenwissen Insbesondere branchennahe Zielkunden können (potenzielle) Wettbewerber sein
Wettbewerbsorientierte Kultur durch externen Leistungsvergleich Vernachlässigung interner Klienten und damit Zunahme der Inanspruchnahme externer Beratungsleistungen, Problem der Auftragspriorisierung
Höhere interne Akzeptanz durch Marktpräsenz, höhere Handlungs- und Kompetenzspielräume Vertrauens- und Kontrollverlust, Gefahr der Verselbständigung

Ein sehr wichtiger Wettbewerbsvorteil der internen Beratungen besteht darin, dass sie die Kernkompetenzen des Gesamtunternehmens nutzen können. Damit dies gelingt, muss das Angebotsprofil auf die bestehenden und künftigen Kernkompetenzen abgestimmt sein. Zu den wichtigsten Herausforderungen zählt es, die richtige Balance zwischen Zutrauen und Vertrauen zu halten. „Der Prophet im eigenen Land zählt nicht viel“, hieß es oft, als das Inhouse Consulting noch rein intern ausgerichtet war. Dafür verfügen die internen Berater über einen großen Vortrauensvorschuss gegenüber dem externen Berater. Immerhin stehen die eigenen Berater noch lange nach Projektabschluss zur Verfügung. Gerade beim schwierigen Geschäft der Umsetzung ist dies ein wichtiger Faktor. Die Gewichte verschieben sich jedoch, wenn die Internen auf den externen Markt drängen.

Erfahrungen mit anderen Klienten, größere Handlungsspielräume, die Generierung eigener Umsätze – all dies stärkt intern die Position der Inhouse Consultants und das Zutrauen der internen Klienten. Gleichzeitig gerät jedoch die Vertrauensebene in Gefahr. Verselbständigen sich die ehemals rein internen Dienstleister, können sie Austrittsstelle für einen schädlichen Know-how Abfluss sein. Im schlimmsten Fall droht die Erosion der Kernkompetenz des Unternehmens. Eine Reihe von Instrumenten hilft, die notwendige Balance zu stabilisieren. Hierfür haben sich etwa Zielvereinbarungen über interne und externe Umsatzanteile und angepasste Budgetierungs- und Incentive-Systeme als geeignet herausgestellt. Es ist üblich, dass Internen Beratungen ein maximaler externer Umsatzanteil vorgegeben wird. Bei der zum Siemens-Konzern gehörigen SIETEC Consulting liegt dieser Anteil bei 60%, bei Volkswagen Consulting bei ca. 30%.

Fazit

     

  • Interne Beratungen befinden sich im Aufwind. Die meisten Großunternehmen haben mittlerweile eine derartige Stelle eingerichtet.
  • Immer mehr Interne Beratungen bieten ihre Leistungen auch extern an.
  • Wettbewerbsvorteile gegenüber ihren externen Mitbewerbern liegen in spezifischen Branchenkenntnissen und Umsetzungserfahrungen aus erster Hand.
  • Zu den größten Chancen der externen Marktorientierung zählen der Ausbau der eigenen Wissensbasis durch das Erschließen externer Lernpotenziale, die gewinnbringende Vermarktung der eigenen Wissensressourcen und die Steigerung der Akzeptanz im internen Bereich.
  • Größte Risiken sind ein unbeabsichtigter Know-how-Abfluss, Loyalitätsprobleme und Vertrauens- und Kontrollverluste.
  • Entscheidend im Rahmen ihres externen Marktauftritts ist die Balance zwischen Zu- und Vertrauen.
  • Grundsätzlich gilt: Je externer die Ausrichtung, desto größer das Zutrauen, je ausgeprägter die interne Orientierung, desto größer das Vertrauen.


Fallbeispiel Volkswagen Consulting

Volkswagen Consulting wurde als eins von acht Geschäftsfeldern der Volkswagen Coaching GmbH im April 1998 gegründet. Vorläufer war die interne Unternehmensberatung für Prozessoptimierung, die nur intern Dienstleistungen wie Organisationsentwicklung, KVP oder Programme zur Effizienzsteigerung anbot. Über bestehende Geschäftsbeziehungen des Gesamtkonzerns wurden erste Schritte auf den externen Markt unternommen.

Bosch zählte zu den ersten externen Kunden. Hier begann man festzustellen, wie wertvoll das interne Wissen von Volkswagen für andere Unternehmen sein kann. Gleichzeitig wurden attraktive Lernpotenziale durch den Kontakt mit anderen Unternehmen erschlossen. Wie enorm wichtig diese Erfahrungen sind, betont Dr. Krog. Leiter der Konzenlogistik von Volkswagen: „Wir wünschen uns, dass unsere Consultants sowohl über internes VW Know-how als auch externes Know-how verfügen.“

Aber erst mit der Umwandlung in Volkswagen Consulting lautete der ausdrückliche Auftrag der Geschäftsführung und des Aufsichtsrats, „eine angesehene, professionelle und profitable Interne Unternehmensberatung für die Volkswagen AG sowie den externen Markt aufzubauen“.

Als Ziele wurden unter anderem definiert:

     

  • Steigerung des operativen Wissenstransfers durch Multiplikation des vorhandenen Know-hows,
  • Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber für Managementnachwuchskräfte,
  • Verhinderung des Know-how-Abflusses durch Beauftragung externer Beratungen,
  • Reduktion der Kosten für den Einsatz externer Beratungen.

 

Heute werden über 30% des Umsatzes der Volkswagen Consulting mit externen Klienten erwirtschaftet. Aktuelles Erfolgsprodukt ist das sogenannte „Volkswagen Zeit-Wertpapier“. Dieses Instrument für das Personalmanagement ermöglicht eine flexible Gestaltung der Lebensarbeitzeit der Mitarbeiter, zum Vorteil des Unternehmens und der Belegschaft. Die Kinderkrankheiten dieses Instrumentes wurden seit Beginn der Einführung 1998 intern bei VW ausgemerzt. Heute wird es mit Erfolg anderen, auch branchenfremden Unternehmen angeboten.

Autoren: Michael Mohe und Alexander T. Nicolai

Dipl.-Oec. Michael Mohe promovierte über Inhouse Consulting. Nach seiner praktischen Tätigkeit in der internen Unternehmensberatung der Volkswagen AG leitet er u.a. als Lehrbeauftragter die Veranstaltung „Theoretische Bezüge der Beratung von Unternehmen“ an der Carl-von-Ossietzky Universität Oldenburg.

Dr. Alexander T. Nicolai ist Berater beim Management Zentrum Witten (MZW).

04.2001

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