Wenn der Chef "hineinregiert"

Jürgen W. Goldfuss über die Frage, was Sie tun können, wenn sich der eigene Vorgesetzte immer wieder in Ihrem Verantwortungsbereich einmischt.

Das Problem:

Am Anfang glaubten Sie noch, es sei Dynamik, was Sie erlebten. Nun sind Sie sicher, es ist das Chaos: Ihr Chef ist einfach unmöglich. Nicht nur, dass er Sie spontan anruft oder bei Ihnen im Büro erscheint, um sich zu erkundigen, wie weit es mit dem Projekt sei (obwohl Sie ihn kurz vorher darüber informierten) – damit könnten Sie ja noch leben. Dass er oft mit spontanen Ideen auftaucht - "Da sollten Sie sich unbedingt darum kümmern" – auch das könnten Sie noch ertragen. Aber dass er Ihre Mitarbeiter bei der Arbeit stört und sich dort nach jedem "Kleinkram" erkundigt und seine Empfehlungen abgibt, das belastet die ganze Abteilung. Er ist im ganzen Unternehmen für seinen Stil bekannt. Jeder weiß, dass er "halt so ist". Wer kann, geht ihm aus dem Weg. Diese Chance bietet sich Ihnen leider nicht. Sein Verhalten ist für Sie ein Rätsel. Was können Sie tun?

Fragen, die Sie sich stellen sollten:

  1. Haben Sie Ihren Chef schon einmal darauf angesprochen, dass die Effektivität Ihrer Abteilung darunter leidet, wenn er Ihre Mitarbeiter direkt anspricht?
  2. Was könnten die Gründe für sein Verhalten sein?
  3. Wie beurteilen seine Vorgesetzten sein Verhalten?
  4. Welche Vorschläge zur Verbesserung können Sie entwickeln?

Tipps zu den Fragen:

  1. Auch wenn Sie sich vielleicht davor scheuen, ihn auf das unangenehme Thema direkt anzusprechen, werden Sie sich nicht vor einer Aussprache drücken können. Denn wenn Sie nichts an der Situation ändern, werden Sie nie einen "normalen" Ablauf in Ihrer Abteilung erreichen.
  2. Vielleicht hat er das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, wenn er sich nicht selbst immer wieder vorm Arbeitsfortschritt überzeugt. Wenn das seine Befürchtungen sein sollten, vereinbaren Sie mit ihm feste Zeitpunkte, zu denen Sie ihn persönlich über die Arbeitsfortschritte informieren. Vielleicht verhält er sich auch so, weil er glaubt, Ihnen und Ihren Mitarbeitern auf diese Weise helfen zu können. In diesem Fall können Sie mit ihm regelmäßige Meetings vereinbaren, bei denen er die Chance erhält, über seine Erfahrungen zu einem bestimmten Thema zu berichten. Die zeitlichen Abstände zwischen den Meetings sollten Sie dann sukzessive verlängern. Fragen Sie ihn direkt am Anfang: "Soll ich Ihnen einen Überblick für das Management liefern – oder direkt in alle Details einsteigen?"
  3. Vermutlich haben sich sine Vorgesetzten bereits an sein Verhalten gewöhnt, denn sonst hätte man bereits für eine Änderung gesorgt. Wenn die Gespräche mit Ihrem Chef allerdings keine Änderung bewirken, dann sollten Sie das Thema anlässlich einer passenden Gelegenheit bei seinem Chef ansprechen. Der einzige Ansatz, etwas auf dieser Ebene zu bewegen, kann nur die Effektivität Ihrer Abteilung beziehungsweise des gesamten Unternehmens sein. Hüten Sie sich vor persönlichen Angriffen oder Bemerkungen.
  4. Außer den unter Punkt 2 genannten ANsäatzen sollten Sie versuchen, Ihrem Chef klar zu machen, dass er bestimmt Wichtigeres zu tun hat, als einen Teil Ihrer Kontrollaufgaben zu übernehmen. Schließlich werden Sie für die Aufgaben bezahlt, die in Ihrer Stellenbeschreibung verankert sind. Überlegen Sie gemeinsam mit Ihren Kollegen, welche Ansätze Sie sonst noch entwickeln können, um Ihren Chef aus dem Alltagsgeschäft herauszuhalten. Lassen Sie Ihren Chef die Erwartungen, die er an Sie hat, einmal aufschreiben und versprechen Sie ihm, die Erwartungen zu erfüllen, ohne dass er sich im detail um die Abläufe kümmern muss.

Häufig reagieren Vorgesetze in der oben beschriebenen Art und Weise aus falsch verstandener Fürsorgepflicht. Sie glauben, dass ohne ihre Hilfe und Unterstützung die "weniger erfahrenen jungen Leute" ihre Arbeit nicht erledigen könnten. Deshalb sollten Sie bei der Bearbeitung dieses Problems mit Feingefühl und Humor vorgehen. Ist Ihr Chef allerdings eher der Typ "Oberkontrolleur", dann machen Sie ihm klar und deutlich, wo Sie die Abgrenzungen zwischen seiner und Ihrer Aufgabe sehen. Werden Sie zum wichtigsten dienstleister Ihres Chefs. Machen Sie ihn von Ihren Informationen "abhängig".

Aus: Jürgen W. Goldfuss: "Souverän als Chef", Campus 2009

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