Was hilft bei Fusionits?

Die Zahl der Übernahmen und Fusionen ist in den vergangenen zehn Jahren zwar enorm gestiegen, konstant hoch geblieben ist aber die Zahl derjenigen Fusionen, die scheitern bzw. weit hinter den Erwartungen zurück bleiben. Bereits vorhandenes Know-How um Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren bei Fusionen bleibt häufig unberücksichtigt.

Die AUA tat es mit der Lauda Air, mit Tyrolean Airlines und auch mit der Rheintalflug. Die BAWAG machte es mit der PSK, Wüstenrot mit der VJV, die UTA Telekom mit Netway, Barci & Partner mit Young & Rubicam, Format mit Profil. Die Liste ließe sich noch seitenlang fortsetzen. Das Fusionskarusell dreht sich in einem fort. Ob Großkonzern, Mittelbetrieb oder Start-Up, sie alle scheinen vom selben Virus infiziert zu sein. Einem Virus, das täglich neue Manager in den Kanon einstimmen läßt: „Es gibt den Zwang zur Größe. Wenn Sie nicht bei den Größten sind, haben Sie heute keine Chance. Das heißt, Sie brauchen einen hohen Marktanteil. Und in bereits besetzten Märkten geht das nur durch Übernahmen.“

Stephan Jansen, Leiter des Institute for Merger & Acquisition (IMA) der Universität Witten/Herdecke bestätigt das in einer Studie von 103 Zusammenschlüssen, in der er folgende Fusionsmotive zu Tage förderte: „Zu den drei entscheidenden strategischen Zielen zählten bei 70 Prozent der Befragten die Erhöhung der (globalen) Marktpräsenz, bei 39 Prozent Kostensynergien im Bereich der Leistungserstellung und bei 31 Prozent Kostensynergien im Bereich der Vermarktung. Wachstumssynergien waren hingegen nur bei 16% der analysierten Unternehmen das Hauptmotiv, der Erwerb von Know-How nur bei sieben, die Erhöhung der Innovationskraft gar nur bei vier Prozent.“

Nun hat Größe in wettbewerbsintensiven Märkten mit ständigem Druck auf die Margen sicher einiges für sich. Gleichzeitig aber dämmert den Managern sehr wohl auch, welche Zores sie sich mit Übernahmen einhandeln: So erwarten laut einer aktuellen Umfrage von „Kothes Klewes“ gerade einmal 57 Prozent der Führungskräfte und lediglich 41 Prozent der Bevölkerung eine größere Leistungfähigkeit nach Fusionen. Das ist noch optimistisch geschätzt

Wertevernichter aller Länder, vereinigt euch!

Wurden 1998 weltweit 25.000 Unternehmenszusammenschlüsse mit einem Gesamtwert von 2.300 Mrd. Dollar durchgeführt (10mal so viel wie 1992), waren es ein Jahr später bereits 25.000 Übernahmen mit einem Wert von 3.400 Mrd. Dollar. Alles in allem eine Wertevernichtung in riesigem Stil. Denn viele Übernahmepreise sind nichts anderes als vorweggenommene Auszahlungen von angenommenen, hinterher aber nicht realisierten „Synergien“, weshalb allzuviele fusionierte Unternehmen nachher um einiges weniger wert sind als vor der Fusion. So stellte eine Analyse aller Fusionen zwischen 1955 und 1987, deren beteiligte Unternehmen an der NYSE/AMEX notiert waren, einen durchschnittlichen Vermögensverlust von 10,26 Prozent jeweils fünf Jahre nach der Fusion fest. Allein in den 80er Jahren in Deutschland wird der so entstandene Vermögensverlust auf 300 bis 500 Milliarden Mark (!) geschätzt.

Ein (wieder einmal) aktuelles Beispiel ist DaimlerChrysler, dessen heutiger Börsenwert ungefähr dem von Daimler alleine vor der Fusion entspricht! Die in Zeiten von Ezhart Reuter verursachten Milliarden-Verluste wurden unter Jürgen Schrempp bereits um ein Vielfaches übertroffen. Kein Wunder, wenn ein beträchtlicher Teil der Top-Manager von Daimler damit beschäftigt sind, Radikalsanierungen bei Chrysler und bis vor kurzem Mitsubishi in Angriff zu nehmen, um Verluste in Milliarden-Euro-Größe einzudämmen.

Sehenden Auges ins Unglück?

Wirklich verwunderlich ist nun folgendes: Das hohe Risiko des Scheiterns, die Gefahr der Wertevernichtung, massive Probleme selbst bei gut gelungenen Fusionen – all das ist bekannt. Trotzdem passieren die meisten heutigen Fusionen derart dilettantisch, als wäre all das eben gesagte völlig unbekannt.

Das beginnt schon im Vorfeld bei der Prüfung des anderen Unternehmens, bei der Due Diligence, bei der nach wie vor die Zahlenmenschen Zahlen betrachten und Technokraten Strukturen und Kästchen entwerfen, während sie wichtige Realitäten (Werte hier und dort; Abläufe und Arbeitsweisen hier und dort; Belohnungssysteme hier und dort, Marktbearbeitungs-, Sortiments-, Preisstrategien hier und dort) einfach nicht zur Kenntnis nehmen und so zu völlig falschen Chancen/Risiko-Abschätzungen und weltfremden Integrationsplänen kommen.

Die „story“ muß den Mitarbeitern schmecken

Es spielt sich weiter angesichts der weitverbreiteten Phantasielosigkeit der „Marktanteilskäufer“, wenn es um die von den neuen Mitarbeitern eingeforderte Antwort auf die Frage geht, was kommt nach den angepeilten Synergien? Warum sollten eigentlich unsere Kunden diese Fusion wollen? Was ist der Mehrwert für den Kunden? Gibt es plausible Wachstumskonzepte? Es verwundert immer wieder aufs Neue, wie dürftig und diffus da viele Pläne bleiben, während es überhaupt nicht verwundert, dass die Belegschaft des übernommenen Unternehmens angesichts solcher Perspektiven(losigkeit) in Panik verfällt.

Je schlechter die Analyse zu Beginn, desto mangelhafter ist natürlich der kritische Erfolgsfaktor Informationspolitik. Schon aus dem einfachen Grund, weil man in diesen Firmen erst nach der Vertragsunterzeichnung draufkommt, was alles noch analysiert, geklärt und entschieden werden muß und es infolgedessen monatelang von oben tönt: „Bitte warten! Das wird erst entschieden“ Die Folge sind eine Lähmung des ganzen Unternehmens, allgemeiner Frust, der sukzessive auf die Kunden übergreift (z.B. in Form von Dialogen wie: „Wer ist jetzt eigentlich mein Ansprechpartner und wer ist wofür zuständig?“ „Gute Frage, das würden wir auch gerne wissen“) und Produktivitätszahlen, die schnurstracks in den Keller fahren. Die ursprünglich angepeilten „Synergieeffekte“ wirken zu dem Zeitpunkt nur mehr lächerlich.

Gallier gegen Römer!

Klar ist, dass angesichts derartig vieler Fragezeichen die Dynamik im Unternehmen nicht mehr als Zusammenschluß, sondern nur mehr als heftiger Zusammenstoß zu charaktisieren ist: Es geht rund hinter den Kulissen! Macht- und Grabenkämpfe von Vorstandsebene abwärts prägen das Bild, ein Schlachtgetümmel wohin man blickt. Feindbilder etablieren sich in Windeseile und bedürfen dann vieler Jahre, um wieder abgebaut zu werden. Es wird wohl seinen Grund haben, dass nach der IMA-Studie in den ersten drei Jahren durchschnittlich 72 (!) Prozent der höheren Manager das fusionierende Unternehmen verlassen. Damit liegt die Fluktuationsrate 12mal so hoch wie im Normalfall!

Aber vielleicht liegt genau hier ja die Erklärung für das an sich unverständlich unprofessionelle Vorgehen vieler Firmen: Die meisten Manager fusionieren, um Marktanteile zu gewinnen. D.h. das vorrangige Interesse gilt den Kunden der übernommenen Firma, nicht den Mitarbeitern. Die enorme Fluktuation erleichtert den angepeilten Personalabbau ungemein, und hat noch dazu den Vorteil, dass man praktischerweise auch viele der Schwierigkeiten und chaotischen Zustände diesen „veränderungsunwilligen Blockierern“ zuschreiben kann, „die nicht bereit waren, unsere Vision mitzutragen“.

Wie auch immer, es gibt auch Firmen, bei denen die Lernkurve stark nach oben zeigt. 

04.2001

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