Keine Verwaltung, sondern Management!

Prof. Dr. Hanna Risku über den Aufbau eines neuen Departments an der Donau-Universität Krems, die ersten Schritte beim Zusammenführen bisher parallel arbeitender "Inseln" und die Herausforderung, Management und wissenschaftliches Arbeiten unter einen Hut zu bekommen.

Frau Prof. Risku, Sie kamen nach Ihrem Studium in Finnland nach Wien, um hier zu dissertieren. Was passierte dann nach der Universität?

Zu der Zeit hatte ich schon entschieden, dass Wien meine neue Heimat werden sollte. Aber dann gab es einen sehr interessanten Ruf von einer Universität in Schweden, die sich auf Kognitionswissenschaft und auf genau die Felder, die mich besonders interessiert haben, spezialisiert hatte. Ich habe dann das Angebot angenommen und bin 3,5 Jahre zwischen Wien und Schweden gependelt. Danach wurde an der Donau Uni in Krems ein Zentrum für Wissens- und Informationsmanagement gegründet und dafür eine Leitung gesucht.

Das war 1999. Gestartet bin ich dort mit 1,5 MitarbeiterInnen, wobei deren Zahl dann in den folgenden Jahren auf 9 Mitarbeiter gewachsen ist. 2004 habe ich dann zusätzlich die provisorische Leitung der gesamten Abteilung, der nächstgrößeren Einheit, übernommen, wobei schon damals allen bekannt war, dass es durch das neue Universitätsgesetz zu Veränderungen der Strukturen kommen würde. Mit 1.Januar 2006 wurden diese alte Struktur mit den Abteilungen und Zentren aufgelöst und stattdessen wurden neue Departments gegründet.

Departments meint jetzt Abteilungen?

Das Department ist quasi eine Ebene zwischen den bisherigen Ebenen Abteilung und Zentren. Das Zentrum Wissens- und Informationsmanagement beinhaltete 9 Leute, während die gesamte Abteilung 6 Zentren mit 47 Personen umfasste. Das jetzige Department ist eine Zusammenfügung von zwei Zentren mit etwa 20 Personen. D.h. ich stand vor der Herausforderung, zwei nebeneinander existierende Zentren, die beide gut liefen, zu übernehmen und diese beiden "Inseln" zusammenzuführen. Einerseits das Zentrum für Wissens- und Informationsmanagement, das immer schon bei mir angesiedelt war und nun als zweiten und neuen Teil des Departments das internationale Journalismuszentrum. Das bleiben zwar zwei eigenständige Teams, aber unser Ziel ist es, die inhaltliche und organisatorische Arbeit zusammenzuführen.

Was passierte mit dem bisherigen Leiter des übernommenen Zentrums?

Die bisherige Leiterin, Frau Dr. Huber, blieb Leiterin des Zentrums und wurde meine Stellvertreterin als Department-Leiterin.

Was geschah mit den anderen Zentren der früheren Abteilung?

Die wurden thematisch besser profiliert und neu zugeordnet bzw. zu eigenen Departments gruppiert. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen des neuen Universitätsorganisationsgesetzes war klar, dass für die Leitung eines Departments nur jemand mit einer Professur in Frage kommen würde. Dadurch war klar, dass ich entweder als Professorin ernannt werden und dann möglicherweise auch zur Leiterin des Departments gewählt werden würde - was beides passiert ist - oder eben jemand anderer gewählt würde.

Wie wird man überhaupt mit 38 Jahren die erste Professorin für Kognitionswissenschaften in Österreich?

Über viele akademische Stufen, beginnend bei der Dissertation über die Habilitation, viele Publikationen, Unterrichtsleistung, die Bewerbung, Hearings, Gutachten, etc.

Wer vergibt Professuren?

Normalerweise ist das die Entscheidung eines Berufungsgremiums innerhalb des Hauses. In unserem Fall war es ein international besetztes Gremium von Professoren, die vergangenes Jahr die Ausschreibungen gestaltet, vorausgewählt, die Hearings abgehalten und eine Evaluation sowie Gutachten erstellt haben. Der nächste Schritt war dann, das neue Department gemeinsam mit dem Rektorat zu definieren. Darauf waren wir gut vorbereitet, weil wir schon einiges an Vorarbeit geleistet hatten, denn während meiner Zeit als Abteilungsleiterin hatte das Team mit den Zentrumsleitern fleißig Entwicklungskonzepte geschrieben und intensiv überlegt, wo und wie man sinnvoller Weise Synergien zwischen den einzelnen Zentren nützen könnte. Zu der Zeit der Neuorganisation hatten wir entschieden, die gesamte Abteilung räumlich in einem Stock zu konzentrieren und auch wenn jetzt nicht mehr alle Zentren zu derselben Einheit gehören, sind es doch verwandte Departments, bei denen die räumliche Nähe wichtig ist, um intensiv miteinander kommunizieren zu können.

Wer hat entschieden, welches Zentrum zu welchem Department kommt?

Das war eine lange Prozedur, wobei klar war, dass die Gestaltung der neuen Organisationsstruktur eine der wesentlichsten und ersten Aufgaben des neuen Rektorats sein würde. Damals wurden alle Abteilungs- und Zentrumsleiter eingeladen, ihre Einheiten zu präsentieren und da wir durch die intensive Vorbereitung bereits wussten, wie wir uns künftig organisieren wollten, konnten wir das dann auch gemeinsam präsentieren. Das wurde sehr positiv aufgenommen und mit uns gemeinsam die neue Struktur gestaltet.

Wenn eine Gruppe von "Wissensarbeitern" zum Thema Wissensmanagement lehrt, forscht und Projekte macht, worauf kommt es da aus Sicht der Führungskraft an?

Vor allem auf die Personen. Bei uns ist einfach jede Person enorm viel wert. Wir sehen das immer wieder, z.B. wenn eine Person neu dazu kommt. Dadurch ändert sich auch das Team. Denn mit der neuen Person mit ihren Ansichten, Fähigkeiten und Kompetenzen kommen auch neue Chancen ins Team, z.B. eine besondere Verstärkung eines bestimmten Themas, neue ungewohnte Inputs, spannende neue Projekte etc. Vor allem kommt es meiner Ansicht nach darauf an, dass man jeden einzelnen Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin für eine gemeinsame Perspektive begeistern kann. Natürlich ist es auch wichtig, dass man inhaltlich fokussiert ist, dass man es gut kommunizieren kann, dass man gute Produkte hat und diese auch weiter entwickelt, aber das ganze kommt nur dann zustande, wenn man wirklich mit dem gesamten Team eine Perspektive teilt. Jeder muss wissen, wie es weitergehen soll. Der Markt gehört ja nicht uns, es gibt mittlerweile die verschiedensten Anbieter von Masterstudien und es entstehen ständig neue Angebote. Wir müssen uns im Department zu ca. 90% selbst finanzieren. Der größte Teil unserer Einnahmen kommt über die Studiengebühren.

Aber auch in einem Wissenschaftsbetrieb kann ich nicht davon ausgehen, dass sich alle sofort begeistert mit Ihren Zielen und Vorstellungen identifizieren, oder?

Natürlich. Darum haben wir anlässlich der Neuorganisation auch Ende des vergangenen Jahres eine zweitägige Klausur mit allen 20 Personen des Departments gemacht und uns einen guten und vor allem sehr gut vorbereiteten Trainer dazu geholt. Bereits im Vorfeld gab es ein Kommunikationsseminar, wo genau die Leute drinnen saßen, die dann auch tatsächlich miteinander arbeiten würden. In den 2 Tagen Klausur haben wir dann im Team überlegt und entschieden, wie die interne Struktur des Departments ausschauen soll, welche Aufgaben wir gegebenenfalls abgeben und was dafür neu entstehen sollte. Mit dem klaren Ziel, dass jeder seinen eigenen Platz in der neuen Struktur finden sollte. Unter anderem haben wir dort dann Arbeitsgruppen gebildet für die verschiedensten Bereiche wie Außenauftritt des Departments oder interne Qualitätsarbeit. Eine typische Frage war: Welche Richtlinien gab es bisher in den beiden Zentren? Wo machen wir künftig eine einheitliche Regel daraus und wo lassen wir die bisherigen Regeln nebeneinander bestehen?

Im Mai sitzen wir wieder zusammen und machen ein erstes Review. Zudem haben wir anlässlich der Gründung des neuen Departments ein Fest veranstaltet und dazu unsere internen Netzwerke, die Absolventen, die Forschungspartner und die Referenten eingeladen. Abgesehen davon, dass es einfach Spaß gemacht hat, hatte das auch intern eine gute Wirkung.

Was hat Ihnen am Anfang Ihrer Führungstätigkeit schlaflose Nächste bereitet?

Schlaflose Nächte eigentlich nichts. Aber was ich wirklich als Herausforderung ansehe, ist die Frage der richtigen Geschwindigkeit. Bei gewissen Angelegenheiten halte ich es für wichtig, sofort tätig zu werden, d.h. schnell zu entscheiden. Dann sind alle glücklich und erleichtert. Bei anderen Dingen, bei denen man sich vielleicht mit vielen koordinieren und abstimmen muss, ist wieder die Frage, wie sehr man das forcieren soll. Es ist klar, dass das am Leben bleiben soll und nicht vergessen werden darf, aber wie schnell sollen gewisse liebgewordene Routinen gebrochen werden und vor allem, wie kann man das attraktiv machen?

Wie ist die Leitung eines Departments im Vergleich zur Abteilungsleiterposition? Ist es nun entspannter, gibt es weniger Abstimmungsaufwand?

Dadurch dass wir eine neue Einheit sind, ist es im Moment noch mehr Abstimmungsaufwand. Vor der Umstellung war ich die Leiterin von 6 Zentrumsleitern und habe von Zeit zu Zeit nach Rücksprache mit den Zentrumsleitern Gesamtsitzungen abgehalten, wo fast 50 Leute in einem Raum waren, speziell im Veränderungsprozess, denn wenn man das nicht macht, entstehen schnell Gerüchte. Jetzt bin ich eindeutig näher bei den Mitarbeitern dran. Es gibt wöchentliche Teamsitzungen in den beiden Teams und monatliche Sitzungen der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Mein Job ist kein Verwaltungsjob, sondern ein Managementjob. Es macht mir Spaß, mit den Leuten gemeinsam etwas aufzubauen und zu sehen, wie sie mit vielen tollen Ideen kommen. Das einzige Problem derzeit ist, dass die wissenschaftliche Arbeit, speziell das Schreiben von Artikeln, im Augenblick vor allem in der Nacht passiert.

Was heißt für Sie Führung?

Verantwortung tragen, menschliche, soziale, finanzielle, organisatorische. Den Überblick behalten und bestmögliche Rahmenbedingungen für das Team schaffen. Das klingt vielleicht jetzt so, dass die anderen keine Verantwortung hätten, ganz im Gegenteil. Gerade jetzt ist wichtig, dass jeder Einzelne in dem neuen Department Mitverantwortung dafür übernimmt, dass die beschlossenen Veränderungen tatsächlich vollzogen werden. Mit Verantwortung tragen meine ich, den übergeordneten Zusammenhang, das Ziel festlegen zu können, nach Rücksprache mit dem Team, und das Department auch nach außen zu repräsentieren.

War Ihnen der Wechsel von der Fachkraft zur Führungskraft so bewusst?

In Schweden habe ich klar die Fachseite gelebt, Lehre und Forschung, das war keine Managementaufgabe. Dann kam der abrupte Wechsel, denn die sechs Jahre an der Donau-Uni seit 1999waren reines Management, mit eigenen Projekten und nur einem kleinen Teil Lehrbetrieb. Bis zur Professur gab es keine spezifischen Anforderungen, was und wie viel geforscht werden und wie viele Publikationen es geben muss. Es gab natürlich eigene Bestrebungen zu forschen und zu publizieren, aber das war nicht der Schwerpunkt meiner Arbeit, denn der lag eindeutig im Management. Zu sehen, wie Schritt für Schritt Neues entsteht, wie sich die Leute entwickeln, wie neue Themen entstehen, wie sich Projekte entwickeln, das finde ich extrem reizvoll. Jetzt mit der neuen Organisation, mit der neuen Position, habe ich sowohl die bisherige Managementaufgabe, dazu aber noch die akademischen Verpflichtungen. Dazu braucht es natürlich wissenschaftliche Mitarbeiter als Unterstützung in der Forschung.

Wenn es um Personalführung geht, kommen die Soft Facts ins Spiel. Animositäten, Konflikte, Konkurrenzdenken. Wie geht es Ihnen damit?

Ich glaube, ich gehe mit einer gewissen Ruhe und Stabilität an solche Dinge heran. Ich selbst bin sicher kein sehr aufbrausender Mensch. Die Begeisterung für die Ideen ist immer das, was mich dann befähigt, auch schwierige Situationen zu meistern. Das ist das, was mich trägt. Ich bin nicht jemand, bei dem die Mitarbeiter sich jeden Tag fragen, wie es ihr heute geht, sondern ich bin, glaube ich, sehr stabil und berechenbar. Gleichzeitig gebe ich Platz für Gefühle und signalisiere, wenn es Probleme gibt: "lasst uns darüber sprechen und schauen, was es für Möglichkeiten gibt". Und wenn ich den Eindruck habe, dass da jetzt etwas ist, das jetzt unbedingt raus muss, dann versuche ich auch einmal, die Emotionen bewusst hervorzulocken, damit es nicht weiter im Untergrund brodelt.

03.2006

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Prof. Dr. Hanna Risku, Donau-Universität Krems