Coaching – Wer traut sich?

Die Zahl der Führungskräfte, die bei Bedarf Coaching in Anspruch nehmen, steigt zwar von Jahr zu Jahr. Dennoch ist Coaching in vielen Unternehmen – und mehr noch ab einer bestimmten Managementebene – nach wie vor ein Tabuthema. Wieso diese Diskrepanz?

Wer hätte das gedacht. Da saßen acht Top-Manager, allesamt Vorstände eines großen internationalen Konzerns in einer Vorstandsklausur und diskutierten gerade über die Strategie der nächsten Jahre, als es unvermutet aus einem der Männer hervorbrach: "Ich muss Ihnen da etwas mitteilen, auch wenn es mir schwer fällt. Ich - äh- leiste mir jetzt seit einiger Zeit einen Coach. Ja, und ich muss gestehen, ich empfinde diese Gespräche als große Unterstützung." Sogleich war Schweigen im Raum, doch überraschenderweise nur relativ kurz, bis nämlich ein anderer Vorstand entgegnete: "Wissen Sie Herr Kollege, Sie sind da nicht der einzige in der Runde. Jetzt wo Sie das sagen, kann ich es ja auch ruhig zugeben. Ich lasse mich auch coachen."

Wirklich außergewöhnlich wurde diese Vorstandsklausur dann dadurch, dass sich im Laufe des Nachmittags herausstellte, dass von den acht Top-Kräften bereits sieben (!) zumindest einmal einen Coach beschäftigt hatten oder sich immer noch coachen ließen und der achte bereits mit dem Gedanken daran gespielt hatte.

Auch wenn es heutzutage noch alles andere als repräsentativ ist, dass die Mehrheit eines Vorstandes auf Coachingerfahrungen verweisen kann, auszuschließen ist es, wie das obige Beispiel verdeutlich, nicht. Mit Sicherheit jedoch ist dieser Sachverhalt weithin unbekannt. Auch und vor allem, so scheint es, im eigenen Unternehmen. Man(n) redet nicht darüber und je höher in der Hierarchie man(n) sich befindet, desto tabuisierter ist das Thema. Da gibt es also eine Dienstleistung, von der alle Führungskräfte, die sie bereits in Anspruch genommen haben, im privaten Gespräch in den höchsten Tönen schwärmen, zu der aber gleichzeitig nur wenige im Unternehmen in aller Offenheit stehen. Und das sind so gut wie nie die Top-Leute, bei denen sogar in den Personalabteilungen meist nur gerätselt werden kann: Hat sich da schon mal einer coachen lassen oder nicht? Wieso also dies Diskrepanz?

Coaching und die starken Männer

Die erste und einleuchtende Erklärung vieler Manager ist, dass entgegen allen Leitbildern und Führungsgrundsätzen das gelebte und in den Köpfen verankerte Führungsverständnis immer noch lautet: „Eine gute Führungskraft weiss alles und kann alles.“ Und das impliziert: Sie braucht nichts mehr zu lernen! Nach wie vor dominiert in den Unternehmen das Bild des starken Mannes, des allwissenden Führers, der Führungskraft, die als solche geboren wird oder die früher einmal zu führen gelernt hat und es daher nun für alle Zeiten beherrscht. Aus solch einem Führungsverständnis "macht Coaching harte Männer weich", wie es ein Coach so treffend formulierte. Coaching, verstanden als Platzhalter für "Weiterlernen" und "Unterstützung", ist aus solch einer Perspektive natürlich ein klares Zeichen von Schwäche. "Der kriegt es wohl allein nicht auf die Reihe, der hat Hilfe nötig" und daher etwas für "Softies und Warmduscher, Sitzpinkler und Frauenversteher".

Gegen solche Bilder anzutreten, ist alles andere als angenehm. Da ein blöder Grinser, dort eine hochgezogene Augenbraue, und schon bald leidet man an ausgedehnter Paranoia und hat das Gefühl, als Lachnummer gehandelt zu werden. Die Angst, stigmatisiert zu werden, ist durchaus berechtigt. Selbst heute gehört noch eine gehörige Portion Mut dazu, als Führungskraft öffentlich für Coaching einzutreten.

Führung ist eben nicht gleich Führung

Die argumentative Unterstützung für coachinginteressierte Führungskräfte bleibt meistens bei diesem eigenschaftsorientierten Führungsverständnis hängen, beschwört allerdings die vielen Veränderungen und versucht so, das Thema Lernen wieder salonfähig zu machen. Statt "gut ist, wer alles weiß" heißt es jetzt eben "gut ist, wer sich eingestehen kann, dass er nicht mehr alles weiß und bereit ist dazuzulernen".

Außen vor bleibt aber auch bei diesem Bild, dass Führung eben nicht gleich Führung ist – unabhängig davon, wo sich jemand in der Organisation befindet -  sondern dass das Führungsgeschäft eines Gruppenleiters ein anderes ist als das eines Abteilungsleiters und das wieder ein völlig anderes als das eines Vorstandes. Auf jeder Ebene sind sehr unterschiedliche Anforderungen und Aufgaben zu bewältigen. Während etwa ein Gruppenleiter stark personale Aufgaben wahrzunehmen hat und daher Fragen der Mitarbeiterführung, der eigenen Vorbildfunktion etc. dominieren, geht es im Mittelmanagement vorrangig um die schwierige Transmitter-Funktion zwischen den Interessen der Mitarbeiter einerseits und der Organisation andererseits. Hier liegt der Schwerpunkt auf dem ständigen Balancieren von Interessenskonflikten und Widersprüchen. Der Vorstand wiederum schaut mehr als die unteren Managementebenen auf die Gesamtorganisation, auf die Angemessenheit ihrer Strukturen und Prozesse in Relation zu den relevanten Umwelten. Schon daraus wird klar: Was einmal gelernt wurde, kann nicht überall gelten.

Ein Gegengewicht zur Einsamkeit

Je höher die Anforderungen an die Performance der einzelnen Führungskraft werden, umso weniger finden horizontaler kollegialer Austausch und Mentoring statt, umso weniger Gelegenheit haben Führungskräfte für die Reflexion ihrer Tätigkeit. Die strukturelle Einsamkeit, mit der Führungskräfte grundsätzlich konfrontiert sind - Kommunikation nach "oben" wie nach "unten" gehorcht bestimmten Gesetzen und Rollenerwartungen und eignet sich daher nicht für alle Themen - trägt das ihre zu einer sehr spezifischen Belastung bei. Qualitätsverslust in der Führungsarbeit, Kommunikationsdefizite und Burnout drohen als Folgen. Informelle Gespräche und interne Beratung können hier nur bedingt unterstützen. Führungskräften in besonders herausfordernden Situationen sollte daher der Zugang zu professionellem externen Management-Coaching angeboten werden.

Was ist Management-Coaching?

Management-Coaching (in der Folge nur Coaching genannt) ist Manager-Beratung unter vier Augen, wobei es anders als in der Unternehmensberatung dabei nicht primär um Unternehmensziele, strategische Ausrichtungen oder marktrelevante Entscheidungen geht, sondern um eine situative Verbesserung der Arbeitsergebnisse des Coachees (= Klienten) durch Reflexion und Erweiterung seiner Handlungsmöglichkeiten.

Coaching ist eine kontinuierliche, zeitlich begrenzte und partnerschaftlich ablaufende Begleitung und Unterstützung von Einzelpersonen bzw. Gruppen/Teams in der Verbindung von Berufsrolle und Person, zielorientiert und situativ ausgerichtet, wobei der/die zu Coachende für Lernen und Entscheidungen verantwortlich ist. Coaching ist nicht Therapie und nicht Fachberatung, Coaching ist kein Ersatz für Führungsarbeit und auch kein on the job-Training.

Autor: Mag. Peter Wagner

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