"Heute wäre ich nicht mehr integrierbar"

Janet Kath übernahm nach dem raschen Aufstieg bei der Lebensmittelkette Merkur mit 30 Jahren die Leitung der Drogeriemarktkette BIPA, deren Umsätze sie in 5 Jahren verdoppelte. Im Jahr 2000 verließ die Top-Managerin den REWE-Konzern und kaufte ihr eigenes Unternehmen: Interio Österreich. Ihrem Erfolgskonzept blieb sie treu: Neu Positionieren, Investieren, Wachsen.

Frau Kath, was waren Ihre bisherigen Karrierestationen?

Ich habe die Handelsakademie gemacht und bin danach direkt beim Merkur als Einkaufsassistentin eingestiegen. Ich war dann insgesamt 10 Jahre im Einkauf und bin dabei die Karriereleiter vom Einkaufsassistenten bis zum Prokuristen Nonfood hinauf geklettert, wobei ich in den letzten vier Jahren im Einkauf parallel die Marketingabteilung geleitet und dort unter anderem Radio Max und die Frauenzeitschrift Maxima entwickelt habe. Im Jahr 1995 wurde ich dann zur Geschäftsführerin von BIPA ernannt. Im Juni Mai 2000 habe ich mich schließlich mit Interio Österreich selbständig gemacht.

Noch einmal zurück zum ersten Job.

Am Beginn war ich Einkaufsassistentin Naturprodukte. Nach ca. einem Jahr habe ich die Nicht-Möbel-Abteilung übernommen, was schon aufwändiger war, weshalb ich durch eine Assistentin unterstützt wurde. Da haben wir dann die ersten Großimporte in den Bereichen Textilien, Hartware, Spielwaren gemacht.

Die Sortimente gab es schon?

Es gab Grundstrukturen, aber wir haben die Sortimente überarbeitet. Das war genau die Phase, wo sich in Österreich die Großhandelsstrukturen aufgelöst haben und die Händler begannen, selbst zu importieren. D.h. wir haben die Produktgruppen definiert, die zum Lebensmittelmarkt dazupassen und dann weltweit die passenden Partnerschaften mit Lieferanten gesucht. Das war mein Job, ich habe weltweit die Produkte eingekauft.

Wie macht man das konkret?

Das ist unkompliziert. Man setzt sich in den Flieger, fährt auf die wichtigsten Messen und verschafft sich einmal einen Überblick. Am Beginn steht die Frage, welches Sortiment man abdecken will. Nehmen wir z.B. Porzellan. Wir haben geschaut, wo die wichtigsten Produzenten sitzen und schnell gemerkt, dass es noch eine große europäische Industrie gab und zumindest zu der damaligen Zeit die chinesische Industrie noch nicht die nötige Qualität besaß. Zudem musste man damals aus China sehr große Mengen importieren. Im nächsten Schritt haben wir die Sortimente entsprechend den Bedürfnissen zusammengestellt und dafür Porzellan aus Italien, Deutschland und aus China Aktionsware gekauft.

Und die zentrale Fähigkeit in diesem Job ist Verhandlungsgeschick?

Eher Menschengespür und ein Produktgespür, das ist das Allerwichtigste. Verhandeln ist in dem Bereich gar nicht so wichtig, viel wichtiger ist, dass das Produkt stimmt. Denn was nützt es Ihnen, wenn Sie die falsche Ware zu tollen Konditionen eingekauft haben? Ich kann mich gut daran erinnern, dass wir einmal aus einer Konkursmasse Pantoffel gekauft haben, die aber leider auf die englischen Füße hin geschnitten waren. Das war furchtbar, denn die waren bei uns nicht zu verkaufen, weil die Fußleisten nicht gepasst haben.

Wie ging es dann mit der Karriere weiter?

Ich wurde dann zur Ressortleiterin Einkauf ernannt und in weiterer Folge zur Prokuristin Einkauf. Das war aber keine große Abteilung, sondern wir ein kleines Team mit 2-3 Leuten. Erst als ich das Marketing auch übernommen habe, hatte ich dann 4-5 Leute zu führen. Mit Übernahme der Geschäftsführung von BIPA waren es dann schlagartig 2500 MitarbeiterInnen. Das war dann eine komplett neue Herausforderung.

Haben Sie als Teamleiter explizit über Führung nachgedacht?

Ich glaube, Führen ist eine Gabe, man kann es oder man kann es nicht. Die Frage ist, wie geht man an Führen heran, welchen Stil hat man. Meine Überzeugung war immer, vorzuleben, was ich von den Mitarbeitern verlange. Damit meine ich, die Arbeit, die ich erwarte, so lange mit den Mitarbeitern zu besprechen und nach gemeinsamen Lösungen zu suchen, bis das Ergebnis stimmt. Das habe ich immer so gehalten, egal ob beim Merkur, bei BIPA oder jetzt bei Interio.

Haben Sie sich irgendwie auf die Führungsrolle vorbereitet?

Im Billa-Konzern wurde sehr viel in die Ausbildung der Mitarbeiter investiert. Mir wurde ermöglicht, ein Management-Curriculum in St. Gallen zu machen, sechs Blöcke über ein halbes Jahr, bei dem die verschiedensten Dinge abgedeckt wurden. Da ging es um Führung, Unternehmensleitung, Marketing, Beschaffung, eben alle Bereiche. Meine Erfahrung ist, dass es besser ist, im Berufsleben zu stehen und sich parallel weiterzubilden, weil man das Gelernte dann gleich in der Praxis anwenden kann und so einen direkten Nutzen daraus zieht.

War Ihr Aufstieg von Ihnen geplant?

Nein, der Konzern hat stark expandiert und die, die fleißig waren, hatten immer die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Es wurde in dem Sinn nicht viel gefragt, sondern man hat gesehen, was ansteht und dann hieß es: "Wir brauchen Sie hier!" Ich finde, es ist das Schönste, was jungen Leuten passieren kann, wenn sie in einem Unternehmen sind, das expandiert und sie dadurch gefordert werrden.

Wie alt waren Sie, als Sie Prokuristin wurden?

Mit 26 wurde ich Prokuristin bei Merkur, mit 30 Geschäftsführerin bei BIPA. Damals war BIPA in einer Phase, wo der Herr Wlaschek überlegt hat, das Unternehmen zu verkaufen oder zuzusperren, denn ursprünglich entstand BIPA aus jenen Geschäften, die für BILLA zu klein waren, worauf man bestimmte Produktgruppen herausgelöst hat und damit eine Parfümerie gemacht hat. Die Schwierigkeit des Unternehmens war, dass es am Markt keine klare Positionierung gab, dass alle Geschäfte unterschiedliche Größen hatten und dass man, überspitzt gesagt, alles was übergeblieben ist, in das Unternehmen hineingepackt hat. Nachdem Schlecker nach Österreich gekommen war und dm-Drogeriemarkt als Hauptmitbewerber dann auch das Gesundheitsthema besetzt hat, war es notwendig, BIPA neu zu positionieren und die Sortimente zu überarbeiten. Das ist uns ganz gut gelungen, bei meinem Einstieg gab es über 200 Standorte, beim meinem Ausscheiden etwa doppelt so viele.

Das war doch ein enormer Sprung von 4 Mitarbeitern zur Geschäftsführerin eines Unternehmens mit 2500 Mitarbeitern? Wie macht man das?

Jede Person hat Stärken und Schwächen. Meine Stärke ist sicher, dass ich das notwendige neue Profil von BIPA erkannt habe und sofort wusste, was ich machen will. Den Rest habe ich mit Fleiß umgesetzt, indem ich mich z.B. um 03.00 Uhr in der Früh ins Auto gesetzt habe und die Filialen abgefahren bin. Allein dadurch, dass ich präsent war und die Mitarbeiterinnen vor Ort gefragt und mit eingebunden habe - Was ist zu verändern, was ist zu tun? Was würden Sie vorschlagen? – kamen viele Ideen von der Front und ich musste das dann nur umsetzen.

Was waren die ersten Veränderungen, die Sie gesetzt haben?

Zuerst ging es um die Positionierung: Wo will man stehen, welche Sortimentsschwerpunkte setzt man daher? Dann macht man einmal den Grundriss einer neuen Filiale. Wie soll die gestaltet sein? D.h. man macht ein Ladenkonzept, ein Laden-Layout. Ein halbes Jahr später haben wir dann die erste Filiale mit neuem Auftritt präsentiert. BIPA - die junge Parfümerie mit Eigenmarken. Es ist sicher eine Stärke von mir, Marken zu entwickeln und damit bestimmte Positionierungen abzudecken. Etwa "Look by BIPA" für die junge dekorative Kosmetik und "IQ Cosmetics" als hochwertige Kosmetiklinie, die über den normalen Standardsortimenten der Markenartikler liegt. Außerdem haben wir die Duftlaufmeter neu gestaltet, ähnlich einem Shop-in-Shop-Konzept und als wichtige Frequenzbringer die Fotoshops integriert. Als das Basiskonzept der neuen Filialen stand, habe ich dann zusammen mit den Gebietsleitern jede einzelne Filiale durchgeplant. Meistens war die Schwierigkeit die Kassastellung und der Ablauf der Warengruppen, weil man das immer in emotionale und rationale Warengruppen einteilen muss. Wir haben immer sechs Filialen zur gleichen Zeit renoviert, wobei es jedes Mal eine logistische Herausforderung ist, die neue Filiale in 14 Tagen umzusetzen.

Filiale, Gebietsleiter und Verkaufsleiter als die drei Ebenen bei BIPA?

Genauso ist es. Die meisten Filialen hatten 3-5 Mitarbeiterinnen, die kleinen drei und die großen bis zu zehn. Meine Einstellung zu Personalfragen ist, dass immer die direkte Führungskraft ihre eigenen Mitarbeiter suchen muss. Der Filialleiter sein Team, der Gebietsleiter seine Filialleiter, usw. Wenn das nicht passiert, ist immer jemand anderer verantwortlich, wenn es Probleme gibt. Man kann den einen oder anderen in die Entscheidung mit einbinden, aber die Entscheidung muss der treffen, der direkt führt. Das ist eine Grundphilosophie von mir.

Welchen Einfluss hat der BILLA-Konzern genommen?

In dieser Phase ist der Konzern so gewachsen, dass jeder froh war, wenn man selbständig agiert hat. Dadurch hatte man freie Hand, solange die Ergebnisse stimmten. Das war eine schöne Zeit zu führen.

Warum dann der Wechsel in die Selbständigkeit?

Mich hat die Selbstständigkeit gereizt. Ich komme sozusagen aus der Selbständigkeit, meine Eltern haben eine Trafik. Mir war immer wichtig, dass ich einmal selber Unternehmer bin.

Wieso gerade Interio, haben Sie aktiv gesucht?

Nein, gar nicht. Mit BIPA waren wir nach den 5 Jahren die Nummer Eins am Markt im Parfümerie- und Drogeriehandel. Das mit Interio hat sich zufällig ergeben. Noch dazu passiert es nicht alle Tage, dass man auf ein Unternehmen stößt, das eine Größenordnung hat, die man sich leisten kann und wo es um Ware geht, die man selbst gerne mag. Das war einfach Glück. Die Billa-Zentrale ist nahe an der SCS und am Abend, wenn ich nach Hause gefahren bin, bin ich oft noch in einem Restaurant im Multiplex gewesen und habe dann das Auto meistens am Interio-Parkplatz abgestellt. Da ich Stammkunde von Interio war, habe ich gemerkt, dass hier keine Weiterentwicklung stattfindet, was mir sehr leid getan hat. Daher habe ich die Firma eines Tages angeschrieben und gefragt, was denn eigentlich los ist, in welche Richtung es gehen soll? Vierzehn Tage später kam ein Brief zurück, dass sie interessiert wären an einem Gespräch.

Interio wurde vor über 30 Jahren in der Schweiz gegründet, dann von der Globusgruppe übernommen und die wurde dann von der Migros-Gruppe übernommen. Es ist eine Art Franchise, wobei wir aber in Österreich viel an den Markt anpassen müssen. Wir haben durch diese Zusammenarbeit die Möglichkeit, auf alle Partnerschaftslieferanten zuzugreifen und versuchen, so viel wie möglich gemeinsam zu machen, aber es ist notwendig, einen eigenen Einkauf und ein eigenes Marketing zu haben, weil der österreichische Markt ganz anders ist als der Schweizer Markt.

Wie lebt es sich als Unternehmerin im Vergleich zur Geschäftsführerin bei BIPA?

Als Unternehmer habe ich die Gesamtverantwortung, das ist der Unterschied. Ich bin für 250 Mitarbeiter verantwortlich und trage das Unternehmerrisiko. Das ist in Zeiten wie jetzt einfach, aber es gab auch schon Phasen, wo der Markt nicht so einfach war und man durchaus schlaflose Nächte hat. Beim Start hatte ich vier Filialen mit 70 Mitarbeitern. Wir haben dann in kürzester Zeit eine eigene Logistik und ein Zentrallager aufgebaut. Der Grossteil des Interio Sortiments ist eigens für uns entwickelt. Wir mussten die organisatorischen Abläufe erneuern, weil die bis dahin aufs Schweizer Konzept ausgerichtet waren, das aber in Österreich nicht umsetzbar war, da wir hier eine andere Struktur haben. In der Schweiz hat das Möbelhaus eine ganz andere  Bedeutung als in Österreich. Unsere wichtigste Vertriebsform sind die Wohnboutiquen und die Wohngalerien. In der Schweiz ist Interio zudem von der Zielgruppe her anders positioniert. In Österreich ist die demografische Zielgruppe: A, B, C1, also eine sehr hochwertige, während in der Schweiz die breite Masse angesprochen wird. Viele ihrer Produkte aus der Schweiz führen wir daher gar nicht in unserem Sortiment. Dazu kommt: Eine andere Positionierung braucht auch ein anderes Umfeld. Das war in Wirklichkeit die große Herausforderung. Denn in unserer Größenordnung ist es wichtig, dass man eine perfekte Nische hat und weiß, was man anbietet. Das ist bei uns "Design zum besten Preis".

Wenn man ein Unternehmen übernimmt, bekommt man auch die bisherige Mannschaft. Wenn man dann beginnt, das bisherige Konzept zu verändern und umzurühren, wie gut funktioniert das?

Vor allem ist es wichtig, dass man seiner Mannschaft  klar sagt, was man vorhat, warum man das macht und wo man damit hin will. Wir hatten zu Beginn nicht das Problem, dass wir zu viele Leute hatten, sondern zu wenige, denn bis zu dem Zeitpunkt der Übernahme wurde das gesamte Geschäft aus der Schweiz gesteuert. D.h. die gesamte Disposition, der Einkauf wurde aus der Schweiz mitbetreut und das war dann nach der Übernahme von einem Tag auf den anderen weg. Wir mussten das ab der ersten Minute selber machen, und das hieß, am Anfang bin ich hier gesessen und habe selber disponiert. Bei der Übernahme gab es vier Geschäfte, zwei Möbelhäuser und zwei Wohnboutiquen. Heute haben wir 10 Geschäfte, zwei Großhäuser, drei Wohngalerien in Wien, Linz und Salzburg noch ein etwas anders Konzept einer Wohngalerie in Klagenfurt, Graz und noch eine Wohnboutique in der Shopping City Süd (SCS).

Unternehmensziel ist, das was wir verdienen, wieder zu investieren. Nur so kommt ein Unternehmen weiter. Bei unserem Konzept, die Ware selbst zu designen, ist es wichtig, auch eine gewisse Größenordnung, sprich eine gewisse Anzahl von Geschäften zu haben. Design ist ein schnelllebiges Geschäft und da braucht man eine bestimmte Anzahl von Geschäften, um die Ware auch wieder zu verkaufen und neue Artikel aufnehmen zu können.

Wenn man Sie heute beobachten würde, was sind Ihre konkreten Tätigkeiten?

Mein Job als Geschäftsführer ist es, das Unternehmen übergeordnet zu führen und zu schauen, dass wir die Ziele, die wir uns gesteckt haben, bestmöglich erreichen. Und dass ich, wenn ein Thema auftaucht, in die Wege leite, dass das bearbeitet wird oder dass ich es selbst bearbeite. Ich versuche, mich so frei zu spielen, dass ich das auch umsetzen kann. Ob nun im Verkauf, im Marketing oder in der Logistik. Derzeit springe ich gerade für drei Wochen als Filialleiter ein, ohne aber in dieser Zeit in der Zentrale zu fehlen. Mein Tisch hier bleibt trotzdem halbwegs sauber. Das geht dann, wenn jeder seine Verantwortlichkeit trägt und perfekt umsetzt. Da braucht man eigentlich gar kein Regulativ, denn wenn jemand seinen Job wirklich gerne macht und die Verantwortlichkeit wahrnimmt, dann weiß jeder selber, wenn er kommen muss. Und ich bin nur dazu da, auszusteuern.

Wenn Sie jemanden für eine Führungsaufgabe suchen, worauf schauen Sie da?

Das kommt darauf an, auf welcher Position ich suche. Wenn ich einen Filialleiter suche, schaue ich darauf, dass er schon Verkauf gemacht ist und mit den Mitarbeitern umgehen kann. Wenn er im Einkauf ist, ist am wichtigsten, dass er Geschmack hat und gerne einkauft, dass er Waren beschaffen kann und Fremdsprachen spricht. Das ist also immer positionsabhängig.

Wie schaut Ihr Unternehmen in zehn Jahren aus?

Da hoffe ich, dass ich in Österreich die psychologische Marktführerschaft im Möbelhandel weiter ausbaue. Ziel ist, zuerst die perfekte Abdeckung in Österreich und dann ins Ausland.

Könnten Sie sich vorstellen, noch einmal in einem Konzern zu arbeiten?

Nein, ich wäre nicht mehr integrierbar. Als Unternehmer muss man selbst alles abdecken. In Großkonzernen ist es hingegen oft so, dass irgendwo Entscheidungen getroffen werden, die für den, der dann den Job machen soll, schwer zu verstehen sind. Ich wäre da heute einfach zu intolerant. Ich will in dem Job, den ich gerade mache, immer das Beste machen und wenn das aus irgendeinem Grund nicht geht und mir das keiner ordentlich erklären kann, könnte ich heute nicht mehr das Maß an Rücksicht nehmen, das ich früher noch aufgebracht habe. Ich setze 100 % Energie in den Job und möchte dann auch 100 % umsetzen können und wenn man mich bremst, habe ich dafür überhaupt kein Verständnis mehr.

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Janet Kath, Eigentümerin und Geschäftsführerin von Interio Österreich