"Ich wollte Finanzdienstleistung als Markenartikel positionieren"

Mag. Christoph Gelbmann, seit kurzem Chief Marketing Officer Europe and Latinamerica im Skandia-Versicherungskonzern, über seine bisherigen Karriereschritte, die Positionierung einer Finanzdienstleistung als Markenprodukt, das Durchschreiten verschiedener Phasen beim Unternehmensaufbau und die neueste berufliche Herausforderung.

Herr Mag. Gelbmann, wie verlief Ihr Start ins Berufsleben?

Ich habe in Wien Betriebswirtschaft studiert und nach dem Studium als ersten Fulltime-Job die Leitung eines Außendienst-Teams bei der Austria Versicherung übernommen. Nach nicht ganz zwei Jahren bin ich dann als Produktleiter Lebensversicherung zur Nordstern-Versicherung gewechselt. Dort war ich ebenfalls zwei Jahre, dann kam der Wechsel zu den Österreichischen Lotterien, die damals noch Lotto-Toto-Gesellschaft hieß. Fünf Jahre später habe ich dann die Aufgabe übernommen, Skandia Österreich aufzubauen.

Gleich zum Berufsstart bei der Austria Versicherung eine Führungsaufgabe im Vertrieb zu übernehmen, stelle ich mir ziemlich schwierig vor.

Das war es auch. Ich hatte zwar bereits einige Ahnung von der Materie, da mein Vater in einer großen Versicherung tätig gewesen war und ich schon während des Studiums Versicherungen verkauft und zwei Praktika bei der Austria Versicherung absolviert hatte, aber mit der Führung von zehn gestandenen Verkäufern war ich natürlich total überfordert. Trotz meiner Unbedarftheit haben die Mitarbeiter freundlich auf mich reagiert und ihr Schicksal über sich ergehen lassen. Es war ein erfolgreiches und gut funktionierendes Team, das mir mehr unter die Arme gegriffen hat als dass es von mir geführt wurde. Mein Vorgesetzter hat meine Schwächen natürlich erkannt und mir in vielen Gesprächen und mit tatkräftiger Unterstützung sehr geholfen.

Warum sind Sie dann zu Nordstern gewechselt?

Weil ich den Erfahrungsmangel natürlich auch selbst erkannt habe. Die Führungsaufgabe lief nicht so gut wie ich mir das vorgestellt hatte. Also bin ich dann als Produktleiter Leben zur Nordstern-Versicherung gegangen. Das war eine Expertenfunktion, in der ich als Spezialist für die Lebensversicherung zwei Vorständen direkt berichtet habe, dem Lebensversicherungsvorstand und dem Vertriebsvorstand. Beide waren sehr wohlwollende Chefs und die Arbeit hat Spaß gemacht, allerdings habe ich damals auch die Erfahrung gemacht, dass es grundsätzlich keine sehr angenehme Position ist, zwei Chefs zu haben. Zwischen Lebensversicherung und Vertrieb gibt es natürlich immer wieder Ziel- und Interessenskonflikte und die werden - nicht immer bewusst - auch auf dem Rücken eines gemeinsamen Mitarbeiters ausgetragen. Ich war eine Ressource für beide Chefs, die verständlicher Weise auch beide so viel wie möglich nutzen wollten. Alles in allem war die Zeit bei Nordstern gut investiert. – ich konnte viel lernen und mir neues Wissen aneignen.

Nach den zwei Jahren bei Nordstern bin ich dann zur österreichischen Lotto-Toto-Gesellschaft gewechselt, mittlerweile umbenannt in Österreichische Lotterien. Dort wurde ich dann wieder Außendienstleiter, zuständig für einen Teil Österreichs und später auch für Ungarn, wo ich den Vertrieb aufgebaut und geführt habe.

Der Vertrieb erfolgt hier über die Trafiken?

In Österreich hauptsächlich ja, in Ungarn lief es über Bankfilialen, wobei es in Österreich auch die Vertriebsschiene über die Postämter und speziellen Annahmestellen gibt. In Ungarn haben wir haben ein Team von ca. 10 Außendienstmitarbeitern aufgebaut und diese Mitarbeiter haben ihrerseits die Mitarbeiter in den Bankfilialen ausgebildet und betreut.

Warum doch wieder eine Führungsfunktion?

Erstens war ich zu diesem Zeitpunkt schon um einiges erfahrener und gereifter und zweitens war das Unternehmen an sich sehr attraktiv. Ich hatte wieder eine Gruppe mit 10-12 Mitarbeitern und diesmal ging es schon wesentlich besser, weil ich systematischer und planvoller vorgegangen bin. Führen ist eben mehr als bloße Anwesenheit. Es hat viel mit Kommunikation aber auch mit Gestaltung, Planung und Disziplin zu tun. Bei den Lotterien gab es ja bereits einen Vertrieb mit vorhandenen Systemen, auf denen ich aufsetzen konnte. Im diesem Fall bedeutete Vertrieb vor allem die Betreuung, Servicierung und Ausbildung der Mitarbeiter in den Annahmestellen. Das heißt, verkauft wurden die Wetttipps nicht von der Lotto-Toto-Gesellschaft direkt, sondern über die Annahmestellen.

Was hat Sie an dieser Aufgabe besonders gereizt?

Das Geschäft der Lotterien war und ist stark marketinggesteuert, über klassische Werbung und PR. Der Vertrieb ist hier darauf konzentriert, dafür zu sorgen, dass Kunden in ganz Österreich direkten und einfachen Zugang zu einer Annahmestelle haben und dort spielen können. Ein gepflegter Eindruck ist eine wesentliche Voraussetzung für die Vergabe einer Annahmestelle. Die Lotterien legen sehr viel Wert auf einen seriösen Auftritt und so haben die Betreuer in den Annahmestellen auch einiges dafür zu tun. Da steckt viel Arbeit dahinter und es ist alles andere als ein Zufall, dass die von den Lotterien angebotenen Glückspiele kein Schmuddelimage haben, das ihnen leicht anhaften könnte.

Was ich wirklich faszinierend finde, ist, dass die Spiele oberflächlich betrachtet zwar sehr einfach aussehen, aber jedem Spiel eine ganz klare Positionierung zugrunde liegt. Toto beispielsweise ist das Spiel für die Spezialisten, für diejenigen, die "wissen wie es ausgeht". Lotto ist das Spiel, bei dem alles möglich ist. Zahlenfee ist das Spiel für esoterisch Angehauchte und Traumdeuter, Klassenlos ist das Spiel für die Investoren oder Anleger, denn diese Lose kauft man nicht einfach nebenbei. Beim Brieflos geht es um das schnelle Geld, usw. Da gibt es also bei jedem Spiel eine ganz klare Positionierung. Jedes Spiel hat einen eigenen Charakter. Darauf abgestimmt sind die Werbung, die Promotions, die Vorgaben für die Dekoration, die Schulung der Mitarbeiter etc.

Diese Erfahrungen kamen mir dann bei Skandia sehr zugute. Denn meine Idee war immer, Finanzdienstleistungen als Markenartikel zu präsentieren und zu positionieren. Unser Ansatz in Österreich war und ist es, eine Premiummarke zu etablieren. Also agieren wir nicht über Aussagen wie "wir sind so groß, wir sind alt, wir sind seriös", sondern wir haben "das Kinderprodukt" oder "das Ladies-Produkt" und erforschen die Motive, die jeweils dahinter stehen. Dieser Zugang - klare Zielgruppen zu identifizieren und diese dann ganz gezielt mit dem Grundmotiv der Zielgruppe anzusprechen - kommt meiner Idee von Marketing und Positionierung der Produkte im Finanzdienstleistungsbereich schon sehr nahe. Auch die Betreuung unserer Vertriebspartner läuft ähnlich wie bei den Lotterien. Wir haben ein Vertriebsteam von 10 professionellen Betreuern, das nicht selbst verkauft, sondern unsere Vertriebspartner auswählt, ausbildet und serviciert.

Welche Rolle spielen in einer Führungsfunktion Organisationsaufgaben und welche Rolle spielen Personalführungsaufgaben?

Die Kunst des Organisierens besteht darin, mit gewöhnlichen Menschen - zu denen ich mich auch zähle - etwas Besonderes zu machen. Das Planen und Weiterentwickeln der Organisation, des Unternehmens hat mich auch immer ganz besonders interessiert und mir Freude gemacht. Nebenbei hatte ich immer das Glück, weitestgehend problemlose Teams zu haben und mich wenig mit Problemen wie persönlichen Konflikten, unpassendem Verhalten etc. auseinander setzen zu müssen. Aber natürlich gehört es zum täglichen Brot einer Führungskraft, Gespräche mit Mitarbeitern zu führen, bei denen es um Pläne geht, um Zielerfüllung, um Karrierepfade oder um die Zusammenarbeit im Team.

Wie kam es eigentlich zum Engagement bei Skandia?

Nach den 5 Jahren bei den Lotterien fand ich es dann wieder an der Zeit, mich neu zu orientieren und war eigentlich schon im Begriff, die Position eines Landesdirektors in einer österreichischen Versicherungsgesellschaft zu übernehmen, als Skandia mir das Angebot gemacht hat, gemeinsam mit dem schwedischen Projektteam und zwei österreichischen Kollegen vor Ort die Österreich-Niederlassung zu gründen und aufzubauen.

Was gab den Ausschlag, sich für Skandia zu entscheiden?

Bei der Position des Landesdirektors war alles klar und vorgezeichnet, irgendwie unspannend. Da erschien mir die Chance, Skandia in Österreich aufzubauen und zu leiten, deutlich attraktiver. Das war im Jahr 1994.

Wie kann man sich den Aufbau vorstellen. Man sitzt da zu dritt und fängt irgendwo an?

Manchmal ist es gar nicht schlecht, in so einer Situation nicht zu viel nachzudenken, sondern einfach anzufangen. Im ersten Jahr habe ich dann selbst ca. 1000 Vertriebspartner ausgebildet, bin dafür in ganz Österreich herumgefahren, habe dazu das Marketing gemacht und die nötigen Unterlagen erstellt. Wir haben zu dritt und dann gegen Ende des ersten Jahres zu siebt praktisch das ganze Unternehmen abgebildet. Das Einzige, was wir zu Beginn hatten, war die Skandia Datenbank, in der die Kunden- und die Fonddaten auf täglicher Basis geführt werden. Das macht zwar jede Depotbank und ist insofern nichts Besonderes, aber bei Versicherungen und der damit verbundenen Technik ist das alles andere als üblich. Wir waren damit wirklich ein Pionier und einzigartig am Markt.

D.h. Vertriebspartner suchen, auswählen, schulen, Produkt entwickeln, Verkäufer mit Material versorgen, den Tarif zu rechnen und bei den Behörden einzureichen, ...

Genau. Das hat auch die ersten vier bis fünf Jahre sehr gut funktioniert und es sind uns dann sehr bald die ersten Mitbewerber mit ihren Angeboten nachgekommen und so wurde der Markt für fondsgebundene Lebensversicherungen in Österreich entwickelt.

Nach dieser ersten Pionierphase haben wir das Unternehmen dann nach dem Modell von Friedrich Glasl weiterentwickelt. Er teilt die Entwicklung eines Unternehmens in eben vier Phasen: die Pionierphase, wo noch alle alles machen, alle sehr flexibel sind, alle noch alles wissen, eine extreme Kundenorientierung vorherrscht und sich alle um die Gründerperson(en) scharen. Diese Phase dauerte von 1994 bis 1999, dann hatten wir 40.000 Verträge und ca. 5.000 Ausnahmen, d.h. spezielle Kundenvereinbarungen, die die Datenbank nicht standardisiert verwalten konnte. Also verwalteten wir diese Verträge in eigenen Excel-Dateien und irgendwann mussten wir dann 5.000 Verträge nicht selten jeden Monat händisch bearbeiten, weil sie nicht automatisch durch die Datenbank gelaufen sind.

Mit der Zeit braucht es mehr Struktur.

Genau. Daher ging es Ende der 90er-Jahre in die Differenzierungsphase. In dieser Phase lauten die Stichworte Hierarchie, Disziplin, Professionalität, Strukturen. Wir haben das Unternehmen damals sehr bewusst in diese zweite Phase geführt und die Altlasten aufgearbeitet. Ein Merkmal dieser Phase ist eine extreme Innenorientierung und weniger Flexibilität, was natürlich den Vertrieb schwieriger macht. Jede Phase hat so ihre Vor- und Nachteile, aber man kann - so Glasl - keine Phasen überspringen. Am Beginn braucht es den Pionier mit seiner Entschlossenheit und Energie, der Nachteil ist Chaos. In der Differenzierungsphase ist der große Vorteil Ordnung und Systematik, der Nachteil ist die wachsende Bürokratie. Nun gehen die Dinge plötzlich nicht mehr auf Zuruf, sondern es gelten bestimmte Regeln "Wenn du was von mir brauchst, schreib mir ein Anforderungsformular". Das flexible "bitte mach mir das schnell", geht dann nicht mehr.

Nach der Differenzierungsphase geht es in die Integrationsphase. Da befinden wir uns jetzt seit gut einem Jahr. Hier geht es darum, die starre Hierarchie und die Grenzen der Abteilungs-Silos beispielsweise durch hierarchieübergreifende Teams aufzuweichen und wieder das Kundeninteresse in den Mittelpunkt zu stellen. Wenn man in der Differenzierungsphase seine Hausaufgaben gemacht hat, dann kann man nun aus einer gesicherten Abwehr heraus agieren und das Unternehmen weiterentwickeln. Mittlerweile haben wir ausgereifte Systeme, die voll integriert und miteinander vernetzt sind. Das Entscheidende sind aber klar strukturierte und definierte Prozesse.

Haben sich dadurch Ihre Führungsaufgaben geändert?

Ganz stark. Zu Beginn war das gesamte Unternehmen auf meine Person fixiert, was mir letztlich auch als Problem bewusst war. In der Differenzierungsphase habe ich mich dann bewusst immer mehr zurückgezogen, um den anderen Vorständen den Raum zu geben, um sich emanzipieren zu können. Heute bin ich von meinen Aktivitäten her schon mehr in der Rolle eines Aufsichtsrates. Die Gefahr ist: Solange in einem Unternehmen der Gründer noch da ist, schauen immer alle auf diesen Gründer. Dem muss man aktiv entgegenwirken, wenn die Dynamik für weitere Entwicklung nicht gestoppt werden soll.

Wie zieht man sich heraus?

Indem man, ohne die Mitarbeiter vor den Kopf zu stoßen, immer weniger mit- bzw. dreinredet. Am Anfang sind die Leute ständig bei mir aus und ein gegangen und haben mich alle möglichen Dinge gefragt. Irgendwann geht das nicht mehr. Bei uns war bei ca. 40 Mitarbeitern Schluss. Da war es notwendig, die erste Führungsebene einzuziehen. Natürlich denken sich in so einer Situation viele, warum redet er nicht mehr mit uns? Kommt er sich plötzlich so toll vor? Es geht aber darum, den neuen Führungskräften in den Sattel zu helfen und ihnen nicht ständig hineinzuregieren. Sie müssen ihre eigenen Fehler machen und so Kompetenz und Vertrauen der Mitarbeiter gewinnen.

Und wird das auch verstanden?

Wir mussten viele Runden drehen, bis das akzeptiert wurde. Vor allem war es notwendig, die richtigen Führungskräfte finden. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass in den unterschiedlichen Phasen der Unternehmensentwicklung unterschiedliche Anforderungen an Mitarbeiter und Führungskräfte gestellt werden. Gerade Menschen, die gerne aufbauen, empfinden die Differenzierungsphase häufig als Einschränkung, als unnötige Bürokratie. Daher machen nicht alle diese Entwicklung mit und suchen sich lieber wieder ein neues Betätigungsfeld. Die meisten unserer Abteilungsleiter sind nach wie vor im Unternehmen, aber auf Vorstandsebene kam es zum Wechsel. Ich bin gerade der letzte der alten Garde, der das Unternehmen jetzt in Richtung Aufsichtsrat und Zentralfunktion in Europa verlässt. Dann ist kein Vorstand der Gründerphase mehr im Amt.

Woran erkennt man als Führungskraft bei der Mitarbeiterauswahl, wie jemand "gestrickt" ist?

Ich will nicht behaupten, dass ich am Anfang so bewusst darauf geschaut habe. Damals waren das eher Bauchentscheidungen. Mittlerweile sind wir in der Personalsuche und –selektion aber sehr professionell und ich denke erfolgreich unterwegs. Wir wissen z.B. mittlerweile sehr genau, welcher Typ Maklerbetreuer bei uns erfolgreich ist. Bei vielen Teams haben sie zwei oder drei Mitarbeiter, die erstklassig und die „Stars“ sind, und die anderen laufen mit. In unserem Vertriebsteam ist der überwiegende Teil außerordentlich erfolgreich und die anderen sind dabei, es zu werden.

Die Auswahl der richtigen Mitarbeiter, ist eine der wichtigsten, wenn nicht überhaupt die wichtigste Entscheidung im Unternehmen. Entsprechend sorgfältig gehen wir auch an die Sache heran. Wir verwenden bei der Auswahl verschiedene Methoden, u.a. eine einfach anmutende Verhaltensprofil-Analyse. Der Kandidat kreuzt dabei aus 24 Eigenschaftspaaren jeweils das am meisten und das am wenigsten auf ihn zutreffende Wort an. Das Ergebnis ist verblüffend treffsicher und rundet den Eindruck von Bewerbungsgesprächen und Unterlagen der Kandidaten ab. Wir verwenden diese Analyse bei Bedarf auch intern, um beispielsweise interne Jobwechsel zu prüfen bzw. auszulösen. Wer sich bei uns als Führungskraft bewirbt, trifft zumindest drei Manager zu Gesprächen. Der Test ist dabei nicht entscheidend, aber ein wichtiger Puzzle-Teil.

Vor kurzem erfolgte Ihr Wechsel in die Funktion des Chief Marketing Officers für Europa und Lateinamerika. Wie kam es dazu? War es wieder Zeit für eine neue Herausforderung?

Die eine Möglichkeit wäre gewesen, mit dem Job in Pension zu gehen, vielleicht noch eine weitere Tochtergesellschaft zu gründen oder in einen weiteren Aufsichtsrat zu gehen. Im Prinzip  „more of the same”. Gleichzeitig verlässt man einen Job, bei dem alles hervorragend funktioniert, auch nicht leichtfertig und ohne weiteres. Skandia steht international derzeit unter Druck, es gibt einen Übernahmeversuch durch den südafrikanischen Versicherer "Old Mutual" und der "Turboplan" des Konzerns ist eine Antwort des Managements auf diesen Übernahmeversuch. Er soll einen "Stand Alone Case" unterstützen und beweisen, dass es Skandia auch alleine schaffen kann.

Der "Turboplan" ist der Versuch, zu wachsen und die Übernahme dadurch zu verteuern und unattraktiver zu machen?

Genau. Beim Turboplan geht es um bessere internationale Vernetzung und Hebung von Synergien. Wir waren bisher sehr föderalistisch organisiert. Skandia hat in Österreich 115 Mitarbeiter, ist somit immer noch ein kleines Unternehmen, deckt aber alle Bereiche eine Versicherungsunternehmens eigenständig ab. Wir kalkulieren und gestalten unsere eigenen Produkte, wir haben unser eigenes Marketing, unser eigenes Investment-Research und auch einen eigenen Portfolio-Manager. Natürlich kann und soll man in so einer Situation auf die Suche nach Synergien gehen und versuchen, sich besser mit den Schwestergesellschaften, die im wesentlichen das Gleiche machen, zu vernetzen.

Meine Aufgabe ist es nun, Skandia in Europa und Lateinamerika als Premiummarke zu positionieren und in den 11 derzeitigen Ländern das Marketing zu koordinieren. Das Reizvolle daran ist, dass ich bisher mit den anderen Länderchefs auf derselben Seite des Tisches gesessen bin und jetzt eben die Seite gewechselt habe. Ich kenne also die Wünsche und Bedürfnisse, aber auch Sorgen und Befürchtungen eines CEOs und Landeschefs und fühle mich so ganz gut in der Lage, hier sinnvoll gestaltend und bestimmend zu wirken.

Wie überzeugt man die Länderchefs, Teile ihrer Selbständigkeit aufzugeben?

Darin liegt ein wesentlicher Teil der Herausforderung. Selbständigkeit aufzugeben, ist zwar mittel- und  langfristig im Interesse des Konzerns, aber zuallererst bedeutet es Aufgabe von Einflussmöglichkeit und Selbstbestimmung und natürlich auch einen gewissen Machtverlust. Da ist es nur natürlich, wenn es auch etwas Widerstand geben wird. Da mache ich mir nichts vor. In anderen Bereichen wie beispielsweise der IT ist die Zusammenarbeit schon weiter fortgeschritten. Der Marketingbereich ist der letzte, der jetzt in Angriff genommen wird.

Das klingt nach einer Art Stabsfunktion, wo Sie keine direkten Durchgriffsmöglichkeiten haben.

Ja, genauso ist es. Ich habe keine direkte Linie, weder zu den CEOs noch zu den CMOs der Länder. Ich kann nur Überzeugungsarbeit leisten und versuchen, durch Koordination, Konzeptionsarbeit, Initiativen und Hilfestellung zum Erfolg zu kommen. Das ist ungefähr so „aussichtslos“ wie der Markteintritt Skandias in Österreich vor 12 Jahren, als fast alle gegen uns gewettet haben. – Das motiviert mich irgendwie.

12.2005

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Mag. Christoph Gelbmann, CMO, Skandia Europe and Latinamerica