Der flexible Mensch

Richard Sennet

Goldmann; 2000

223 Seiten

Euro 8,30

 

 

 

Über jemanden zu sagen, er sei flexibel und anpassungsfähig, war noch vor nicht allzu langer Zeit alles andere als ein Lob, sondern eher verbunden mit den Vorstellungen  „wie eine Fahne im Wind“, „rückgratlos“,  „ohne festen Charakter“, „Schleimer“. Heute dagegen sind flexible, wandlungsfähige Mitarbeiter allerorten heißest begehrt. Kein Wunder also, daß flexibel und wandlungsfähig nun mit fortschrittlich, offen und dynamisch assoziiert wird.

Richard Sennet beschäftigt sich in seinem Buch aber nicht so sehr mit gesellschaftlichen Wertungen, sondern mit der Frage, was diese Anforderungen des „flexibel sein müssens“ und des „morgen kann schon wieder alles ganz anders sein“ beim einzelnen Individuum und auf Ebene der Gesellschaft für Auswirkungen haben. Dabei schafft er es auf faszinierende Art und Weise, herauszuarbeiten, wie diese Forderung nach dem flexiblen Menschen in Konflikt gerät mit dem tiefen persönlichen Bedürfnis nach Langfristigkeit, Verläßlichkeit und Entwicklung. Wenn man keine Gewißheiten mehr hat und keine tiefen Bindungen, dann entsteht nach Sennet eine Art zielloses Dahintreiben, „drift“ genannt.

Bei seinen Analysen bleibt Sennet nicht im abstrakten Raum, sondern es gelingt ihm immer wieder, seine philosophischen und soziologischen Ideen entlang sehr konkreter und verdichteter Erlebnisberichte zu entwickeln.

Wenn die vor wenigen Jahren noch weit verbreitete Idee, mit 35 oder 40 Jahren schon sehr genau zu wissen, wo man wann in Rente geht und über wieviel Geld man dann verfügen wird, heute bereits als total veraltet wirkt, dann heißt das schlicht: das Leben wir immer weniger berechenbar. Mitunter erkennt man den Nutzen und Wert von Dingen ja erst, wenn man sie zu verlieren droht. Vielleicht gilt das auch für Aspekte wie Verpflichtung, Abhängigkeit, Vertrauen, Sicherheit.

Fazit: eines der zentralen Bücher zum Thema „Neue Arbeitswelt“. Anspruchsvolle, zum Nachdenken anregende Kost.

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