Wollen Sie Legitimation oder Lernen?

Prof. Dr. Ulrike Froschauer vom Institut für Soziologie der Universität Wien über unterschiedliche Evaluierungsansätze und Erfolgsvoraussetzungen.

Wenn ich als Auftraggeber von Changeprojekten Geld investiere, dann will ich natürlich wissen, was das gebracht hat. Warum tut man sich da mit Evaluation scheinbar so schwer?

Die Schwierigkeit ist, dass Changeprojekte immer in Organisationen laufen und Organisationen sind nun einmal soziale Systeme. Und da können Sie nicht wie im Labor im naturwissenschaftlichen Bereich eine Variable isolieren und alle anderen fixieren. Beim klassischen Ansatz der Evaluation – man misst am Beginn, man misst am Ende – haben Sie daher immer ein grundlegendes Messproblem.

Sind die Unternehmen nicht primär an der Wirkung interessiert?

Ja klar, aber Sie können nicht feststellen, ist das die Wirkung von der Intervention A oder B oder von etwas ganz anderem. Sie können möglicherweise eine bestimmte Wirkung feststellen, aber Wirkung unter Anführungszeichen, da Sie nicht wissen, womit sie zusammen hängt. Was machen Sie aber als Manager mit dieser Information? Sie wollen ja eigentlich wissen, was genau diese Wirkung erzielt hat, damit Sie es woanders auch einsetzen und somit generalisieren können.

Wenn es hingegen gar nicht um die Generalisierung geht, sondern um Legitimierung und Rechtfertigung, dann ist es ok. So und so viel Geld ist da hineingeflossen und das hat es gebracht. Hier geht es um Legitimation für investierte Ressourcen.

Wie unterscheidet man  quantitative und qualitative Ansätze?

Der Unterschied zwischen dem quantitativen und qualitativen Ansatz ist nicht, was gemessen wird, ob da Zahlen vorkommen oder nicht, sondern es sind unterschiedliche Paradigmata.  Qualitative Ansätze haben einen starken Prozesscharakter, etwa Feedbackschleifen, das finden Sie beim quantitativen Paradigma nicht. Dort ist ganz klar, ich mache einen Fragebogen, habe bestimmte Hypothesen, die teste ich ab und schaue, was hat es gebracht. Die Ergebnisse gehen dann an den Auftraggeber. Bei den qualitativen Ansätzen haben Sie das Prinzip der Offenheit drinnen. Da werden nicht nur die Auftraggeber, sondern auch die Betroffenen mit einbezogen, seien es die Projektmitarbeiter, die Berater, die, die nicht mitgearbeitet haben, aber von dem Projekt betroffen sind. Ich unterscheide also nicht auf der Methodenebene. Ich kann im qualitativen Paradigma auch quantitative Methoden verwenden, aber die Art wie und wozu ich sie einsetze, ist eine ganz andere.

Wie reagieren die Mitarbeiter auf diese unterschiedlichen Ansätze?

Ich glaube, dass es für die Sache selbst sehr viel mehr bringt, wenn ich eine qualitative Evaluation mache. Wenn ich was im positiven Sinn erreichen und verändern will, dann kann das nur über das Lernpotential gehen und dadurch, dass ich mit den Leuten und nicht gegen sie arbeite. Wir haben auch schon überlegt, es anders zu nennen, denn der Begriff Evaluation ist häufig so negativ belegt, dass allein der Begriff schon Gegenwehr auslöst, weil er so stark mit Kontrolle verbunden ist. Wenn man sagt, man macht eine Analyse, eine Diagnose, dann schaut es schon anders aus. Die Frage ist nur, was ich damit tun will. Will ich Fehler eliminieren oder Personen? Da geht es um eine Haltung, eine Einstellung. Daher halte ich es auch für ganz wichtig, dass alle Beteiligten mit einer Evaluation einverstanden sind.

Was spricht für eine Evaluation von außen?

Ich halte die Selbstevaluation für sehr gut und hilfreich. Die Schwierigkeit, die ich sehe, ist schlicht die Offenheit. Die Leute sind involviert, jeder hat seine Eigeninteressen, die Steuergruppe, die Berater, die Betroffenen. Da sind Leute, die investieren Zeit, wollen Erfolg haben, anerkannt werden, und das ist auch ein möglicher Pferdefuss.

Es gibt die Anfangsdiagnose, die begleitende Evaluierung, dann am Schluss noch einmal eine Diagnose?

Ja, wobei es da ein Problem gibt, das ich noch ansprechen möchte. Sehr häufig sind die Schlussevaluationen sehr knapp. Das kann ich verstehen, aber es ist auch ein Problem. Gerade bei Changeprojekten, wo es um sogenannte eher weiche Faktoren geht wie Führungskultur, das braucht es eine Zeit, bis das greift. Das ist ein langwieriger Prozess, bis sich Handlungsmuster verändern. Wenn dann die Evaluation gleich beim offiziellen Projektschluss passiert, dann kann das nicht mehr als eine Zwischenevaluation sein. Das müsste man eigentlich ein, zwei Jahre später machen. Das wäre methodisch sauber. (02.2003)

Frau Dr. Froschauer, vielen Dank für das Gespräch.

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