Demut im Management?

Mit "Tugenden" wie "Demut" assoziieren Manager häufig eine Schwächung ihrer Position und Persönlichkeit, statt sie als wichtige Erfolgsfaktoren zu begreifen.

Besonders dann, wenn irgendwo auf der Welt Topmanager Veruntreuungen begehen, beschäftigen sich die Medien wieder mit dem Thema Managementethik, Bücher erscheinen zu diesem Thema und die Politiker ereifern sich über die schlimmen Manager. Häufig fällt in diesen Situationen das Wort "Demut".

Manager sollen demütig sein. Ich persönlich finde dieses Thema außerordentlich spannend und einer differenzierteren Betrachtung wert. Zunächst sollten wir feststellen, dass wir in unserem Alltag ständig mit dem Thema Demut konfrontiert sind, allerdings oft in einer wenig erfreulichen Form. Wir erleben nämlich sehr häufig Demütigungen, mal von der einen Seite als Gedemütigter, mal von der anderen Seite als Demütiger. Wir kennen dafür viele Beispiele. Bereits als Kinder werden wir gedemütigt. Oder haben Sie als Eltern wirklich niemals ihr Kind mit "Was machst du denn da schon wieder, ich habe es dir doch schon tausendmal gesagt" in der Öffentlichkeit getadelt? Oder gar Ihren Ehepartner? Verzeihen Sie bitte, wenn ich Ihnen jetzt zu nahe trete, aber Demut hat nun einmal, wie auch alle anderen ethischen und moralischen Themenstellungen, eine sehr private Seite. Und wenn wir uns dieser nicht stellen wollen, bleibt die ganze Diskussion scheinheilig.

Nehmen wir noch einen anderen, praktischen Erlebensbereich: Als Kunde sind wir dem Verkäufer allein durch die Rollenverteilung überlegen. Und wir nutzen das selbstverständlich aus. Wenn das aber dazu führt, dass die Kassiererin im Supermarkt harsch zurechtgewiesen wird, weil sie sich beim Kleingeld verzählt hat, dann erfüllt das den Tatbestand der Demütigung.
In allen solchen Situationen demütigt der Starke den Schwachen. Und das passiert ziemlich oft, wenn man genau hinschaut eigentlich fast täglich. Es treten dabei Verletzungen ein, die nachhaltig prägen. Eine der Auswirkungen ist, dass viele Menschen dem Thema Demut nicht unbefangen begegnen können. Es wird in der Regel vermieden, sich mit Demut auseinander zu setzen. Wenn der Begriff erscheint, etwa als Forderung nach Demut im Management, kann man ein allgemeines Nicken und anschließend einen schnellen Themenwechsel beobachten. Ich finde, dass diese Art des Umgangs – oder Nichtumgangs – mit dem Thema Demut völlig verständlich ist, denn die meisten Menschen assoziieren mit ihm negative Begriffe, wie Erniedrigung, Blamage, Unterwürfigkeit, Unterdrückung, Kriecherei. Das ist in unserem unbewussten Empfinden ziemlich fest verankert. Und da sollen wir plötzlich demütig sein? Und das auch noch freiwillig? Und noch dazu als Manager? Da sträubt sich innerlich aber plötzlich eine ganze Menge, denn schließlich sollen wir doch als Manager stark, erfolgreich und immer obenauf sein. Und schließlich sind wir doch wer!

Demütig oder demütigen?

Weil sich alles in uns – und mit vollem Recht – gegen Demütigung auflehnt, ist es uns aber nur sehr schwer möglich, die positiven Aspekte von Demut zu sehen, zu fühlen und zu leben. Demut drückt sich nämlich auch aus als Respekt gegenüber den Mitmenschen, als Achtung vor der Umwelt, als Fördern der Mitarbeiter. Demut zeigt sich im Zurückstellen eigener Wünsche im Interesse eines Projekts, eines Kunden oder derer, für die man Verantwortung übernommen hat. Demut ist vor allem Bescheidenheit und Angemessenheit der eigenen Erwartungen und Ansprüche. Demut ist also eine innere Haltung, von der ausgehend wir handeln können. In unserem täglichen Erleben, sozusagen im Außen, begegnet uns das Thema Demut jedoch meist als Demütigung.

Es liegt hier also ein klassischer Fall von Übertragung vor: Das negative Erleben von Demütigung wird auf das Thema Demut generell übertragen. Das ist nicht logisch und erst recht nicht begrifflich korrekt, aber bekanntlich wird menschliches Verhalten nun einmal überwiegend vom Unbewussten, von den Emotionen gesteuert und nicht von der Ratio. Das Resultat dieses Mechanismus ist unbefriedigend, denn durch das Verdrängen des Themas Demut – indem wir nicht darüber reden oder es einfach nur oberflächlich berühren – werden seine positiven Aspekte nicht genutzt. Respekt, Fördern und Fürsorge, Zurückstellen eigener Wünsche, Bescheidenheit und Angemessenheit führen nämlich in der Tat zu ganz erstaunlichen, positiven Effekten. Manager, die diese Aspekte aktiv leben, dienen ihrer Sache besonders intensiv. Sie stellen ihre Verantwortung über sich selbst und werden dadurch zu den größten Gewinnern. Es ist paradox, aber Demut ist ein Erfolgsfaktor!

Demut erfordert Mut

Dieses Paradoxon erfüllt sich dadurch, dass Demut übende Manager ihrer Umgebung mehr Raum lassen für Kreativität und Engagement. Ihre Mitarbeiter sind höher motiviert und beißen in schwierigen Zeiten auch mal die Zähne zusammen ohne gleich zu streiken oder davon zu laufen, ihre Unternehmen sind leistungsfähiger und beständiger und sie selbst sind wesentlich zufriedener und glücklich, auch in ihrer Rolle als Manager.
Es gibt einen weiteren Grund, warum Demut als Erfolgsfaktor weitgehend übersehen wird. Das gesellschaftlich determinierte Rollenverständnis für den Managerberuf hält davon ab, den Versuch mit der Demut zu wagen. Von Managern wird Unfehlbarkeit erwartet. Sie werden daran gemessen, dass sie schnell die richtigen Lösungen finden, diese effizient durchsetzen, die Ergebnisse und sich selbst gut verkaufen. Von ihnen persönlich wird der Erfolg erwartet, wenn sie es nicht schaffen, geht der Daumen nach unten. Klar gibt es irgendwo noch das Team. Aber am Ende steht der Manager ganz persönlich für Erfolg oder Misserfolg. So funktioniert das System.

Die Ausbildung und die Bedingungen der Karriereentwicklung von Managern sind darauf ausgerichtet, Individualisten zu formen. Dafür sorgen allein schon die auf persönliche Stärke und Einzelerfolg gerichteten Ausleseverfahren. Dadurch kommt es zu einer starken Ausprägung des Egos als notwendige Voraussetzung für einen erfolgreichen Berufsweg als Manager. Dies alles macht es den Managern schwer, Demut zu üben. Sie assoziieren damit, mindestens unbewusst, eine Schwächung ihrer Persönlichkeit. Aber auch das stimmt bei näherer Betrachtung nicht, auch hier arbeiten unbewusst wirkende Konditionierungen kontraproduktiv. Dazu ein, zugegeben etwas extremes, Beispiel: Ich erinnere mich an eine Fernsehsendung über Roland Berger, in der er vor laufender Kamera seine Sekretärin wegen eines Schreibfehlers in einem Brief zurechtwies. Mir ist bis heute nicht klar, warum das ins Fernsehen musste. Viel Mut hat er für diese Demütigung jedenfalls nicht gebraucht. Umso mehr Hochachtung habe ich für die Sekretärin, die zwar einigermaßen erstarrte, trotzdem aber die Fassung behielt. Das zeigte ihre Stärke. Für mich ging sie aus dieser Situation als die Überlegene heraus.

Demut ist ein Zeichen von Stärke!

Dies allein kann Motivation sein, Demut zu üben. Wer sich aus eigenem Entschluss der Demut als persönlicher Grundhaltung verschreibt, entwickelt dabei Mut, Entschlossenheit, Selbstbeherrschung und Stärke. Das alles sind Eigenschaften, die ein guter Manager braucht. Es ist wirklich so (und im Übrigen auch logisch nachvollziehbar): Es lohnt sich, demütig zu sein! In der Tat sind es jedoch nur wenige Manager, die aus diesen inneren Haltungen heraus handeln, die also Demut aktiv leben. Und das Paradoxe ist, dass sie dabei selbst die größten Gewinner sind. Um einen solchen Schritt zu tun, muss man jedoch aus Konventionen heraustreten und Klischees überwinden.

Autor: Dr. Stefan Fourier ist Mitbegründer der Firma "Humanagement" www.humanagement.de

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Dr. Stefan Fourier, Mitbegründer der Firma Humanagement