"Entweder es zerreißt dich, oder du redest Klartext"

Mag. Michaela Egger, Leiterin Corporate & Internal Affairs bei der Mobilkom Austria, über den Wechsel in die erste Führungsposition, Führen in einem sich rasch verändernden Umfeld und die Wichtigkeit klarer Ansagen.

Waren Sie beim Antritt Ihrer ersten Führungsposition bereits im Unternehmen oder kamen Sie von außen?

Ich war schon im Unternehmen. Ursprünglich angefangen habe ich in der Abteilung "CI CD, Corporate Identity, Corporate Design". Ich war dort unter anderem für jenes Sponsoring verantwortlich, das unter der Unternehmensmarke lief. Zwischendurch im Jahr 2001 bin ich dann ein halbes Jahr ausgeschieden, um mein Studium abzuschließen. Nach meiner Rückkehr Anfang 2002 hatte ich zuerst eine Stabstellenfunktion für PR und Events inne. Aus diesem Job heraus habe ich dann Anfang 2005 die Leitungsfunktion einer Abteilung übernommen.

Das war die erste Führungsposition?

Ja. Bei Übernahme der Abteilung waren es fünf Mitarbeiterinnen, jetzt nach einer  erneuten Umstrukturierung sind wir acht Personen: ein durch den Strukturwandel neu zusammengewürfeltes Team und gleichzeitig eine neue Führungsperson.

Macht es das leichter oder schwerer?

Der Strukturwechsel war insofern gut, weil es so für alle neu war und sich durch die Umstrukturierung für die Mitarbeiterinnen auch neue Möglichkeiten eröffnet haben. Thematisch oder vom Verantwortungsbereich her.

Wie waren die ersten Tage, wie wurde die Neubesetzung kommuniziert und wie verlief das erste Zusammentreffen mit den bisherigen Kollegen?

Was für mich ganz besonders spannend war, war die Situation, dass ich mit bisherigen Kolleginnen zu tun hatte. Ich habe mit allen ein Gespräch geführt darüber, was ihre Befürchtungen sind, ihre Bedenken und was sie sich erwarten. Eine der Ängste war zum Beispiel, dass der Freiraum bei der Arbeit begrenzt wird, indem ich mich jetzt vielleicht mehr einmische als meine Vorgängerin. Am Anfang war es für mich sehr wichtig herauszufinden, welche Befindlichkeiten jeder einzelne hat. Ich hatte den Eindruck, dass von den Mitarbeiterinnen viel Freiraum gefordert wurde, im Sinn von, "das habe ich bisher selbständig gemacht, das will ich auch weiterhin". Den eingeforderten Freiraum habe ich ihnen auch gegeben. Das hat sehr gut geklappt. Die Mitarbeiterinnen haben vieles selbstständig erledigt und wenn sie Fragen hatten und bestimmte Dinge nicht mehr selbständig entscheiden wollten, kamen sie zu mir.

Es ging um die Überlegung: Wie viel Freiraum lasse ich zu?

Ich glaube, dass ich viel Freiraum zulasse. Es gibt sicher mehrere Möglichkeiten in ein neues Team hineinzugehen. Man kann am Anfang die Grenzen sehr eng stecken und dann schrittweise immer weiter aufmachen. Oder man macht gleich weit auf, sagt aber auch klar, was man selbst braucht: Z.B. das Gefühl, gut informiert und eingebunden zu sein und sich darauf verlassen zu können, dass man rechtzeitig informiert wird, wenn es Probleme gibt. Ich habe mich für letzteres entschieden. Was für mich zusätzlich schwierig war: Wenn man aus einer Stabsposition kommt, nimmt man sehr viel Operatives mit. Die Aufgaben der Stabsfunktion wurden quasi in die Abteilung integriert, d.h. sie mussten auch weiterhin erledigt werden und die Leitung der Abteilung war die eigentliche neue Aufgabe. Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis ich einen Weg fand, operative Aufgaben und Führungsaufgaben in ein Gleichgewicht zu bekommen. Was kann ich operativ weiterleisten? Was und wie gebe ich ab?

Es gab keine neue Mitarbeiter, sondern eher weniger Leute als vorher?

Es gab niemanden, der meinen früheren Job übernommen hat. Bei der Umstrukturierung ging es auch darum, dass wir uns besser und effizienter aufstellen. Wenn man sein daily business weiter betreut und noch Führungsaufgaben zusätzlich übernimmt, muss man sehr aufpassen, dass  die  Führungsaufgaben auf der Prioritätenliste nicht ganz hinten landen.

Was war der Reiz an der Führungsposition?

Die Stabstellenfunktion hatte viele Vorteile, keine Frage, aber auch klare Nachteile: Ich war weder Teil eines Teams, noch hatte ich ein Team. Ich habe zwar mit allen Abteilungen zusammengearbeitet, war an sehr vielen unterschiedlichen Projekten beteiligt, habe aber selbst keinem Team angehört. Von daher fand ich es spannend zu sehen, wie es funktioniert, ein eigenes Team zu haben. Zudem konnte ich mir gut verstellen, dass ich die Aufgaben, die da am Tablett lagen, gut übernehmen kann.

Was waren die neuen Aufgaben als Teamleiterin?

Bei mobilkom austria gibt es einen sehr klaren Zielerreichungsprozess, d.h. am Anfang des Jahres werden mit jedem Mitarbeiter Zielvereinbarungsgespräche geführt, während des Jahres gibt es Zwischenfeedbacks und schließlich ein Endgespräch. Dieser Strategie- und Zielvereinbarungsprozess ist eine wesentliche Aufgabe. Dazu kommen zum Beispiel die Entwicklung der Abteilungsstrategie, die Budgetplanung und -verwaltung. Am Beginn war vor allem auch die Erarbeitung eines gemeinsamen Selbstverständnisses unseres neu zusammen gewürfelten Teams eine wichtige Aufgabe. Dabei ging es darum einmal zu klären: Was verstehen wir als unsere Aufgaben, wer sind unsere Auftraggeber, wie sehen sie uns, wie stellen wir uns auf, wer sind unsere Hauptschnittstellen? Usw.

Wie verteilt man in einem neuen Team die Aufgaben so, dass alle halbwegs zufrieden sind?

Vor wenigen Wochen hatten wir einen Workshop, wo wir uns wieder neu aufgestellt haben. Grund waren neue Aufgaben, die die Abteilung übernehmen sollte. Zum einen hat jede Mitarbeiterin ihre Kernkompetenzen, die aus dem gewachsen sind, was sie bisher gemacht hat. Dabei wurde wertvolles Know how gesammelt. Nun hatten wir die Situation, dass plötzlich neue, zusätzliche Aufgaben im Raum standen. Ich habe mir überlegt, wer was übernehmen könnte – ausgehend von Know How, Interessen und Auslastung. Vor dem Workshop habe ich mit allen Mitarbeiterinnen Gespräche geführt im Sinn von "Ich könnte mir gut vorstellen, dass du das und das gut machst. Kannst du dir das auch vorstellen?" Natürlich waren aber auch danach noch einige Aufgabenfelder herrenlos. Am Workshop war es dann ein bisschen wie am Basar oder in einer Tauschbörse. Wir haben alle Aufgaben und Tätigkeiten auf Kärtchen geschrieben, diskutiert, getauscht, neu zugeordnet. Bei vielen Dingen sind wir zu einer Entscheidung gekommen, bei manchen nicht, da liegt dann die Letztentscheidung bei mir.

Wie schauen konkret die ersten Tage als Führungskraft aus?

Zum damaligen Zeitpunkt waren sehr viele Emotionen im Spiel. Und für diese Emotionen braucht man viel Fingerspitzengefühl – eine erste wichtige Diskussion war zum Beispiel die Raumordnung. Ich glaube, dass man gerade so einfache Dinge oft unterschätzt, das habe ich an mir zumindest öfter erlebt. Werden wir als Team auch räumlich näher aneinander rücken? Wer behält seinen Schreibtisch, wer muss/darf wechseln? Das war eine der ersten wesentlichen Fragen, die wir diskutiert haben. In den ersten Tagen habe ich auch alle Einzelgespräche geführt, um die unterschiedlichen Erwartungen abzuklären.

Gab es eine gezielte Vorbereitung, bevor Sie in die Führungsfunktion gewechselt sind?

Ich hatte mit meiner Führungskraft verschiedene Maßnahmen vereinbart. Z.B. hatte ich bei Hernstein ein Seminar besucht, in dem es sehr konkret um diesen Rollenwechsel und um Führung gegangen ist. Begleitend hatte ich ein Coaching. Und dann gab es  - nachdem ich die Position übernommen hatte - im Haus ein neues "New Manager Programm", das speziell für junge Führungskräfte konzipiert wurde. Das war das erste Mal, dass ich mit anderen jungen Führungskräften "organisiert" zusammentraf, was sehr spannend war – vor allem der  Erfahrungsaustausch.

Wo braucht man als junge Führungskraft am dringendsten Input?

Dabei, sein eigenes Selbstverständnis zu finden und – zumindest bei mir war es so -  beim Führen von Konfliktgesprächen. Im vergangenen Jahr habe ich irrsinnig viel gelernt in Hinblick darauf, Konflikte einzugehen, statt zu versuchen, ihnen aus dem Weg zu gehen. Ich bin nach wie vor kein Konfliktliebhaber, aber als Führungskraft ist nun einmal Klarheit gefragt. Da kann ich dem Mitarbeiter nicht über 10 versteckte Botschaften mitteilen, dass mir etwas nicht passt, sondern ich muss das sehr klar kommunizieren.

Klingt gut, aber wie haben Sie das gelernt?

Teilweise aus der Not. Ich habe am Anfang viel Freiraum gegeben und viel über Positivmotivation versucht. D.h. auch wenn etwas nicht ganz gepasst hat, habe ich trotzdem versucht, zuerst einmal das Positive hervorzuheben und dann auf das hinzuweisen, was noch zu verbessern war. Wenn sich dann aber nichts ändert, habe ich selbst ein Problem, denn das muss natürlich kompensiert werden. Was nichts anders bedeutet, als dass es mich irgendwann zerreißt oder aber ich rede Klartext.

Wie formuliert man das dann konkret?

Ich habe begonnen, die Dinge sehr klar beim Namen zu nennen. Dabei achte ich zum Beispiel darauf, dass ich Dinge an sehr konkreten Beispielen festmachen kann. Dass ich also nicht nur beschreibe, was ich will und wie ich mir das vorstelle, sondern es mit Beispielen zeige. So kann man auch Ziele präzisieren. Wenn also zum Beispiel in einem Text etwas nicht passt, geht es darum, ihn herzunehmen – vielleicht auch noch einen früheren gelungenen Vergleichstext - und zu sagen: Schau her, hier fehlt der rote Faden oder da fehlt der Einstieg..... Was auch immer. Geholfen hat mir auch das Feedback von Kollegen, die einen erleben. Ich habe das seltene Glück, dass eine ehemalige Abteilungsleiterin nach der Karenz jetzt in meinem Team ist. Sie weiß, dass ich von ihr auch sehr direkte Rückmeldung erwarte. Von Zeit zu Zeit weist sie mich dann auf Dinge hin.

Eine frühere Abteilungsleiterin als Teammitglied, gibt es da keine Konkurrenz?

Nein, ich habe, bevor ich diesen neuen Job übernommen habe, mit ihr abgeklärt, was das für sie und mich bedeutet. Für sie war es aufgrund der zeitlichen Beanspruchung damals nicht möglich, in den alten Job zurückzukehren. Da sie derzeit andere Prioritäten hat, ist die Situation für sie so in Ordnung. Und ich profitiere ich von ihrem Know How und ihren Erfahrungen als Führungskraft. Diese Klärung mit ihr war mir sehr wichtig – sonst hätte ich ihre Aufgaben nicht zusätzlich übernommen. Ich denke, das es ganz wichtig ist für junge Führungskräfte, sich nicht einfach in ungeklärte Strukturen hineinstoßen zu lassen. Es macht Sinn, sich das vorher so gut wie möglich anzuschauen, die eigenen Ansprüche zu formulieren und möglichst genau die Rahmenbedingungen abzuklären, auf die man sich einlässt. Teilweise übernimmt man ja eine Vorgeschichte und da sollte man sich zumindest einen Überblick verschafft haben um beurteilen zu können, ob man das überhaupt übernehmen kann.

06.2006

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Mag. Michaela Egger, mobilkom austria