Wie lebt man Demokratie am Arbeitsplatz?

Wenn heute von Mitarbeiterbeteiligung und Mitbestimmung am Arbeitsplatz die Rede ist, oder - wie es derzeit moderner ist - von Empowerment und Unternehmertum im Unternehmen, dann sind das Modelle und Ideen, die bei der Firma Opel Hoppmann im deutschen Siegen schon seit mehr als dreißig Jahren existieren. Und zwar weit radikaler umgesetzt als viele Firmen es für heute noch möglich halten würden.

Wer in der deutschen Stadt Siegen in der Eiserfelder Strasse an der Firma Hoppmann vorbeifährt, sieht das Stammhaus eines Opel-Händlers, der sich auf den ersten Blick nicht von vielen anderen Autohäusern unterscheidet. Selbst auf den zweiten Blick beim Betreten des Autohauses fällt kein besonderer Unterschied auf. Modernes Ambiente im Schauraum ebenso wie im Servicebereich, das ja,  sehr freundliche und zuvorkommende Mitarbeiter, das auch, doch sonst ein normales Autohaus. Könnte man zumindest meinen. Denn blickt man unter die Oberfläche, kommt ein Unternehmen zum Vorschein, welches sich von anderen Firmen in vielerlei Hinsicht eklatant unterscheidet.

Stiftung ohne Eigentümer

1936 von Martin Hoppmann gegründet, übernahm 1957 sein Sohn Klaus Hoppmann das Unternehmen und baute den Betrieb erfolgreich aus. Unter dem Eindruck der Mitbestimmungsdiskussion der 60er Jahre und beeinflusst durch die evangelische Sozialethik entwickelte Klaus Hoppmann Gedanken zu einer neuen Betriebsverfassung, führte 1961 eine Gewinnbeteiligung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein und beteiligte, die Idee konsequent weiterführend, schließlich ab 1969 seine Belegschaft mit 50 Prozent am Unternehmensgewinn, vom dem vorab eine 7%ige Eigenkapitalverzinsung abgezogen wird. Im Jahr 1974 setzte er dann den radikalsten Schritt und übertrug alle Geschäftsanteile in eine gemeinnützige Stiftung mit dem Namen „Demokratie im Alltag“. Mit anderen Worten: Er verschenkte sein Unternehmen, den größten Opel-Vertragshändler der Region, „neutralisierte“ damit das Kapital und ging sozusagen einen dritten Weg zwischen Privateigentum und „volkseigenem Betrieb“.

Die Stiftung ist seither Alleingesellschafterin der GmbH, der Stiftungsvorstand nimmt die Aufgaben des Gesellschafters wahr und die Geschäftsführung der GmbH obliegt einem Geschäftsführer, der ausdrücklich nicht Mitglied des Stiftungsvorstandes sein darf. Bei wichtigen Unternehmensentscheidungen sind Stiftungsvorstand und Geschäftsführer aufgrund einer Betriebsvereinbarung auf die Zustimmung des sogenannten „Wirtschaftsausschusses“ angewiesen.

Was heißt Mitarbeiterbeteiligung?

Bereits 1969 etablierte das Unternehmen einen „Wirtschaftsausschuss“, der mit umfassenden Kompetenzen ausgestattet ist und aus jeweils fünf Arbeitgeber- und fünf Arbeitnehmervertretern paritätisch zusammengesetzt ist. Neben dem Geschäftsführer Bruno Kemper, seit 1983 Mitgeschäftsführer und nach dem Ausscheiden von Klaus Hoppmann 1990 Alleingeschäftsführer, gehören diesem obersten Entscheidungs- und Kontrollorgan vier Abteilungsleiter und fünf Betriebsräte an.

Da die MitarbeiterInnen aber nicht nur indirekt über Repräsentanten Einfluss nehmen können sollen, wurde parallel zum Wirtschaftsausschuss ein System von Arbeitsteams eingeführt, das der Belegschaft direkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumt bei allen Entscheidungen, von denen sie am jeweiligen Arbeitsplatz unmittelbar betroffen sind. Welche Effekte hatten diese Reglungen nun auf das Unternehmen?

Die Neutralisierung des Kapitals

Die Neutralisierung des Kapitals durch die Stiftung und die Gewinnregelung (s. Kasten) bewirkt vor allem eines: Sonst übliche Privatentnahmen des Unternehmers werden dadurch unterbunden, das Kapital bleibt im Unternehmen und sorgt für eine beachtliche Eigenkapitaldecke. Kurzfristige Renditeüberlegungen spielen somit keine Rolle, das Management konzentriert sich auf die Umsetzung mittel- und langfristiger Strategien.

Die häufig geäußerte Skepsis, das fehlende Unternehmerinteresse könnte sich in mangelnder Dynamik auswirken und einen Wettbewerbsnachteil gegenüber den privat geführten Konkurrenzunternehmen bedeuten, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil. In den ersten zwanzig Jahren seit der Übertragung in die Stiftung wuchs das Eigenkapital um 800%, der Umsatz um 470% und das Unternehmen spielt eine führende Rolle am regionalen Markt.

Mitreden oder Mitentscheiden?

Während es in anderen Unternehmen eine Frage des jeweiligen Führungsverständnisses an der Spitze ist, inwieweit Mitarbeiter mitreden können, ist das bei der Hoppmann GmbH als explizites Recht in der Satzung verankert. Der entscheidende Unterschied ist, dass damit anders als in anderen Firmen keine Gefahr besteht, dass diese Einbindung bei einem Wechsel an der Spitze von heute auf morgen obsolet sein kann. Zudem macht es einen beträchtlichen Unterschied für das Selbstverständnis und das konkrete Verhalten von Management und Mitarbeitern, ob man als Arbeitnehmer mitreden darf oder ob man das verbriefte Recht hat, mitzureden.

„Natürlich hatten wir zu Beginn“, so der Geschäftsführer Bruno Kemper, „dieselben Probleme wie andere auch, die Mitarbeiter dazu zu motivieren, sich aktiv am Unternehmensgeschehen zu beteiligen. Es gab eine große Skepsis, man sah es eher als „Spielerei vom Chef“ und tat sich schwer mit der neuen ungewohnten Rolle. Es war ein langer, schrittweiser Prozess mit vielen Bewährungsproben. Erst als die Mitarbeiter immer wieder die Erfahrung gemacht haben - in dieser und jener Situation hat uns das wirklich was gebracht,; das wäre sicher anders gelaufen, wenn wir da nicht mitreden hätten können – haben sie es geglaubt.“

Mitreden, so Kemper, heiße aber keineswegs, alles mitzuentscheiden. So obliege dem Geschäftsführer die Leitung des Tagesgeschäftes und bei darüber hinausgehenden Unternehmensentscheidungen das Einbringen von Initiativen in den Wirtschaftsausschuss, in dem diese Initiativen dann beratschlagt und entschieden werden. „Natürlich dauert das mitunter länger als wenn man selbst entscheiden kann. Doch erstens verbessern die vorgebrachten Einwände immer wieder die Entscheidungen und zweitens werden so getroffene Entscheidungen einfach schneller und problemloser umgesetzt.“

Drei Dinge sind aber, so die Erfahrung von Opel Hoppmann, für die Einbeziehung der Mitarbeiter unerlässlich. Zum ersten umfassende Schulungsangebote, wie betriebswirtschaftliche Grundlagen etc., damit das Wissen vorhanden ist, Argumente der Geschäftsleitung verstehen und auch hinterfragen zu können. Dann die nötige Transparenz bei den Unternehmensdaten und Zahlen, sowie umfassende und schnelle Informationen an alle Mitarbeiter. Und selbst dann ist dann ist es unvermeidbar, mit Klagen wie „ich wurde nicht, nicht rechtzeitig, nicht umfassend genug informiert“ zu leben. Drittens die Bereitschaft der Manager, die Hintergründe und Argumente von Vorhaben und Entscheidungen ausführlich zu erklären. Immer und immer wieder. Und dann auch Kritik und Einwände auszuhalten.

Anders als viele Manager befürchten mögen, wird die Mitwirkungsmöglichkeit der Mitarbeiter aber selbst bei Opel-Hoppmann selten exzessiv in Anspruch genommen. Selbst hier machen Führungskräfte mitunter die Erfahrung, dass Mitarbeiter auch mal gerne die Verantwortung zurückdelegieren. Dann heißt es: „Ihr seid doch die Führungskräfte, also führt und entscheidet selbst. Ich will da gar nicht mitreden.“ Allerdings – es hat nie jemand behauptet, dass Demokratie am Arbeitsplatz leicht wäre.

Was passiert mit den Gewinnen?

Wenn die Firma Opel Hoppmann zu Jahresende einen Gewinn ausweist – was seit Übertragung ins Eigentum der Stiftung im Jahr 1974 bisher ständig der Fall war – dann werden zuerst 7% Verzinsung des Eigenkapitals abgezogen. Eines dieser sieben Prozent wird an die Stiftung abgeführt, womit diese die Stiftungsaufgaben (Förderung benachteiligter Kinder sowie Förderung der Demokratie am Arbeitsplatz) finanziert. Der versteuerte Rest verstärkt die Eigenkapitaldecke und wird für nötige Investitionen verwendet.

Der nach Abzug der 7% Kapitalverzinsung  verbleibende Gewinn wird im Verhältnis 50:50 zwischen Unternehmen und Mitarbeitern geteilt. Die Hälfte des Mitarbeitergewinns wird an diese sofort ausgezahlt (seit 1969 in Summe über 10 Mio.€) , die andere Hälfte wird einem ebenfalls mit 7% verzinsten persönlichen Darlehenskonto des Mitarbeiters gutgeschrieben. Die jährliche Verzinsung wieder ebenfalls ausgezahlt (seit 1969 über 3,6 Mio. €) doch über das Darlehen kann der Mitarbeiter nicht verfügen. Es wird ihm erst beim Ausscheiden aus dem Unternehmen in Raten ausbezahlt, was den doppelten Vorteil hat, dass es dadurch kaum oder gar nicht versteuert werden muss und in der Zwischenzeit dem Unternehmen als Darlehen zur Verfügung steht, mit dem es arbeiten kann.

04.2002

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