"Wie bewusst gehe ich mit Veränderungen um?"

Die sich immer schneller ändernden Rahmenbedingungen für Unternehmen und das angemessene Reagieren darauf erfordern die bewusste Gestaltung von Veränderungen. Der Berater Klaus Burghardt entwickelte dafür hilfreiche Reflexionsfragen zu den einzelnen Schlüsselphasen der Veränderungskurve.

Werden diese oftmals tief greifenden Veränderungen nicht bewusst gesteuert, dann überlässt man sie dem Zufall. Das führt dazu, dass die mit der Veränderung angestrebten Ziele mit Sicherheit nicht erreicht werden. Studien in Amerika und Europa zeigen auf, dass 70-75 % aller Change-Projekte scheitern, weil die Steuerung der erfolgsbestimmenden "weichen" Faktoren nicht erfolgt.

Zum Begriff "Veränderung"

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die von Paul Watzlawick getroffene Unterscheidung von Lösungen 1. und 2. Ordnung:

  • Lösungen 1. Ordnung sind Veränderungen "innerhalb eines Systems": Anpassungen, Optimierungen, normale Entwicklungsprozesse, wie z.B. kontinuierliche Verbesserungsprozesse in Unternehmen (KVP) oder Verhaltensänderungen auf der persönlichen Ebene.
  • Lösungen 2. Ordnung sind die "Veränderung des Systems selbst", seiner Grundannahmen, Grundmuster und Grundmodelle wie Identität, Leitbild, mentale Modelle des Wirtschaftens oder Haltungen auf der persönlichen Ebene.

Kennzeichen von Veränderungen 2. Ordnung

Sowohl die Organisation als auch die Manager und Mitarbeiter sind Gegenstand des Change. Diese Selbstthematisierung erfordert neue Qualifikationen (eine wichtige Rolle von PE!) und eine hohe Bereitschaft, sich selbst mit seinen Denkweisen und Verhaltensweisen in Frage zu stellen. Die Grundbotschaft an die Manager als wesentliche Gestalter der Veränderung lautet: "Ihr seid Subjekt und Objekt des Wandels!" Derartige Prozesse verlaufen nach bestimmten Mustern, daher ist Prozesswissen wichtig für die Gestalter des Change. Für die Bewältigung der mit der Veränderung verbundenen emotionalen Prozesse wie Angst, Unsicherheit, Befürchtungen und Trauer ist Raum zu schaffen.

Glaubwürdigkeit der Veränderung

Zentral wichtig für die Glaubwürdigkeit des Change ist die Kommunikation der Sinnfrage. Das meint, dass der "Aufbruch zu neuen Ufern" sowohl nachvollziehbar als auch glaubwürdig sein muss. "Wir gefährden unsere Marktposition und das Überleben der Organisation, wenn wir nicht ..." "Wenn wir dieses oder jenes nicht tun, dann laufen wir Gefahr, dass..." Veränderungen aufgrund von Marktgegebenheiten (Wettbewerbssituation, Veränderung der Anspruchshaltung von Kunden ...) können sehr wohl nachvollziehbar und glaubwürdig begründet werden. Veränderungen aufgrund von Kapitalmarktlogiken (z.B. Shareholder Value) ergeben für diejenigen, die den Change umsetzen sollen, wenig Sinn und fördern eher eine Haltung des Zynismus und begünstigen Veränderungsresistenz.

Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich an Veränderungen 2. Ordnung. Dabei stehen die erfolgsbestimmenden "weichen Faktoren" (Einstellungen + Gefühle) im Mittelpunkt. Auf die technische Handhabung eines derartigen Veränderungsprozesses (Strategie, Kommunikationskonzept, Design und Implementierungskonzept) wird hier nicht eingegangen.

Für den Einzelnen im Unternehmen – Manager wie Mitarbeiter – bedeuten Veränderungen 2. Ordnung immer auch Veränderungen von Einstellungen. Und das sind die größten Herausforderungen! Nicht selten scheitern Menschen daran, dass sie einfach nicht bereit sind, Teile ihres Mindsets verändern zu wollen, sondern eher Anpassungen bevorzugen nach dem Motto "Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass". Veränderungen 2. Ordnung folgen Gesetzmäßigkeiten, die in einem Modell dargestellt werden können.

Die "Veränderungskurve" mit ihren einzelnen Phasen ist das zugrunde gelegte Modell.

Zu den Schlüsselphasen der "Veränderungskurve" werden Fragen zum Reflektieren eines Veränderungsprozesses gestellt, von dem Sie persönlich betroffen sind. Die Fragen sollen sowohl eine Standortbestimmung ermöglichen als auch Hinweise für die nächsten Schritte bieten. Wählen Sie also eine Veränderung aus, mit der Sie momentan konfrontiert sind.

Veränderungsbereitschaft

Zunächst einige Bemerkungen zu den Voraussetzungen, die zur Unterstützung der "Veränderungsbereitschaft" aus Sicht des Unternehmens geschaffen werden sollten. Die von der Veränderung Betroffenen müssen davon überzeugt sein, dass ..

  • Veränderungen notwendig sind und sie in der Lage sind, die gegenwärtige Situation zu verbessern.
  • die ergriffenen Maßnahmen angemessen sind, d.h. dass damit die angestrebten Veränderungsziele erreicht werden können - und zwar möglichst ressourcenschonend.
  • sie als Einzelpersonen mit ihren Interessen, Fragen und auch Bedenken berücksichtigt werden.
  • sie die Fähigkeiten zum Erreichen der Veränderungsziele besitzen, das technische Know-how und die sozialen Fertigkeiten in der Führung, Kommunikation und Zusammenarbeit.
  • das Unternehmen die neuen Haltungen und das daraus resultierende Verhalten unterstützt und verstärkt.

Wo allerdings Interessen gefährdet sind und Angst eine wichtige Rolle spielt, entstehen zwangsläufig Hindernisse im Veränderungsprozess. Vom Umgang damit sollen die nächsten Schritte Auskunft geben.

Phase 1: Vorahnung
Informationen aus den unterschiedlichsten Kanälen verdichten sich und man spürt atmosphärisch, dass "etwas im Gange ist", dass sich etwas Neues, Unbekanntes - vielleicht auch Bedrohliches - ankündigt. Bei Reorganisationen in Unternehmen sind die Mitarbeiter manchmal schneller durch die Presse als durch das Management informiert.

Phase 2: Schock
Es tritt das ein, was man irgendwie geahnt hat oder man ist auch völlig überrascht – unerwartet schlechte Umsatzzahlen, eine "verordnete" strategische Neuausrichtung, die das Überleben sichern soll ... Hier findet nun die persönliche Konfrontation mit einer Situation statt, für deren Bewältigung das persönliche Handlungsrepertoire oftmals nicht ausreicht. Wenn Sie sich Ihr gewähltes Beispiel nun anschauen: Was für Gedanken und Gefühle gehen Ihnen durch Kopf und Bauch? Und wie intensiv sind vor allem die Gefühle? Nehmen Sie sich ein paar Augenblick Zeit zum Nachspüren und zum Notieren.

Phase 3: Widerstand
Widerstand ist eine ganz normale Reaktion auf Veränderungen und umfasst alle Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die aus der inneren Weigerung resultieren, sich mit wichtigen Aspekten der Realität auseinander zu setzen. Er dient somit der Zementierung bestehender Verhältnisse. Widerstände – Verweigerung also - sind in den vielfältigsten Formen anzutreffen.

Ihre emotionalen Ursachen sind immer Befürchtungen oder Angst – auch wenn die Angst sich als Ärger, Zynismus, Gleichgültigkeit oder Überheblichkeit tarnt. Gefühle der Hilflosigkeit und Ohnmacht, von Frustration und Zynismus einerseits und ein Entscheidungs- und Problemstau andererseits sind deutliche Indikatoren für die Phase des Widerstandes.

Formen von Widerständen

Technische Widerstände: "Nicht Können"
Technische Widerstände beziehen sich auf mangelndes Know-how, um die Veränderung konstruktiv bewältigen zu können.

Politische und psychologische Widerstände: "Nicht Wollen"
Veränderungen im Unternehmen wie auch in Beziehungen haben meist ein Verschieben des Machtgefüges zur Folge. Hinzu kommen Ängste und Befürchtungen der Betroffenen über ihre künftige Rolle sowohl im Unternehmen wie auch in der Beziehung zu wichtigen Mitspielern.

Kulturelle Widerstände: "Nicht Verstehen"
Auch wenn die erforderlichen Fähigkeiten zur Bewältigung der Situation vorhanden sind, kann sich ein Unternehmen wie auch der Einzelne gegen den Wandel stellen, weil die Veränderung einen Bruch mit bewährten Vorgehensweisen und Traditionen bedeutet. Die eigene Ethik kann ebenfalls eine Rolle spielen (WIE die Veränderung kommuniziert und gestaltet wird!).

Grundsätze für den Umgang mit Veränderungen

Veränderungen sind immer von Widerstand begleitet. Widerstände gegen Veränderungen sind normal und alltäglich. Treten keine Widerstände auf, kann das ein Anzeichen dafür sein, dass niemand daran glaubt, dass die beabsichtigte Veränderung möglich ist.

Widerstand enthält immer eine "geheime Botschaft". Die Ursachen für Widerstand - unabhängig von den vielfältigen Erscheinungsformen - liegen letztlich im emotionalen Bereich: Bedenken, Befürchtungen, Angst. Diese Botschaften gilt es zu entschlüsseln und mit den Beteiligten darüber zu sprechen. Das Ignorieren von Widerstand führt zu Blockaden. Widerstand zeigt an, dass die Voraussetzungen für ein akzeptiertes Vorgehen nicht oder noch nicht gegeben sind. Es ist sinnvoll, eine Denkpause einzuschalten – nochmals "über die Bücher gehen".

Meine Aufforderung: Mit dem Widerstand gehen! Die emotionale Energie muss ernst genommen werden. Das bedeutet, den Druck wegnehmen, dem Widerstand Raum und Stimme geben, Antennen ausfahren, in den Dialog treten, Ursachen des Widerstandes erforschen und in gemeinsamer Absprache das Vorgehen neu festlegen (auf Commitment hinarbeiten).

Wenn Sie sich nun Ihre Notizen anschauen, stellen Sie sich die folgenden Fragen:

  • Kann ich die Veränderung nicht bewältigen, weil mir das "Handwerkszeug" dafür fehlt?
  • Will ich nicht, weil ich die Konsequenzen, die die Veränderung für mich hat, nicht tragen will?
  • Oder ist sie für mich nicht nachvollziehbar, weil ich sie einfach nicht verstehe?
  • Grundsätzlich: Was sind meine typischen Abwehrhaltungen, wenn ich plötzlich mit Neuem konfrontiert werde?

Bevor Sie sich mit den Fragen auseinander setzen, noch eine Bemerkung: Bei diesen Fragen ist es wichtig, zu sich ganz ehrlich zu sein, denn die Antwort bestimmt das weitere Vorgehen, d.h. mit welchen Maßnahmen der Widerstand überhaupt überwunden werden kann. Es macht einen großen Unterschied, ob ich mir Know-how aneignen ("Nicht Können") oder Einstellungen verändern (hin zu mehr Offenheit und Commitment) oder eine Entscheidung treffen muss, ob ich im Unternehmen oder auch in einer Beziehung verbleiben will oder nicht. Eine klare Entscheidung wird oftmals vermieden. Es wird zu einer Veränderung zwar verbal "Ja" gesagt, aber durch das Verhalten ist klar erkennbar, dass sie nicht wirklich mitgetragen wird.

Phase 4: Nehmen Sie wieder ihre Notizen zur Hand und stellen Sie sich die Fragen:

  • Was ist mir im Hinblick auf die Veränderung noch unklar?
  • Welche Informationen und Argumente brauche ich noch?

Die Notwendigkeit der Veränderung und auch ihre Bedeutung für die eigene Person werden erkannt. Gefühle des Widerstands sind noch vorhanden. Hier besteht nun die Neigung, allein auf Aufklärung durch Information zu setzen und sich nicht mit den Gefühlen und den wirklichen Ursachen des Widerstands auseinander zu setzen. Hinzu kommt, dass vorschnell Maßnahmen ergriffen werden, damit die als unangenehm oder lästig erlebte Situation so schnell wie möglich zu Ende geht. Diese Maßnahmen suggerieren, die Kontrolle über die Situation zu haben. Nur – das ist eine vorübergehende Entlastung. Es kommt zu weiterer Frustration und vor allem zu Schuldzuweisungen, weil durch die Vermeidung der Phase 5 der Veränderungsprozess ins Stocken geraten ist und Stillstand einzutreten droht.

Bedenken Sie Ihr Beispiel mit den folgenden Fragen:

  • Wie sieht es mit meiner emotionalen Offenheit aus? (über das reden, was mich bewegt; auch über meine Ängste reden; oder auch nur einfach Zuversicht ausstrahlen)
  • Was ist mein Beitrag zum Gelingen der Veränderung, mit der ich mich momentan beschäftige?
  • Sage ich rückhaltlos "Ja" zur Veränderung? Hat die Veränderung mein Commitment?

Phase 5: Emotionale Akzeptanz
Eine Person, Menschen mit ihrer Beziehung oder auch ein Unternehmen, die bereit sind, sich dieser Phase zu stellen, haben erkannt, worauf es bei Veränderungen ankommt. Hier findet eine nachhaltige Auseinandersetzung mit den wirklichen Ursachen des Widerstands und den eigenen Gefühlen statt: Frustrationen, Gefühle der Unzulänglichkeit und des Kontrollverlustes ... Die ganze Palette kann (heimlich) durchlaufen werden – Nachdenklichkeit wie auch Trauer sind gute Anzeichen dafür, dass der Abschied vom Alten ernsthaft erwogen wird und für die konstruktive Bewältigung der Veränderung die Tür geöffnet ist. Die eigenen Möglichkeiten, die Situation beeinflussen zu können, geraten zunehmend in den Blick und die Verantwortung für den eigenen Anteil an der Veränderung wird gesehen und schließlich auch übernommen. Anzeichen für diese Phase sind emotionale Offenheit und zunehmende Bereitschaft, sich auf das Neue einzulassen und sich mit ihm zu verbünden (Commitment). Die Meisterung dieser Phase ist der Schlüssel für jede nachhaltige Bewältigung eines Veränderungsprozesses wie auch für die damit angestrebten Verbesserungen. Sei es ein Produktivitätsgewinn, die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit, eine Vertiefung der Qualität in Führung und Zusammenarbeit, etc.

"Konstruktiver Umgang mit Widerstand" bedeutet also: Den Widerstand ernst nehmen, ihn verstehen wollen und im ehrlichen Dialog mit sich selbst wie auch mit anderen Lösungen suchen: Betroffene "an einen Tisch".

  • Momentane Situation offen ansprechen – auch Befindlichkeiten und Gefühle.
  • Offenes Informieren über die Ziele, die Notwendigkeit der Veränderung und die Konsequenzen für jeden.
  • Persönliche Beiträge aller Beteiligten zum Gelingen des Change einfordern und miteinander vereinbaren (Commitment).
  • Verweigerung offen ansprechen: Gründe herausfinden, Hilfe anbieten, mögliche Konsequenzen aufzeigen.

Phase 6: Öffnung, "Rückfall"
Es kommt zunehmend zur emotionalen Öffnung gegenüber den Chancen und Vorteilen der Veränderung, die sich in Neugier und (verhaltener) Begeisterung äußern können. Der Weg ist nun klar und nicht mehr umkehrbar. Rückfälle in alte Denkgewohnheiten und Verhaltensmuster sind üblich und normal und sollten nicht überbewertet werden. Hier kann qualifiziertes Feedback helfen, schnell den "Rückfall" zu überwinden und den Weg wieder zu finden.

Phase 7: Nachhaltige Integration
Die "neuen" Denkgewohnheiten und Verhaltensmuster stabilisieren sich und werden schließlich alltäglich. Das Vertrauen in die eigene Lernfähigkeit und Handlungskompetenz ist wieder hergestellt, die Veränderung ist erfolgreich bewältigt.

Zum Schluss
Die gestellten Fragen dienten einem zweifachen Anliegen: Als Hinweise für Sie zum Erarbeiten eines persönlichen Leitbildes für Veränderungen. Sowie zum Aufmerksam machen auf die Gesetzmäßigkeiten von Veränderungen und WIE man damit umgehen kann. Haben Sie Ihren Standort in der Veränderung bestimmen können und Ideen für den nächsten Schritt in dem gewählten Veränderungsprozess erhalten?

Autor: Dr. Klaus Burghardt, Human Potential Development

...zurück zum Seitenanfang

Teilen:

DI. Klaus Burghardt, Human Potential Development