Wenn Führungskräfte an Burnout leiden

Der Erste-Hilfe-Koffer für Führungskräfte, mit einer Zusammenstellung verschiedenster Ideen und Lösungswege, um Burnout-Tendenzen wirksam zu begegnen.

Sie nehmen erste Burnout-Signale wahr?

Wenn man sich zunehmend müde, leer, kraftlos und sonderbar gereizt fühlt, können das frühe Warnsignale von Burnout sein. Diese Alarmzeichen sollten ernst genommen werden und nicht zu noch größeren Anstrengungen führen ("mehr des selben"). Das bedeutet, sich ernsthaft damit auseinander zusetzen: Was geschieht gerade mit mir? Wie kann ich dem entgegenwirken? Allerdings - ohne wirkliche Einsicht läuft nichts. Das Sprichwort sagt es deutlich: "Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung!“ Ohne Einsicht keine Veränderung. In der Krise eines Burnout liegt daher auch eine große Chance: Oftmals werden wir dadurch aufgerüttelt, die Gestaltung unseres Lebens wieder aktiv in die Hände zu nehmen. So gesehen kann Burnout auch zu einem Neuanfang werden, der dem eigenen Leben eine neue Wendung und bessere Richtung gibt.

Einige Tipps zum Aufwärmen

Gute Vorsätze werden im Alltag sehr schnell wieder vergessen. Hier einige Anregungen als Gedächtnisstütze:

  • Richten Sie feste Zeiten für die ersten Veränderungsschritte ein und halten Sie diese als fixen Termin im Kalender fest: z.B. nach der Arbeit Montags Sport treiben, Dienstags ausruhen, Mittwochs Freunde treffen... (Bevor Sie diese eingetragenen Termine bei der nächstbesten beruflichen Terminanfrage sofort wieder austragen – "Job geht vor" - statt sich und dem anderen klar mitzuteilen, "da habe ich bereits einen Termin", halten Sie kurz inne und fragen Sie sich, wie wichtig Sie sich selbst nehmen!)
  • Erinnerungsnotizen aufhängen: In der Wohnung und am Arbeitsplatz finden Sie sicherlich geeignete Stellen: Badspiegel, Telefon, Bildschirm, Haustür...
  • Suchen Sie sich andere Menschen, die ebenfalls etwas verändern möchten und verpflichten Sie sich zu gegenseitiger Unterstützung. (Wenden Sie sich zuerst an jene Bekannte, deren Standardsatz lautet: "Würde ich gerne, habe aber leider keine Zeit.") Zusammen ist es immer leichter als allein.
  • Veränderungen im Verhalten benötigen ihre Zeit. Gehen Sie in kleinen Schritten vor. Sie können jahrelange, falsche Gewohnheiten nicht in einer Woche verändern. Belohnen Sie sich auch für kleine Erfolge und bedenken Sie: Es gibt keine Rückfälle, nur ein zwischenzeitliches Einrasten alter Verhaltensweisen!
  • Legen Sie einen Zeitraum fest, in dem Sie neue Verhaltensweisen ausprobieren. So können Sie erst einmal spielerisch testen, ob Ihre Ideen für neue Verhaltensweisen auch brauchbar und passend sind. (z.B. "Ich ziehe das jetzt einmal einen Monat durch und schau mir an, wie es mir dabei geht. Dann entscheide ich neu").
  • In akuten Stresssituationen ist es sehr schwer, eingefahrenes Verhalten zu verändern. Warten Sie auf richtige Gelegenheiten, wenn Sie etwas weniger Stress haben und beginnen Sie mit kleinen Schritten.

Mit anderen sprechen – Beobachtungspartner nützen

Wer in einer Burnout-Krise steckt, neigt dazu, sich von Kollegen und Freunden zurückzuziehen. Das ist gefährlich und kann die Krise verstärken. Mit anderen zu sprechen ist "überlebensnotwendig". Der andere Blickwinkel kann dabei helfen, Dinge zu relativieren und im rechten Licht zu sehen.

Suchen Sie sich in der schlimmsten Krise einen Vertrauten, der Sie gut kennt und bereit ist auf Sie  "aufzupassen", um Sie zu warnen, wenn er/sie sieht, dass sich die Anzeichen für drohenden Burnout mehren. Diese "Wächterfunktion" kann für andere unangenehm sein, daher ist es gut, selbst die Initiative zu ergreifen und nachzufragen: Empfindest Du mich als gestresst? Erscheine ich dir ruhelos? Dabei kann es hilfreich sein, eine Liste der Frühwarnsignale zu erstellen.

Engagement und Arbeitstempo zurücknehmen

Engagement über den Arbeitstag hinaus lässt nicht nur das Privatleben verkümmern, auf Dauer nagt es auch an Arbeitskraft, Motivation und Kreativität. Arbeitstempo und Zeitdruck - Hauptfaktoren für Stress in unserer Arbeitswelt - kann man sich zwar kaum entziehen. Dennoch sollte jeder sein persönliches Arbeitstempo auf ein realistisches Ziel hin überprüfen und regulieren. Überengagement sollte heruntergeschraubt werden, um ein gesundes Gleichgewicht zwischen Arbeit und Entspannung herzustellen. Wenn es zu hektisch wird: Halten Sie kurz inne und fragen Sie sich: "Was kann passieren, wenn ich diese oder jene Arbeit ein wenig aufschiebe? Sind die Folgen wirklich so schlimm?" Manche Arbeiten erledigen sich von selbst, indem man sie einmal eine Zeit lang beiseite legt.

Erfolgserlebnisse schaffen

Ein Hauptfaktor von Burnout ist das Gefühl des Getrieben-Seins. Man kommt mit der Arbeit nicht nach, wird erschlagen von den Anforderungen, die der Beruf, die Familie, Umwelt, Aufgabe, etc. an einen stellen. Und häufig übersieht man beim Blick auf die vielen noch unerledigten Dinge, wie viel man schon geschafft hat. Oft hilft es, am Abend eines Tages oder am Ende der Woche nochmals bewusst zurückzublicken und zu sehen, was alles erledigt wurde. Wo man sich über die Dinge freuen kann, die bereits erreicht wurden und wo Erfolge bewusst gemacht werden, verlieren unerledigte Dinge viel von Ihrer bedrohlichen Macht.

Abschied vom Perfektionismus

Wenn man davon überzeugt ist, dass es immer eine perfekte bzw. "noch perfektere" Lösung gibt, kann man sich mit keiner Leistung wirklich zufrieden geben, auch mit keiner wirklich guten. Zeitdruck und Stress entstehen oft, weil auch eher unwichtige Arbeiten mit hundertprozentigem Einsatz und hundertprozentiger Perfektion erledigt werden. Die Kunst ist, sich die Zeit zu nehmen, um Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Um einzuschätzen, ob eine Aufgabe im Vergleich zu den anderen Aufgaben wirklich sehr wichtig ist, stellen Sie sich einfach die folgende Frage: „Was passiert, wenn diese Aufgabe nicht sofort oder nur mit mittlerer Qualität erledigt wird?

Verabschieden Sie sich von unnötigem und gefährlichem Perfektionismus. Was macht es aus, wenn Sie einmal nicht in perfekter Manier an vorderster Front stehen? Wenn Sie ausbrennen, wird Ihnen niemand dafür danken. Und spätestens nach Ihrem Zusammenbruch wird Ihnen schmerzlich bewusst werden, dass die Vorstellung "ohne mich geht hier gar nichts" (weil alle anderen Ihren Ansprüchen nicht genügen und so "unfähig" sind?) ein Trugbild war, das Ihnen und allen anderen unnötige Leiden zugefügt hat.

Den persönlichen Stressfaktoren ins Auge schauen

Machen Sie sich einmal die Mühe, alle Dinge aufzulisten, die Ihnen Energie rauben und Druck verursachen - egal ob es sich um große oder kleine Stressfaktoren handelt. (z.B. das Versäumen des Zuges, der verlorene Schlüssel usw.) Diese konkrete Stressfaktorenliste kann Ihnen helfen, klarer zu sehen, welche Dinge Sie  belasten. Die meisten dieser Dinge können Sie nicht oder nicht sofort ändern, aber es ist unwahrscheinlich befriedigend, ihnen direkt ins Auge zu sehen und zu erkennen, dass man den Stress nicht nur empfindet, sondern er auch konkrete Ursachen hat.

"Dampf ablassen"

Wenn Sie wieder einmal unter Spannung stehen, tun Sie das Naheliegendste: Bewegen Sie sich, um sich körperlich abzureagieren. Stehen Sie auf, gehen Sie kurz im Zimmer auf und ab, boxen Sie in die Luft (falls Sie alleine im Zimmer sind), laufen Sie schnell im Stiegenhaus zwei Stockwerke rauf und runter oder gehen Sie ausnahmsweise einmal zu Fuss nach Hause (oder steigen Sie einige Stationen früher aus), selbst wenn Sie dazu ein bis zwei Stunden unterwegs sein sollten. Es wird sich lohnen: Gehen entspannt den Körper, der Geist wird freier, die neuen ungewohnten Eindrücke auf dem Weg lenken ab und stoppen das Grübeln.

Natürlich kann man auch einfach nur mit der Faust auf den Tisch schlagen oder mit dem Fuß aufstampfen und Sport am Abend betreiben, allerdings bitte, ohne sich noch weiter zu verausgaben. So ein Ventil sorgt für Erleichterung und baut Spannungen ab. Aufgestaute Gefühle kann man abbauen, indem man im Auto laut brüllt oder sich bei Freunden ausweint. Zu beachten gilt nur, mit diesem Dampfablassen keinen neuerlichen Stress zu erzeugen, z.B. einen Ehestreit.

Nein sagen - zu sich und anderen

Wem es schwer fällt, sich und anderen Grenzen zu setzen (am Arbeitsplatz und zu Hause), dem geht irgendwann einmal die Puste aus. Nicht alle Arbeiten müssen sofort oder selbst erledigt, nicht alle Wünsche anderer umgehend erfüllt werden. Für sich selbst zu sorgen bedeutet nicht, egoistisch oder unkollegial zu sein, sondern in kluger Voraussicht zu handeln, um die eigenen Ressourcen nicht zu verschleißen. Ein "falsches Ja", das Sie viel Zeit und Energie kostet, kann auf Dauer mehr schaden, als ein "professionelles Nein".

Besonders gefährlich ist das oft schmeichelhaft erscheinende Angebot, angesichts erfolgreicher Bewältigung der bisherigen Aufgaben "mehr Verantwortung" zu übernehmen; nicht selten der Einstieg in Überlastung und Burnout. Wichtig ist hier, vor einer vorschnellen Zustimmung die dazu erforderlichen Resourcen und Bedingungen abzuklären. Also statt "Ja" möglicherweise "Ja, das übernehme ich gerne. Allerdings müsste ich dazu diese oder jene Aufgabe abgeben, bzw. die Prioritäten neu setzen und jenes Projekt nach hinten reihen. Wären Sie damit einverstanden?" Oder aber: "Nein danke, derzeit möchte ich diese Aufgabe, diesen Job nicht übernehmen, aber in einem halben Jahr / einem Jahr bin ich gerne bereit, diesen Schritt zu machen."

Reflexion über das eigene Anspruchsniveau

Ein hohes  Anspruchsniveau an die eigene Leistung und das eigene Verhalten (möglicherweise gepaart mit Misstrauen in die Leistung anderer) kann erheblichen Stress erzeugen. Je höher der Anspruch, desto höher der Aufwand, den man dafür in Kauf nimmt. Damit nimmt aber auch die Wahrscheinlichkeit ab, das Ziel in der geplanten Zeit mit den geplanten Mitteln zu erreichen. Misserfolge sind vorprogrammiert. Der Teufelskreis nimmt seinen Lauf und man beginnt mit Selbstabwertung und Selbstzweifeln, besonders bezüglich der persönlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten. Um aus diesem Teufelskreis wieder herauszukommen, sollten die Erwartungen, die man an sein Leben stellt, überprüft und bescheidener festgelegt werden.

Definieren Sie die Übung als Experiment: Schrauben Sie Ihre Ansprüche schrittweise herunter, handeln Sie danach und beobachten Sie genau, was passiert. Reduzieren Sie noch ein wenig und beobachten Sie wieder genau. Notieren Sie gedanklich, welche Ängste dabei auftauchen. ("Alle werden das merken", "ich verspiele gerade meinen guten Ruf, etc.). Nehmen Sie sie einfach einmal zur Kenntnis, ohne sie gleich ändern zu wollen. (Wenn man solche Überzeugungen bewusst macht und in Ruhe betrachtet, verlieren sie bereits viel von ihrer Wirkung.)

Üben Sie sich darin, vor allem Gründe bei Misserfolgen nicht automatisch gleich bei sich selbst zu suchen, beenden Sie die Schuldzuschreibung an die eigene Person. Beginnen Sie aktiv damit, andere Gründe für Fehlschläge zu suchen (die konkreten Umstände, die Rahmenbedingungen, die Widerstände anderer, etc.).

Rituale geben Halt

Rituale gibt es in allen Kulturen. Mit Ritualen kann etwas begonnen oder beendet werden (z.B. das morgendliche kurze Treffen in der Kaffeeküche oder der abendliche Spaziergang), auch besondere Ereignisse werden gerne mit Ritualen hervorgehoben – etwa die feierliche Übergabe von Diplomen.

Für die ersten Schritte aus dem Burnout bedeutet das Einrichten von Ritualen, wieder eine angenehme Arbeitskultur zu schaffen, die Sicherheit und Halt gibt und motivierend wirkt. Legen Sie für Ihre neuen Verhaltensweisen ähnlich einem Ritual bestimmte Zeitpunkte und Abläufe fest.

Beispiele für stützende Arbeits-Rituale sind z.B.:

  • Vor Arbeitsbeginn die Erledigungen vom Vortag sichten (feiern)
  • Um 14.00 Uhr eine Tasse Tee trinken.
  • Nach jeder erledigten Aufgabe einen Smily im Kalender vermerken.
  • Kreative Arbeitsphasen mit einem bestimmten Musikstück einleiten.

Visionen geben Orientierung

Wer nicht weiß, wohin er will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er nirgends ankommt. Deshalb ist es wichtig, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Stellen Sie sich bildlich vor, dass Sie mit Ihren Aufgaben bereits fertig sind: Die Präsentation liegt ausgedruckt und sauber geordnet in einer Mappe auf dem Schreibtisch. Sie fühlen sich gut für den morgigen Tag vorbereitet und sind sich sicher, die Geschäftsführung von ihren Ideen überzeugen zu können. Sie können entspannt nach Hause gehen. Auch die Gefühle von Zufriedenheit und Erleichterung, die mit dem Beenden einer Aufgabe verbunden sein können, geben Orientierung, Motivation und Kraft durchzuhalten.

Selbstgespräche machen Mut

Gerade im Burnout tauchen immer wieder Gedanken auf wie "Das schaffe ich nicht", "Das geht sicher schief", "Ich kann nicht mehr, ich fühle mich schrecklich". Solche negativen Selbstgespräche können Sie nur bearbeiten, wenn Sie sie bewusst erkennen. Drehen Sie den Spieß einfach um, notieren Sie solche Gedanken, wenn Sie Ihnen auffallen, formulieren Sie sie um und reden Sie sich dann gut zu:

Statt "Das wird schief gehen..." >  "Probieren kann nicht schaden"
Statt "Ich habe versagt..." > "War ja gar nicht so schlecht wie befürchtet"

Hier geht es um eine Frage der Formulierung - nicht zu verwechseln mit Powersätzen wie "Ich kann fliegen wie ein Adler", der jeden Morgen 10x vor dem Spiegel gebrüllt werden soll. Das wäre eher eine gute Einleitung für das nächste Burnout. Jedoch ist es erwiesenermaßen vernünftiger, an das Positive an der Sache zu denken statt an das Negative und weitaus sinnvoller, sich darauf zu konzentrieren, was man tun will, als darauf, was man auf keinen Fall tun will!

Beispiele für positive Selbstgespräche:

  • Heute habe ich schon mehrere Dinge rasch erledigt.
  • Wegen ein oder zwei Fehlern wird mir niemand den Kopf abreissen.
  • Es ist ausreichend Zeit, den Brief in Ruhe zu entwerfen.
  • Ich habe alles im Griff, läuft doch gut, also bleib ruhig!

Pausen machen und für Entspannung und Ablenkung sorgen

Als Burnout-Gefährdeter muss man seine Arbeitswut gezielt durchbrechen und sich zu Muße und Faulsein überreden. Nur so kann der Erschöpfung entgegengewirkt werden und Körper und Seele können sich regenerieren. Dabei brauchen Betroffene oft Hilfe.

Nützen Sie den Wechsel zwischen zwei verschiedenen Tätigkeiten, um eine kleine Pause zu machen. Man kann beim Zeitung holen eine Runde um den Häuserblock machen und frische Luft schnappen. Bereits eine Minute bewusste Pause zwischen zwei größeren Tätigkeiten kann sehr entspannend wirken und neue Energie geben.

Ausgleich schaffen

Ihr Leben besteht (hoffentlich) nicht nur aus Arbeit. Es gibt auch ein Leben vor dem Tode (alter Sinnspruch). Die Balance zwischen Belastung und Erholung muss langfristig stimmen. Wir können durchaus eine begrenzte Zeit lang an unsere persönlichen Grenzen gehen. Wir sind aber eben nicht grenzenlos belastbar. Kein Spitzensportler absolviert jeden Tag einen Wettkampf, der Körper wäre nach kürzester Zeit überbeansprucht und höchst anfällig für schwere Verletzungen. Top-Athleten bestreiten einen Wettkampf (und selbst die Besten gewinnen nicht immer!), feiern Erfolge, analysieren Misserfolge, ruhen sich aus, trainieren in unterschiedlicher Intensität, bereiten sich auf den nächsten Wettkampf vor usw. Auch Topleister in der Wirtschaft brauchen einen ausgeglichenen Energiehaushalt, sonst ist Burnout vorprogrammiert. Nehmen Sie sich die Zeit und stellen Sie sich eine Liste besonders aktivierender und entspannender energiebringender Tätigkeiten zusammen und schaffen Sie bewusst dafür Freiräume und fixe Termine. Denn in diesem konkreten Fall stimmt der Satz: Wenn Sie es nicht machen, macht es keiner!

Autor: Susanne Schmölz-Walzek, Leaders Circle

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