Prestige ist wichtiger als Geld

Johann Brouwer, Verkaufsleiter der Landesdirektion Wien in der Wiener Städtischen Versicherung, über wichtige Veränderungen und Neuerungen im Vertrieb, den Aufstieg in der Vertriebshierarchie und wichtige nicht-monetäre Motive der Vertriebsleute.

Herr Brouwer, haben sich die Anforderungen an Führungskräfte im Vertrieb in den letzten Jahren verändert?

Ja, ich denke in vielfacher Hinsicht. Organisatorisch versteht sich die Landesdirektion Wien heute als eine Vertriebsorganisation, die auch mit ihrem Innendienst noch näher am Kunden dran ist. Konkret heißt das, dass seit knapp zwei Jahren das Projekt Job Enrichment läuft, durch das auch der Innendienst - unterstützt durch zusätzliche Ausbildung - in Richtung Kunde aktiv wird. Sei es, dass die Innendienstmitarbeiter aktiv Termine vereinbaren, sei es, dass sie selbst telefonische Abschlüsse tätigen. Damit haben wir bereits grandiose Erfolge erzielt. Vor wenigen Jahren gab es teilweise noch leichten Widerstand, aber inzwischen gehört es bereits zum Selbstverständnis der Innendienstmitarbeiter, auf diese Weise noch intensiver zu den guten Vertriebsergebnissen beizutragen.

Ebenfalls geändert haben sich die Karrierewege im Vertrieb, die bei uns heute meist so verlaufen, dass angehende Führungskräfte als Assistenten eines Gebietsleiters aufgenommen und über zwei Jahre begleitend ausgebildet werden. Die neue Führungskraft erlebt in den ersten Monaten die Tagesarbeit eines Beraters und die Erwartungen der Kunden hautnah und wird im zweiten Teil der Ausbildung auch mit den Erfordernissen einer Führungskraft vertraut gemacht. D.h. man hat als Organisator eine Reihe von Fachkompetenzen, aber in dieser Phase keine disziplinären Befugnisse. Eine zusätzliche Veränderung sehe ich auch in der noch deutlicheren Ausprägung in Richtung Vertriebsergebnisse und unternehmerisches Denken.

Das heißt, die Organisation wurde schlanker....

Ja schlanker und auch anders strukturiert. Zum Beispiel haben wir vor einigen Jahren beschlossen, dass es sinnvoller ist, nur einen Verantwortlichen zu haben, weil die Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse zwischen Außendienst- und Innendienstgruppen immer wieder zu lange gedauert haben. Heute hat jeder Gebietsleiter in Wien volle Verantwortung für sein Gebiet – Innendienst und Außendienst. Eine sehr herausfordernde Aufgabe, wobei gerade für die Innenorganisation ein Koordinator die Interessen der Führungskraft unterstützt. Diese Maßnahme hat zu einer wesentlich besseren Vernetzung dieser beiden Gruppen geführt.

Darüber hinaus kam es in den vergangenen Jahren auch zu einer deutlichen Veränderung in der Einstellung und der Haltung. Die wirtschaftliche Betrachtung von Arbeitsprozessen und Kundenbeziehungen wird immer mehr zu einem wesentlichen Thema bei unseren MitarbeiterInnen. Hier ist die Führungskraft besonders gefordert. Reines Umsatzdenken gehört längst schon der Vergangenheit an und nun gilt es Schritt für Schritt diese Sichtweise auch allen Mitarbeitern näher zu bringen.

Sie selbst sind vor einem halben Jahr vom Gebietsleiter zum Verkaufsleiter aufgestiegen. Was hat sich dadurch in Ihren Aufgaben verändert?

Es gibt für mich drei signifikante Unterschiede. Der gute Gebietsleiter hat meistens deswegen Erfolg, weil er es gut versteht, einen authentischen Führungsstil zu pflegen (jeder hat auch seine "persönliche" Note) und und daher sehr effizient die Vorgaben des Unternehmens umzusetzen. Auf der nächsten Stufe gibt es diese Wirkung auf den einzelnen Mitarbeiter nicht mehr, sondern als Verkaufsleiter ist der Gebietsleiter mein nächster Ansprechpartner. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich, dass ein ausreichend großer Handlungsspielraum für den jeweiligen Gebietsleiter sehr wichtig ist, ebenso wie Vertrauen von oben – nur so können individuelle Stärken eingebracht werden.

Der zweite große Unterschied ist die notwendige enge Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem Landesdirektor. Das war für mich insofern eine große Umgewöhnung, weil ich als Gebietsleiter gewohnt war, in meinem Gebiet relativ autonom das zu agieren. Auf der anderen Seite ermöglicht mir das, meine Entscheidung noch zu hinterfragen und vom hohen Wissen meines Vorgesetzten stark zu profitieren. Der dritte Punkt ist der Entscheidungsprozess. Ich muss rascher entscheiden und meinen Gebietsleitern kommunizieren. Ich bin praktisch schon die „letzte Instanz“. Meine MitarbeiterInnen einerseits und mein Landesdirektor andererseits erwarten zu Recht, dass ich (möglichst nur gute) Entscheidungen treffe und dazu stehe.

Inwiefern unterscheidet sich der Vertrieb Ihrer Ansicht nach von anderen Unternehmensbereichen?

Schwer zu sagen. Das Selbstverständnis unseres Vertriebs ist: Der Vorstand gibt die Linie vor und der Vertrieb hat die Aufgabe, das umzusetzen. Natürlich gehört es dazu, rückzumelden, was der Markt tut, aber wir haben im Haus doch eine Kultur, wo es primär darum geht, alles zu tun, um die gesetzten Ziele zu realisieren. Insofern ist es Aufgabe der Vertriebsführungskräfte, darüber nachzudenken, was die Mitarbeiter brauchen, um die gesetzten Ziele umsetzen zu können und dafür zu sorgen, dass das dann auch tatsächlich passiert.

Das riecht nach einem Spannungsverhältnis von Kundenorientierung versus Produkte pushen?

Ja, das ist klarerweise nicht immer ganz einfach. In der Vergangenheit hatten wir im Vertrieb eigentlich ein ausgeprägt aktionistisches Handeln, im Sinne von auf Aktionen gerichtet, und darin sind wir auch immer noch sehr stark. Ich halte das auch für sehr wichtig, denn rasches Umsetzen von neuen Produkten ist ein wesentliches Kernthema der Führungsarbeit im Vertrieb. Wir denken aber auch darüber nach, wie wir unsere MitarbeiterInnen noch effizienter und erfolgreicher machen können. Aus diesem Grund hat die Wiener Städtische auch die Profiberatung zum Thema gemacht. Dabei geht es um die professionelle Beratung des Kunden, mit dem Ziel ein möglichst breites Spektrum der Kundenbedürfnisse zu den Themen Sicherheit, Vorsorge und Zukunft bei uns zu platzieren. Die Umsetzung dieser Strategie soll uns kurz-, mittel- und langfristig helfen, unser hohes Kundenpotential mit der großen Palette unserer Produkte zu versorgen.

Welchen Typ Führungskraft brauchen Sie?

Ich suche charismatische Persönlichkeiten, die sich mit ihren Mitarbeitern auseinandersetzen ohne die eigen Führungsrolle zu verlieren. Der Gebietsleiter muss gut mit seiner "Sandwichrolle" leben können, einerseits die Interessen des Unternehmens aber andererseits auch die Erwartungen seiner Mitarbeiter zu erfüllen. In meiner Landesdirektion bin ich derzeit auf einem guten Entwicklungsstand, das gilt es nun auch bei der Suche von neuen Führungskräften sicherzustellen.

Was motiviert die Leute? Geld allein ist es nicht, oder?

Natürlich spielt Geld eine wichtige Rolle. Nur – wären Verkäufer rein geldgetrieben, bräuchte es keine Führung. Das heißt, monetäre Anreize sind eben nicht ausreichend. Führung im Vertrieb funktioniert sehr viel über Prestige und Anerkennung. Häufig sind soziale Aspekte wichtiger als Geld. Viele Vertriebsmitarbeiter werden durch Ranglisten und durch Belohnungen wie die Teilnahme an bestimmten exklusiven Veranstaltungen extrem angespornt. Andere wiederum geben sich auch damit zufrieden, dass von der Führungskraft Lob kommt. Teil eines erfolgreichen Teams zu sein spornt jedenfalls sehr viele KollegInnen an. Und natürlich ist es auch der sportliche Ehrgeiz, bei den Besten dabei zu sein.

Was brauchen die Gebietsleiter vom Verkaufsleiter, um gut arbeiten zu können?

Als Gebietsleiter habe ich vom Verkaufsleiter das Gefühl gebraucht, dass das, was ich tue, von ihm mitgetragen wird. Das war das Allerwichtigste. Dann durchaus auch, dass er Anerkennung zeigt, Vertrauen hat und mir die Zeit gibt, das umzusetzen, was ich mir vorgenommen habe. Und dass er bei Entscheidungsprozessen, die mir wichtig sind, schnell reagiert. Schnell zu entscheiden, war eine große Stärke meines Vorgängers. Damit hat er mir nicht immer Freude gemacht, aber die Entscheidungen waren immer nachvollziehbar, er hat sie gleich kommuniziert und man konnte sich darauf einstellen. Für wichtig halte ich auch den Erfahrungsaustausch und Feedback in überschaubaren Zeitabständen.

Was waren Ihre ersten Aktivitäten, als Sie Verkaufsleiter wurden?

Kurz nach dem Einstieg in meine neue Tätigkeit war die Einführung eines neuen Produktes wichtigstes Thema. Ich habe sehr viel in die Vorbereitung investiert und ein klares Ziel gehabt, nämlich die vergleichbaren Ergebnisse der Vergangenheit entscheidend zu übertreffen um damit deutlich nach außen zu signalisieren, dass ich im Job angekommen bin. Das ist mir auch gut gelungen und was mich besonders gefreut hat, war hier auch die Einstellung der Gebietsleiter und des Landesdirektors, die mir sehr viel Energie für meine Aufgabe gegeben haben.

06.2006

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Johann Brouwer, Verkaufsleiter der Wiener Städtischen Versicherung, Landesdirektion Wien