Nachfolge in der Druckerei Bösmüller

Frau Ing. Doris Wallner, Geschäftsführerin der Druckerei Bösmüller über den Annäherungsprozess ans Familienunternehmen und ihren Weg, in die eigene Kraft zu gelangen.

Seit wann gibt es dieses Familienunternehmen?

Die Druckerei Bösmüller wurde von meinen Eltern, Franz und Hilda Bösmüller, gegründet. Mein Vater, gelernter Drucker, verspürte schon früh den Wunsch sich selbständig zu machen und nutzte die Chance, 1978 ein Einmannunternehmen im 2. Bezirk zu übernehmen. Mit hohem persönlichen Einsatz, Visionen und Leidenschaft wuchs die Druckerei Bösmüller kontinuierlich. Irgendwann wurde es am ursprünglichen Standort zu eng, daher haben wir 1994 in Stockerau Grund gekauft, neu gebaut und 1995 die Druckproduktion dorthin verlegt. Und es ging erfolgreich weiter: Nach zwei weiteren Bauabschnitt übersiedelte auch die gesamte Druckvorstufe nach Stockerau. Im Stadtbüro Wien, dem Print Competence Center, blieb das organisatorische Herz, das Geschäftsleitung, Finanz, Marketing, Verkauf und Administration angesiedelt. Mit heutigem Stand sind wir 74 Mitarbeiter.

Wann kamen Sie selbst ins Unternehmen?

1990 habe ich die graphische HTL abgeschlossen, Matura mit Berufsausbildung. Nach kurzer Überlegung ob Job oder Studium habe ich mich dafür entschieden, gleich mit der Praxis zu starten und begonnen, in einem renommierten Druckvorstufenbetrieb, dem Atelier Laut, zu arbeiten. Meine Aufgabenbereiche umfassten Kundenbetreuung, Arbeitsvorbereitung und die Betreuung einiger Großprojekte. Das Atelier Laut war damals eines der innovativsten und technisch modernst ausgestatteten Unternehmen der Branche und für mich genau richtig, um vielfältigste Erfahrungen zu sammeln. Auch waren wir damals an einigen sehr interessanten Projekten, wie z.B. dem Aufbau des Magazins "News" beteiligt, diese Zeit war für mich was Innovation und Spirit angeht sehr prägend.

1994 wechselte ich in die Druckerei Bösmüller, um die Abteilung Druckvorstufe zu übernehmen. Mein technisches Wissen in Verbindung mit dem Einstieg in ein gut funktionierendes Unternehmen, in einer wirtschaftlich guten Zeit, machten mir meine erste Führungsrolle nicht schwer. Schon damals war mein Hunger nach Wissen und Bildung sehr stark ausgeprägt und so begann ich neben dem Beruf den Universitätslehrgang für Unternehmernachwuchs in Hernstein. Während meiner Arbeit an einem Geschäftsplan mit Ist-Analyse gab ich die Leitung der Druckvorstufe ab. Die umfangreichen Strategien und Überlegungen über die langfristigen Ziele und Strategien unseres Unternehmens entstanden in einem engen und intensiven Arbeitsprozess zusammen mit meinen Eltern. Die Synergien waren klar. Mein Vater, der Visionär und Querdenker, meine Mutter, die Finanz- und Konzeptionskompetenz und ich als nächste Generation, die mit hineinwachsen durfte und in die viel Hoffnung gelegt wurde. Alles vorprogrammiert. Bösmüller war weiterhin erfolgreich und es gelang, alle vier Jahre den  Umsatz zu verdoppeln. Zusätzlich wurde kräftig investiert und reintestiert und die Firma wuchs weiter.

Wie ging es weiter, nachdem Sie die Leitung der Abteilung abgegeben und sich mehr auf strategische Fragen konzentriert haben?

Mit der Geburt meiner ersten Tochter Valerie, stellte sich mir massiv die Sinnfrage. Und nach der Geburt meiner zweiten Tochter Viola war es für mich extrem wichtig, mich mit mir und meinen Fragen auseinander zu setzen. "Wie geht es weiter? Wo ist mein Platz? Was will ich wirklich? Ist das elterliche Unternehmen meine Zukunft?" Ich nutzte die Zeit für die Aus- und Weiterbildung in den Bereichen Coaching, Moderation, Psychologie und einer intensiven Selbstreflexion.

Also eine Art alternative Berufsausbildung?

Genau. Dieses Wissen war mir bei meinem Wiedereinstieg in die Druckerei 2003 zusätzliches Rüstzeug und Innovation für unser Unternehmen, die auch maßgeblich in die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter einfloss. Dennoch traf ich 2005 die Entscheidung, aus der Firma auszusteigen. Ich wollte selbst etwas schaffen. Das war ein intensiver Prozess und eine Entscheidung, die sowohl für mich als auch für meine Eltern viel bewegt hat. 2005 gründete ich meine Ausbildungsakademie, "Saphiris", die sich auf  Trainings, Coachings und Aufstellungsarbeit konzentriert. Der Erfolg stellte sich auch hier ein und neben interessanten Kunden aus der Wirtschaft übernahmen wir 2006 auch die Organisationsentwicklung von Bösmüller. Wir haben ein entsprechendes Ausbildungskonzept erarbeitet und die Firma zwei Jahre lang extern begleitet – Fokus am Aufbau und der Stärkung der Führungsstruktur und der Schlüsselkräfte. Die Herausforderung für mich persönlich bestand darin, ein Unternehmen extern zu betreuen, mit deren Internas ich ja eigentlich vertraut war - interessant und lehrreich.

Als Sie 2005 das Unternehmen verlassen haben, musste Ihr Vater doch annehmen, dass Sie als Nachfolgerin ausfallen und er das Unternehmen irgendwann verkaufen wird. War das nicht schwierig und belastend?

Ja, das war für uns alle nicht einfach. Für meinen Vater ist damals ein Lebenstraum zerbrochen. Aber meine Eltern haben meine Entscheidung respektiert. Mein Vater hat damals gesagt: "Werde bester Coach und Trainer, aber mache Meines nicht halbherzig. Ich habe einst zwischen Koch und Drucker wählen können und mich aus voller Überzeugung für Drucker entschieden. Das war mein Lebenstraum. Die Firma verkaufen kann ich immer noch. Also mach Meines nur, wenn du es auch aus ganzem Herzen machst." Leicht ist es ihm nicht gefallen, aber erst das Loslassen, das mich gehen lassen, hat mir es mir ermöglicht, aus vollem Herzen wieder zu kommen. Mit einem ganz anderen Bewusstsein, in einer anderen Qualität und mit völlig anderer Kompetenz.

Wieso sind Sie dann wieder ins Unternehmen zurückgekehrt? Ihr Ausstieg klang doch nach einer eher endgültigen Entscheidung gegen das Familienunternehmen.

2003 wurde statt meiner Mutter ein Controller, ein Finanzer, eingestellt, der sie ablösen sollte, ai se in Pesion gehen konnte, was ihr rückblickend nur stundenweise gelungen ist. Bei meinem Ausstieg 2005 wechselte er in die Geschäftsführung. Im April 2009 hat er sich entschieden, das Unternehmen zu verlassen und das war für mich ein Schlüsselmoment und ein Moment der Klarheit. Ich konnte das Angebot meines Vaters, das Unternehmen zu leiten nur aus vollem Herzen und mit voller Kraft bejahen. Ich wusste auf einmal wo mein Weg, mein Platz und meine Zukunft war. Und das Faszinierende war, dass sich innerhalb weniger Stunden auch jemand fand, der meine Akademie weiterführen wollte. Somit ging beides Hand in Hand. Mit meiner kraftvollen Entscheidung bin ich als operativer Geschäftsführer an die forderste Front getreten. Mein Vater, ebenfalls Geschäftsführer, verantwortet vor allem den Bereich Etiketten und Verpackung und wirkt hauptsächlich aus Krems, wo wir das Druckwerk Krems haben. Meine Mutter, feste Stütze im Bereich der Finanzen und er, Visionär und Techniker, sind mir eine große Stütze und geben mir Sicherheit.

Wie sehen Sie Führung heute?

Kundenzufriedenheit entsteht hauptsächlich durch Mitarbeiterzufriedenheit. Wie die Menschen im Unternehmen zusammenarbeiten, wirkt auf Produkte und Beziehungen, die wir zu unseren Kunden pflegen. Eine zentrale Aufgabe von Führung ist es, angenehme Arbeitsbedingungen zu schaffen, was in Zeiten des harten Preiskampfes in der Branche sicher nicht einfacher geworden ist. Es ist wichtig, dass wir uns immer wieder auf unsere Stärken besinnen und uns fragen: Was macht uns aus? Wie unterscheiden wir uns vom Mitbewerb? Was braucht der Kunde? Welche Lösungen können wir anbieten, um unsere Kunden auf ihrem Weg zum Erfolg zu unterstützen?

Als Unternehmen muss ich mir immer Fragen stellen wie: Wer bin ich, welche Tätigkeit übe ich aus, wo sind meine Stärken? Wie ist meine Kundenstruktur, wie komme ich zu neuen Kunden, wie bleibe ich mit ihnen in Kontakt und wie kann ich sie gut beliefern? Es ist der Blick auf das halbleere oder halbvolle Glas, wie betrachte ich es? Veränderungen sind ein Teil unseres Alltags, mit ihnen umgehen zu lernen und sie als Chance zu sehen eine Möglichkeit zu wachsen und stärker zu werden. Auch die Trend- und Zukunftsforschung ist wichtig. Wo liegen zukünftige Märkte und Kunden? Was sind die Trends, was ist am Kommen, was brauchen unsre Kunden? Die Auseinandersetzung damit und die Beantwortung dieser Fragen unterstützen bei der strategischen Ausrichtung von Unternehmen. Das ist für mich auch Führung.

Führung heißt für mich nicht, ständig zu kontrollieren. Ich glaube eher daran, Verantwortung in kompetente Hände abzugeben, ich glaube an an eigenverantwortliche Mitarbeiter, die ergebnisorientiert arbeiten. Für mich persönlich ist die 360° Sicht sehr wichtig. Das bedeutet, die Entwicklungen am Markt und beim Mitbewerb im Auge zu behalten und in technischen Entwicklungen up to date zu sein. Für uns ist auch die Forschung ein wichtiger Geschäftszweig, da sie einen wichtigen Beitrag zum Erfolg leisten kann. Ich muss mich die Probleme und Bedürfnisse meiner Kunden kennen, mich in den Kreisen meiner Kunden bewegen, denn nur dann kann ich rasch Lösungen bieten und langfristig erfolgreich zusammenarbeiten. Heute ist es hier ein ganz anderes Führen als vor meinem Ausstieg, weil ich in diesen Jahren in meiner Kraft gewachsen bin, in meiner Präsenz, in meinem Vertrauen, in meinem Wirken. Heute kann ich wirklich sagen, dass ich mir zutraue, die Verantwortung für so viele Mitarbeiter und das Gesamte tragen. Es ist nicht nur das Wollen oder das Können da, sondern heute stehe ich mit einer ganz anderen Kraft dahinter.

Gerade in großen Unternehmen besteht die Gefahr, dass viele Informationen, die bei den Mitarbeitern da wären, nicht abgefragt und damit auch nicht gesehen und in die Entscheidungen einbezogen werden.

Daher sind Mitarbeitergespräche so wichtig. Dabei heben wir wertvolles Potential. Wichtig ist es aber auch, nicht nur die Informationen zu sammeln, sondern Rückmeldungen und Ideen auszuwerten und umzusetzen. Auch die Dokumentation dessen muss den Mitarbeitern klar und transparent kommuniziert werden: Das haben wir alles gesammelt, das haben wir aus den und den Gründen umgesetzt und das haben wir aus folgenden Gründen nicht oder noch nicht gemacht.

Ist die Staffelübergabe schon erfolgt?

Nein, wir haben noch ungefähr zwei Jahre, in denen mich meine Eltern unterstützen. Meinen Vater mit seiner Erfahrung, seiner technischen Kompetenz und seinen Visionen, meine Mutter mit Ihrer Weisheit und ihrer Finanzkompetenz an meiner Seite zu wissen gibt mir zusätzliche Sicherheit. Als Geschäftsführer braucht es Vertrauen und innere Klarheit. Permanent an mir zu arbeiten, ist sehr wichtig, weil nur die Kraft, die ich selbst hineingebe, weiterwirken kann. Ich schaue daher bei allem: "Was zeigt es mir? Was ist zu verändern, damit sich etwas Anderes zeigen kann?" Ich bin im Unternehmen mit allem was ich bin, nicht nur mit meiner fachlichen und wirtschaftlichen Ausbildung, sondern mit allem, was ich auf meinem Weg gesammelt habe. Meine Gesamtkompetenz kann ich dazu einsetzen, das Unternehmen erfolgreich in die Zukunft zu führen. Uns weiter zu bringen und das soziale Gefüge für 70-80 Mitarbeiter bestmöglich zu gestalten, auch im Bewusstsein der sozialen Verantwortung gegenüber den Menschen und den Familien, die mit unserem Unternehmen verbunden sind.

Wie geht es weiter in den nächsten Jahren?

Wir haben die Weichen für die Zukunft gut gestellt. Das letzte Jahr war ein Jahr des Wandels und der Veränderung, der Herausforderung, der Neuausrichtung und der Chancen. Mitarbeiter sind gegangen, Mitarbeiter sind zu uns gekommen, das Team hat sich neu formiert. Aber trotz Veränderung und Wandel, trotz des Wissens, dass nichts bleibt wie es ist, ist es wichtig, mit Erfüllung und Flexibilität zu arbeiten. Mit Herz, Hirn und Humor zu arbeiten und vor allem mit Vertrauen. Vertrauen gibt Kraft und bietet Lösungen und Chancen, die wir nur ergreifen müssen.

Wir hatten z.B. einen Mitarbeiter aus der Steiermark in der Verpackungsentwicklung mit unglaublich großem und für unser Unternehmen wichtigem, technischem Know-how. Er hat im letzten Jahr einen Job ganz in der Nähe seines Hauses in der Steiermark angeboten bekommen, was dort in der Branche nicht so einfach ist. Da hat für ihn privat und beruflich plötzlich alles zusammen gepasst und daher hat er sich entschlossen, unser Unternehmen zu verlassen. Natürlich war das zunächst ein Schock. Die Herausforderung besteht darin, in solchen Momenten im Vertrauen zu bleiben, sich nicht von der Angst packen zu lassen. Kurz nach der Eröffnung unseres Technikers gehen zu wollen, hat sich jemand gefunden, der genau diese Position innerhalb unseres Unternehmens übernehmen wollte. Bereits am nächsten Tag hat sich jemand Passender vorgestellt, der einen Monat später bei uns begonnen hat. Das meine ich mit Vertrauen: Wenn man sein Bewusstsein richtig ausrichtet, ist scheinbar Unmögliches möglich. Damit meine ich, dass ich wenn Unvorhergesehenes eintritt, nicht in die Bewertung gehe, sondern es als Zeichen der Veränderung annehme und die Chance erkenne, dass sich hier ein neuer Weg öffnet. Auch wenn manches im ersten Augenblick ein Schock ist, eröffnen Veränderungen neue Möglichkeiten, die man sonst vielleicht gar nicht wahrgenommen oder gar ergriffen hätte.

...zurück zum Seitenanfang

Teilen:

Ing. Doris Wallner-Bösmüller