best recruited, best managed

Der Schlüssel zu dem Ziel, the best managed company der Branche zu werfen, liegt nach Ansicht des CEO von Pharmacia Corp., Fred Hassan, bereits in der Auswahl der richtigen MitarbeiterInnen. Folglich führt der amerikanische -schwedische Konzern derzeit ein IT-gestütztes Competencyies-Modell ein , welches das Management von Kompetenzen weit über den Recruitingprozess hinaus verändern dürfte.

Dieses Bewerbungsgespräch würde wohl anders ablaufen als üblich. Das war der Bewerberin, einer erfahrenen Pharmareferentin, schon nach wenigen Minuten klar. Egal um welchen Aspekt ihrer bisherigen Tätigkeiten es gerade ging, die Fragen ihres Gegenübers waren präzise, gingen schnell ins Detail und folgten einem bestimmten Muster. Etwa zum Punkt "building customer loyalty":

"In Ihrer bisherigen Funktion als Außendienstmitarbeiterin für niedergelassene Ärzte, wie haben Sie da guten Service für Ihre Kunden sichergestellt? Können Sie mir bitte ein konkretes Beispiel nennen? Was genau haben Sie da getan? Welches Resultat haben Sie damit erzielt?" Oder: "Denken Sie bitte an eine Situation, in der Sie sehr genau zuhören und viele Fragen stellten mussten, um das Problem bzw. Bedürfnis eines internen/externen Kunden erfassen zu können. Was für eine Situation war das? Was genau haben Sie da getan?..."

What means "the best"?

Dass Bewerbungsgespräche auch ganz anders ablaufen können, weiss jeder aus eigener Erfahrung. Das reicht vom eher plumpen "Sind Sie kundenorientiert" über "Was wäre für Sie kundenorientiertes Verhalten", "Was würden Sie als Ihre größte Stärke bezeichnen", "Welche Schwächen haben Sie" bis hin zur modernen Variante "Stellen Sie sich vor, Sie sitzen einem Kunden gegenüber, der folgendes sagt/tut..... Wie würden Sie reagieren?"

So einig sich Unternehmen darin sind, dass die Kompetenzen ihrer Mitarbeiter immer mehr zu dem entscheidenden Wettbewerbsfaktor werden, so holprig und unausgereift scheinen viele Versuche, diese Kompetenzen feststellen zu können. Sei es im beim Recruiting, in Mitarbeitergesprächen, bei Personalentwicklungsmaßnahmen oder bei der Leistungsfeststellung. Bei Pharmacia (mittlerweile mit Pfizer fusioniert) stand am Beginn des konzernweiten Projektes "Selecting the best" die Vision des Boards, den Konzern zur "best managed company" der Branche zu machen. Das aber hieß, Antworten zu finden auf die Fragen:

     

  • Was sind die Schlüsselkompetenzen, die wir brauchen bzw. in welchen Bereichen brauchen wir welche dieser Kompetenzen, um die Herausforderungen. vor denen wir stehen, tatsächlich am besten zu meistern?
  • Wie können wir diese Kompetenzen so beschreiben, dass sie für alle Führungskräfte und Mitarbeiter leicht nachvollziehbar und konkret beobachtbar sind?
  • Welche Methoden können wir einsetzen, um festzustellen, über welche Kompetenzen welcher (potenzielle) Mitarbeiter in welchem Ausmaß verfügt?

We need one wording

Der eine konkrete Ansatz, dessen sich Pharmacia bediente, um "selecting the best" auf ein solides Fundament zu stellen, stammt von den beiden Amerikanern Michael M. Lombardo und Robert W. Eichinger von der Firma Lominger Inc. Ihr System basiert grob gesagt auf 67 Competencies. Jede der Kompetenzen wird anhand mehrerer konkreter Verhaltensweisen beschrieben und diese noch einmal anhand dreier Ausprägungen unskilled, skilled, overused skill differenziert. Der zweite Ansatz, den der Konzern mit dem Kompetenzmodell von Lombardo abglich und kombinierte, kommt von DDI International. DDI verfügt ebenfalls über ein - wenn auch unterschiedliches - verhaltensbasiertes Kompetenzmodell, allerdings ergänzt um ein spezielles IT-Tool, das den gesamten Recruitingprozess (Auswahl der jeweils erforderlichen Kompetenzen für bestimmte Aufgaben/Funktionen, Auswahl der passenden Fragen aus einem umfassenden Fragenkatalog, Zuteilung der Fragen an die Interviewer, etc.) enorm verkürzen kann.

Entscheidend bei dem System, so der damalige Personalleiter von Pharmacia Österreich, Michael Walzek, sei aber gar nicht so sehr, eine wissenschaftlich fundierte Definition jeder einzelnen Competency auszuarbeiten. Viel relevanter für die Arbeit sei, mit Hilfe solch eines Systems überhaupt einmal eine einheitliche Sprachregelung zu finden. Ein wording, bei dem jeder im Konzern genau sagen kann, wovon bei einer bestimmten Kompetenz die Rede ist.

"Fragen Sie einmal 15 Leute in einem beliebigen Unternehmen, was sie unter Delegation verstehen oder unter Teamfähigkeit und Sie bekommen 15 unterschiedliche Antworten. Dementsprechend aussagekräftig sind dann Interviewerbeurteilungen beim Recruiting oder Leistungsbeurteilungen durch Führungskräfte. Sie brauchen also dringend einen gemeinsamen Ausgangspunkt, am besten eine Definition auf Ebene des Verhaltens." Genau das leistet solch ein System. Bei Pharmacia ist die Beschreibung sogar noch differenzierter, indem unterschieden wird zwischen unskilled (was tut jemand, der die Kompetenz nicht zeigt), skilled (was tut derjenige, der sie zeigt) und overused skill (was tut derjenige, der sie übertrieben zeigt?).

Who showed it once, will probably show it again

Selbst wenn man es geschafft hat, ein System zu finden, um die für das Unternehmen nötigen Kompetenzen präzise und nachvollziehbar zu definieren, bleibt immer noch eine wichtige Frage offen: Wie geht man vor, um herauszufinden, ob und in welchem Maße eine bestimmte Person über die relevanten Kompetenzen verfügt? Ist die Mitarbeiterin bereits im Unternehmen, geht das noch relativ leicht. Man kann ihr Verhalten beobachten. Beim Recruiting fällt diese Möglichkeit weg, von Assessmentcentern und Simulationen einmal abgesehen.

Die von Pharmacia übernommenen Systeme basieren nun auf folgender zentraler Annahme: Die Schilderung von bereits in früheren Situationen gezeigtem Verhalten lässt besser auf tatsächlich vorhandene Kompetenzen schließen als Antworten auf Was-wäre-wenn-Fragen. Michael Walzek: "Wenn es z.B. um Organisieren und Planen geht, würde ich nicht fragen: Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Aufgabe eine große Kundenveranstaltung zu planen. Wie würden Sie dabei vorgehen? Ich würde fragen: Erinnern Sie sich bitte an eine Situation, in der Sie eine Veranstaltung planen und organisieren mussten. Was war das für eine Situation? Was war da Ihre Rolle, Ihre Aufgabe, Ihr Ziel? Wie sind Sie dabei vorgegangen, was haben Sie getan? Und schließlich: Was war das Resultat?"

Dieses von DDI entwickelte Fragesystem heißt STAR und steht für: Situation, Task, Action and Result. Man bittet um die Beschreibung einer konkreten Situation, in der eine bestimmte Aufgabe erfüllt werden musste und fragt nach dem konkreten Verhalten und den erzielten Resultaten. (Und vielleicht auch noch: "Womit waren Sie zufrieden, womit nicht? Was ist gut gelungen, was würden Sie heute anders machen?" um einen Eindruck der Lern- und Reflexionsfähigkeit der Person zu bekommen)

Der weit über das Recruiting hinausgehende Effekt dieses Ansatzes zeigt sich mehrfach: Das Denken in STAR-Kategorien hilft Personalisten und Führungskräften, die typische Generalisierung und Zuschreibung von Eigenschaften "der ist ein Machtmensch, nicht teamfähig, kann nicht delegieren, ist ein toller Verhandler" zu verflüssigen, indem die Wahrnehmung auf beobachtbare Verhaltensweisen gelenkt wird (Was genau tut jemand, damit Sie zu der Erklärung Machtmensch gelangen?). Damit einher geht mit der Zeit ein viel genaueres, weniger wertendes und damit leichter annehmbares Feedback zwischen Führungskräften und Mitarbeitern.

Step by Step

Getreu dem Motto: Wer richtig rekrutiert, spart sich viel Entwicklungsaufwand hinterher, liegt das Hauptaugenmerk von Pharmacia derzeit in der Neugestaltung des Recruiting-Prozesses mithilfe der neuen Tools. Nachdem weltweit alle Führungskräfte in zweitätigen DDI-Workshops mit dem System vertraut gemacht wurden, ist der prototypische Ablauf:

Der jeweilige Personalist vor Ort fungiert als Prozessbegleiter, der mit Hilfe der Software den Einstellungsprozess steuert und unterstützt. Falls für einzelne Funktionen schon bestimmte Kompetenzprofile aus den insgesamt 67 Kompetenzen im PC vordefiniert sind, werden diese noch einmal mit der jeweiligen Führungskraft auf ihre spezifische Tauglichkeit für die Anforderungen vor Ort hin überprüft.

Ist noch kein Kompetenzprofil vorhanden, filtern Personalleiter und Führungskraft in einem gemeinsamen Gespräch (unterstützt durch Kärtchen für jede Kompetenz) diejenigen 6 - 10 Kompetenzen heraus, die für die betroffene Funktion am meisten gebraucht werden.

Zu jeder Kompetenz gibt es einen ca. zweiseitigen vordefinierten Fragenkatalog, aus denen situationsadäquat einige Fragen ausgewählt werden, die dann in der Folge gleichmäßig auf die durchschnittlich drei Interviewer (Personalist, der fachliche Vorgesetzte, eine zweite Führungskraft) aufgeteilt werden.

 Jeder der zu persönlichen Gesprächen eingeladenen BewerberInnen wird dann in den drei ca. einstündigen Gesprächen mit unterschiedlichen Gesprächspartnern nach STARs gefragt, die stichwortmäßig mitnotiert werden.

In einer anschließenden Interviewer-Konferenz werden diese besprochen. Bei jeder Kompetenz müssen sich die Interviewer auf einen von fünf möglichen Werten einigen: übertrifft die Erwartungen bei weitem, übertritt sie, erfüllt sie, erfüllt sie teilweise, erfüllt sie nicht. Argumentiert werden muss mit Hilfe konkreter STARS. (Was hat die Person denn konkret gemacht, das weit über das übliche Maß hinausgeht?)

Resultat dieser Gespräche ist ein bestimmtes Kompetenzprofil pro Bewerber, die dann der verantwortlichen Führungskraft als Entscheidungsbasis dienen.

Noch steht die Einführung dieses Systems bei Pharmacia in Österreich erst ganz am Anfang. Die anfängliche Skepsis vieler Führungskräfte in Hinblick auf die Praktikabilität des Systems, was angesichts des dicken und nicht wirklich lesefreundlichen Handbuchs mehr als verständlich ist, beginnt nach Absolvierung des Einführungsseminars und ersten Erfahrungen über den praktischen Nutzen beim Rekrutierungsprozess aber bereits zu schwinden. Kleines, aber feines Indiz dafür: Führte die "rote Bibel"  (rot ist das Cover des Handbuchs) bis vor Kurzem noch ein eher unbeachtetes Dasein in den Regalen des Managements, so hört man nun immer öfter den Satz "Was sagt denn da unsere Bibel dazu?"

06.2002

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