"Da war Zug dahinter!"

Wer jemals bei Projekten mitgearbeitet hat, weiß, wie schnell die anfängliche Aufbruchsstimmung erlahmen kann und welch geringer Teil von den am Ende der Workshops begeistert vereinbarten Maßnahmenplänen meist tatsächlich umgesetzt wird. Ein groß angelegtes Projekt der OMV meisterte diese Klippen allerdings mit Bravour und verband auf erfolgreiche und innovative Weise Geschäfts- und Personalentwicklung.

Früher mögen Tankstellen dazu gedient haben, Benzin nachzufüllen und kleinere Schäden am Auto reparieren zu lassen. Heute sind die Hebebühnen bereits Geschichte, das Tanken eher schon Nebensache und die Tankstellenunternehmer finden sich zunehmend in der neuen Rolle eines Einzelhändlers wieder, der im „convenience-store“ der Tankstelle mit über 2.000 Produkten mit Ablaufdatum Kunden zu bedienen hat und im Büro seine Umsätze analysieren, die neuen EDV-Systemen beherrschen und Geschäftspläne erstellen muss.

Als Systempartner der Mineralölkonzerne sind diese Tankstellenbetreiber einerseits unter dem Dach einer starken Marke vereint und damit bestimmten Spielregeln und Standards unterworfen, um einen einheitlichen Auftritt zu gewährleisten, fungieren aber andererseits als selbständige Unternehmer. So auch beim österreichischen Marktführer OMV. Während die OMV also für die Marke, das Netz, das Marketing und gegebenenfalls das Investment zuständig ist und neben ständiger Betreuung und Beratung auch das Know-How bereitstellt, wie man so ein Geschäft am besten führt, sind die Partner verantwortlich für die Umsetzung dieses System-Know-Hows vor Ort und die Betriebsführung. Soweit die hehre Theorie.

Druck oder Einverständnis?

In der Praxis allerdings war die Umsetzung dieser Standards, die nach den Erfahrungen der OMV eine erstklassige Tankstelle auszeichnen, bei den rund 470 Tankstellen mit OMV-Logo bislang durchaus unterschiedlich ausgeprägt. Da Johann Hauser, dem Leiter des OMV-Tankstellengeschäfts, nur allzu bewusst war, dass - Systempartnerschaft hin oder her - ein Pochen seiner Area-Manager aufs Einhalten der Standards bei den selbständigen Tankstellenbetreibern leicht in den falschen Hals gerät ("da stellen sich die in der Zentrale wieder was vor, was so gar nicht geht"), schlug er einen ganz anderen Weg ein.

Bereits 1998 startete er mit seiner eigenen Mannschaft - bestehend aus drei regionalen Vertriebsleitern und den insgesamt 20 Area-Managern, von denen jeder rund 30 Tankstellen betreut – ein erstes, internes Entwicklungsprojekt: "Mein Ziel war, dass alle Mitarbeiter zu einer gleichen Sicht der Dinge kommen. Und das geht meiner Erachtens nur über den Dreischritt Verstehen – Akzeptieren - Sich Identifizieren. Nur wenn man selbst zum Schluss kommt, dass das für einen selbst eine gute Lösung ist und einem persönlich nützt, wird man das mittragen. Die Frage war: Wie machen wir das praktisch? Frontalvortrag, soviel war klar, nützt gar nichts. Das gab es schon oft genug. Das wirkungsvollste ist, praktisch zu tun, gefordert zu sein, und das hieß, den gesamten Prozess von allen Beteiligten erarbeiten lassen."

Wie haben Sie es verstanden?

In einer ersten Veranstaltung mit seinen Mitarbeitern präsentierte Herr Hauser Philosophie, Strategie und Ziele des Geschäftsbereichs samt dem Hinweis, in einem Monat würde wieder so eine Veranstaltung stattfinden, dann allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Dann hätten die jetzigen Zuhörer für ihn eine Präsentation zu machen. Eine Darlegung von Vision, Strategie, Rollenteilung, Plänen und konkret erreichbaren Zielen des Tankstellengeschäftes. Eben so, wie sie es verstanden hätten.

Herr Hauser: "Meiner Meinung nach haben wir mit dieser Übung mehr erreicht als in all den Jahren zuvor. Die Inhalte wurden von den Leuten selbst erarbeitet und dann zu einheitlichen Texten und Präsentationen gebündelt. Der Nebeneffekt war, dass sich jetzt jeder meiner Mitarbeiter die Grundlagen des Systemgeschäfts mindestens genauso gut vorstellen kann wie ich. Erst durch diese Rückspiegelung kam es zu einer wirklich gemeinsam getragenen Sicht der Dinge." Auf Basis dieser gemeinsamen Sicht erarbeitete dann eine Arbeitsgruppe bis Ende 1998 eine Broschüre, in der die propagierten Standards neu definiert und präzisiert wurden.

Im Frühjahr 1999 startete dann ein gemeinsam mit der Personalentwicklung und der Beratungsfirma "Trend Market" konzipiertes Programm, dass die Area-Manager dabei unterstützen sollte, die Umsetzung dieser Standards bei den von Ihnen betreuten Tankstellen auch sicherzustellen.

Führen durch Sachzwänge

Nach der ersten Kick-off-Veranstaltung, bei der die Grundidee des Projektes mit dem Titel "ein Standard österreichweit" noch einmal vorgestellt, die einzelnen Programmschritte präsentiert und die Erwartungen aller Beteiligten abgeklärt wurden, folgte der "Aktionstag". Inhalt dieses Tages war die Simulation genau derjenigen Schlüsselsituationen, mit denen die Area-Manager bei der Umsetzung des Projektes konfrontiert sein würden. Also simulierte man Präsentationen vor den Tankstellenpächtern mit Diskussionen und Überzeugungsarbeit zur Sinnhaftigkeit der Standards ebenso wie Zielvereinbarungsgespräche und anschließende Coachinggespräche während der Umsetzungsphase.

Schon Wochen vor diesem Tag erhielten die Area-Manager die Aufgabe, sich in Gruppen auf diese Übungen vorzubereiten, z.B. Präsentationen zu erstellen und Sinn und Zweck der in der Broschüre definierten Standards zu diskutieren, um diese dann auch vor den Tankstellenpächtern vertreten und argumentieren zu können.

Angelegt war dieser Aktionstag als eine sehr spezielle und transparente Form eines Assessments samt Spielern in der Rolle der Pächter und den Führungskräften in der Rolle der Beobachter. Vor jeder Übung wurden die Area-Manager vom Trainer aufgeklärt, worauf es bei der Übung ankommen würde. Es gab genaue Instruktionen und Gesprächsleitfäden und nach jeder Übung sowie nach Abschluß dieses Tages erhielt jeder Teilnehmer detailliertes Feedback.

"Die Methodik ist qualitativ mit der eines konventionellen ACs nicht zu vergleichen", so Liselotte Dottolo, Leiterin der Personalentwicklung, "durch die transparente Vorgehensweise ist Lernen ein Teil des Workshops. Beobachtungsschwerpunkte sind Verhalten und Prozesse in ganz konkreten, für die Teilnehmer relevanten Situationen. Und es geht um Rückspiegelung an die Teilnehmer, wie sie konkret vorgegangen sind und welche Wirkung sie erzielt haben, um Selbstreflexion und weiteres Lernen zu unterstützen."

Als Folge dieses Tages entstand dann ein Teilprojekt namens "Leadership-Coaching" sowohl für die Führungskräfte als auch die Area-Manager. Für die Führungskräfte, um die Area-Manager bei der Umsetzung des Projektes angemessen begleiten zu können, für die Area-Manager, um sie bei ihren Coachinggesprächen mit den Tankstellenleitern zu unterstützen.

Ziele setzen reicht nicht

Bereits kurz nach dem Aktionstag ging es in die Umsetzung des Projektes, beginnend mit der Präsentation des Systempartnergedankens und den damit verbundenen Standards vor den Tankstellenleitern durch die Area-Manager. Dann eine gemeinsam mit jedem Pächter durchgeführte Stärken-/Schwächenanalyse der derzeitigen Situation mit anschließender Zielvereinbarung sowie die Terminfestlegung regelmäßiger Coachingsgespräche, um die Tankstellenleiter bei der Umsetzung der Ziele zu begleiten.

Nun ist das allerdings so eine Sache mit Zielvereinbarungen. "Die Praxis der Zielvereinbarung in vielen Unternehmen", meint Wolfgang Tschinkel von Trend Market, "erschöpft sich meist in der Formulierung von Zielen. Nur - mit Zielen allein erreicht man noch gar nichts. Erst das genaue Durchdenken der Arbeitsprozesse ist das, was den Erfolg sichert. 10% Umsatzsteigerung beispielsweise ist ein leeres Ziel, solange dem Mitarbeiter nicht klar ist, wo dieser Mehrumsatz herkommen soll, was dafür zu tun ist, welche Hilfe er (es) dazu möglicherweise braucht. D.h. in so einem Zielvereinbarungsgespräch muß man den Prozeß durchsprechen, Gefahren und mögliche Hürden aufzeigen und etwaige Hilfemaßnahmen definieren. So ein Gespräch ist also nur dann gut, wenn man nachher den Eindruck hat, weitergekommen zu sein, klarer zu sehen, zu wissen, was zu tun ist und wie es zu tun ist." Neben dem Ziel braucht es also auch Klarheit über den Weg dahin, die konkret zu ergreifenden Maßnahmen, über die Mittel, die Hindernisse und die nötigen Rahmenbedingungen. Erst dann wird dem Vis-a-Vis auch wirklich klar, warum welche Dinge getan werden müssen und welche Bedeutung sie im Gesamtkontext haben. Genau darauf focussierte die dreiteilige Seminarreihe zum Leadership Coaching.

Ziele, Wege, Ergebnisse

Auch wenn das Projektende mit dem zweiten "Erfolgskontrolltag" Mitte Juni noch nicht lange zurückliegt, die bisherigen Ergebnisse dieses Projektes sind schon jetzt beachtlich:

     

  • In den jährlich durchgeführten Kundenzufriedenheitsmessungen, in denen die OMV beim Thema "Service" bereits seit Jahren die Spitzenposition einnimmt, wurden auch heuer wieder hervorragende Werte erzielt und die Konkurrenz überflügelt.
  • Bei der ebenfalls jährlich stattfindenden Befragung der Tankstellenunternehmer zeigte sich gleich eine Fülle signifikant gestiegener Werte. Bereits über 90% der Systempartner zeigten sich gut informiert über besagte Standards und beantwortete die Frage "Halten sie darin fixierten Punkte für praxisorientiert und umsetzbar?" mit Ja. Über 75% der Befragten hatten mit ihrem Area-Manager bereits ein Zielvereinbarungsgespräch geführt und die Frage "Halten Sie derartige Gespräche für sinnvoll?" ebenfalls mit Ja beantwortet.
  • Ebenso positiv war das Resümee der zu Beginn des Prozesses noch durchaus skeptischen Area-Manager. Durchaus bezeichnend ist in diesem Zusammenhang die Aussage eines Managers am Abschlußtag: "Ich habe in den Firmen, in denen ich bisher gearbeitet habe, schon viele Projekte erlebt, aber ein Projekt mit so viel Zug und Konsequenz ist mir noch nie untergekommen."

Die Besonderheiten des Projektes

Kein "Transferproblem"

Der klare Focus des Projektes lag auf der Erreichung eines konkreten Geschäftszieles. In jedem Workshop wurden daher genau die Situationen erarbeitet, simuliert und geübt, die von den Managern als nächstes umzusetzen waren. Somit keine "wirklichkeitsfremden" Übungen.

"Führen durch Sachzwänge"

Auf jeden Workshop mußten sich die Teilnehmer anhand von Arbeitsaufträgen detailliert vorbereiten. Somit eine aktive und intensive Auseinandersetzung, statt passiver Berieselung durch den Trainer.

Klare Ziele und eindeutige Wege

Die besten Ziele nützen nichts ohne eine klare Vorstellung des Wegs zum Ziel, gewährleistet durch das besondere Konzept des "Leadership-Coachings".

AC der anderen Art

Eine transparente und innovative Art eines Entwicklungs-Assessments mit genauen Instruktionen für die Teilnehmer und verhaltensorientierter Analyse und Feedback.

09.2000

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