Die Veränderung der Beratung

Dr. Alfred Janes von der Beratungsfirma Conecta, Wien, über die sich ändernden Anforderungen an Unternehmens- und Organisationsberatung.

Herr Dr. Janes, verändern sich die Anforderungen an Beratung?

Ja, wir nehmen eine Veränderung am Markt wahr. Wir haben das einmal unter dem Begriff „Beschleunigung“ geparkt. Das meint, daß bei den Projekten, bei denen wir eingeladen werden, nicht mehr so viel Zeit zur Verfügung steht. Im Augenblick beginnen wir, den Begriff des Veränderungsmanagements aufbrechen, auch um draufzukommen, mit welchem Bildern wir und mit welchen impliziten Bildern unsere Klienten arbeiten, wenn sie von Veränderung reden.

Was ist deren Sichtweise?

Wenn man mit Leuten über Veränderungen redet, die im Personalmanagement angesiedelt sind, dann verstehen die unter Veränderung das Paradigma der Organisationsentwicklung mit ihrer langen Geschichte. Also mit einer Methoden- und Identitätsgeschichte, die aus dem psychosozialen Bereich kommt, mit dieser Perspektive der langen Zeiträume, mit der Perspektive der Anpassung zwischen Umwelt und Innwelt, mit der Möglichkeit, immer wieder durch Reflexion als Instrument Passung herzustellen.

Die ganzen klassischen Bereichs-, Team- und Organisationsentwicklungen, bei denen wir beteiligt waren, waren zu 95% OE-Projekte, wo das zutrifft, was ich gerade erzählt habe. Also die Leute einzubinden und zu fragen: Was ist das Thema, warum überhaupt, was ist das Delta, warum ist es im Augenblick unbefriedigend, was muß geändert werden? Dieser Reflexionsprozeß selbst ist das Instrument der Veränderung. Damit kann man aber die geforderte Geschwindigkeit nicht mehr hinkriegen und damit ist man auch nicht mehr imstande, von außen vorgegebene Bilder umzusetzen. Und das ist der Bruch. Wir erleben heute immer mehr Veränderungen, wo Unternehmen mit Ansprüchen konfrontiert sind, die nicht mehr von innen, aus der eigenen Kultur heraus definiert werden.

Zum Beispiel?

Etwa das Shareholder-Value-Konzept. Da kommt plötzlich eine fremde Logik ins System hinein, die nicht mehr von den Internen reflexiv als Lösung auf Umweltveränderungen definiert wurde, sondern weil sich der Vorstand ändert, weil sich die Eigentumsverhältnisse plötzlich ändern, und jetzt von außen ein bestimmter ROI als neues Erfolgskriterium vorgegeben wird. Anderes Beispiel: Outsourcing. In der Automobilindustrie kann das z.B. bedeuten, frühere interne Abteilungen zu GmbHs zu machen und sie ins Komponentengeschäft zu zwingen. Also: „Ihr liefert nicht mehr nur Getriebe für unseren Konzern, sondern ihr müßt Getriebe am Weltmarkt anbieten, denn nur dann kommt ihr ausreichend unter Wirtschaftlichkeitsdruck, um für uns selbst ein attraktiver Getriebehersteller zu sein.“ Auf die Idee wären die selbst nie gekommen, das wurde ihnen vom Management vorgegeben. Da funktionieren die OE-Konzepte nicht mehr. Da gibt es ein geschlossenes Ergebnis, das ist bereits vorweg definiert, es gibt ein geschlossenes Zeit-Kalkül, das ist auch definiert, und innerhalb dieses Zieles und dieses Zeitraums muß von Ist zu Soll verändert werden.

War nicht bei den OE-Projekten auch ein Ziel vorgegeben?

Bei den OE-Projekten entsteht die Lösung eigentlich erst in diesen Reflexionsprozessen. Die Problemdefinition kommt bei diesen klassischen Prozessen von innen. Selbst wenn der Auslöser ein Problem am Markt ist, wird das redefiniert durch die an der Problemlösung Beteiligten. Das ist der paradigmatisch wichtige Punkt. Und das macht einen Unterschied aus zu einem Prozeß, wo irgend jemand draußen sagt, ihr müßt das so machen. Und jetzt ist die Frage wie.

Der klassische OE-Ansatz hatte den Vorteil der hohen Integration - auch das Bewahrende kriegt hier seine Bedeutung - aber er ist langsam und oft nicht radikal genug, um zu lösen. Und die klassischen Fachberatungskonzepte sind oft radikal in den Ideen, sind weitgreifend, oft sehr kreativ bei der Lösungssuche, aber haben große Probleme bei der Implementierung.

Jetzt sind wir gefordert, mehr kulturfremde Vorgaben zu akzeptieren und mitzuvertreten, diesen Prozeß der Beschleunigung mitzuvollziehen und gleichzeitig noch ein Mindestmaß an Integration von Betroffenen über die Architekturen, die wir dort aufbauen, sicherzustellen, damit das genügend geerdet bleibt.

Schlagwort: Zusammenwachsen von Fach- und Prozessberatung?

Ja, ich glaube schon. Ich glaube, daß wir da gezwungen sind, unsere Kernkompetenz, prozesshaft zu arbeiten, stärker an Fachthemen und an Veränderungsvorgaben anzupassen und dafür zu nutzen. Wir haben früher in offenen Prozessen gearbeitet und heute beteiligen wir uns an inhaltlich geschlossenen Prozessen. Das bringt eine andere Dynamik hinein, damit verlieren wir unsere Neutralität. Wir können nur mehr im Prozess neutral sein. Das verändert auch die Zuschreibung an uns.

Herr Dr. Janes, vielen Dank für das Gespräch.

01.2000

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Dr. Alfred Janes, Conecta Organisations-beratung