Bedenken ausräumen

Das größte Hindernis auf dem Weg zu einem ausgeglichen Leben befindet sich zwischen Ihren beiden Ohren. Wie bekommt man es dort wieder raus?

Techniken und Tipps zum Stressabbau und für ein ausgeglicheneres Leben gibt es wie Sand am Meer. Allerdings ist ihre Umsetzung nicht immer leicht, weil es viele Fallen und Probleme gibt. Jedoch weniger in der Umsetzung selbst, als vielmehr in unseren Köpfen.

Wenn Sie sich beispielsweise mehr X in Ihrer Arbeit wünschen würden (X steht für Wünsche wie: mehr Kontakt mit den Kunden, mehr Entscheidungsspielraum, mehr Einfluss auf die eigene Arbeitseinteilung, mehr von den Tätigkeiten, die Sie besonders gerne machen, mehr Wertschätzung und Anerkennung für das, was Sie tun, usw.), dann lautet eine verbreitete Vorstellung: "Ich will zwar mehr X bei der Arbeit, aber der Job (die Firma, der Chef...) gibt eben nicht mehr her."

Faktum ist: Ein Job ist niemals das, was er ist, sondern immer das, was Sie daraus machen. Denn, wie die Wiener so treffend formulieren würden: "Ein bisserl was geht immer!" Klar ist aber auch: Das "Bisserl" zu realisieren und den Job auf die eigenen Bedürfnisse hin zurechtzubiegen, erfordert mehr Aufwand, als der Herde hinterher zu traben und sich in die durchaus auch bequeme Opferrolle zu flüchten "Der Job ist nun einmal langweilig" oder "Mit meinem Chef kann man nicht vernünftig reden. Ich habe es schon versucht und es hat nichts gebracht. Der lehnt jede Wunsch einfach ab."

Die wirklichen Hindernisse sind unsere Selbstzweifel und Ängste. Die Angst anzuecken, den Neid der Kollegen auf sich zu ziehen, dumm oder unfähig zu erscheinen, zu scheitern und dann als Versager betrachtet zu werden usw. Durch diese Ängste wagen wir erst gar keinen Versuch, sondern fügen uns gleich in unser vermeintliches Schicksal oder wir unternehmen sehr zögerliche und halbherzige Versuche, nur um nachher behaupten zu können: "Ich habe es ja gleich gesagt, das wird nichts!"

Der typische Ablauf besteht in den Schritten:

     

  • Ein Wunschbild taucht auf: Ich würde gerne....
    Ach wäre es schon, wenn ich...
  • Der Gedanke wird sofort abgewertet: Vergiss es! Das schaffe ich nie! Dazu fehlt mir...
  • Das eben noch lustvolle Bild kippt, die Lust wandelt sich in Frust und Resignation. Die Energie geht in den Keller.

Wie rückt man Bedenken und Ängsten wirkungsvoll zu Leibe?

Der erste, bedeutsame Schritt besteht darin, diese im Dunkeln wirkende Kräfte ans Licht zu zerren, wodurch sie bereits einen großen Teil ihres Schreckens verlieren. Schließlich ist es bedeutend einfacher, sich von oft schon automatisierten Gedankenschleifen, die wir uns tagtäglich vorbeten, entmutigen zu lassen, solange sie nur in unseren Gehirnwindungen ihr Unwesen treiben als weiterhin an diese Überzeugungen zu glauben, wenn sie schwarz auf weiß vor uns stehen. Auch wenn Sie bei dieser Aufgabe Widerwillen verspüren sollten, tun Sie es trotzdem! Springen Sie über Ihren Schatten und schrieben Sie Ihre einschränkenden und selbstabwertenden Gedanken auf. Wie Sie sehen werden, ist das bereits 50% der Miete.

Sobald diese einschränkenden Überzeugungen einmal schriftlich festgehalten sind, können Sie damit beginnen, sie in aller Ruhe auf ihre Angemessenheit und Realität hin zu überprüfen.

Früher – jetzt- künftig

Ein erster hilfreicher Schritt in Richtung zu mehr Realitätsnähe, den Max Prior in seinem Buch "MiniMax-Interventionen" vorschlägt, ist die Relativierung dieser Aussagen mit Wörtern wie: "Bisher...." "In der Vergangenheit...." zumal dies die Möglichkeit impliziert, dass es zwar vielleicht bisher so war, das aber noch nichts über die Zukunft aussagt, deren Gestaltung noch in unseren Händen liegt.

Ein ähnliches Prinzip liegt der Ergänzung "noch nicht.." zugrunde. Es macht einen beträchtlichen Unterschied, ob man der Überzeugung ist "ich schaffe es einfach nicht..." oder ob man den Satz folgendermaßen formuliert: "Ich habe es bisher noch nicht geschafft,..." oder "ich habe bisher noch zu wenige Möglichkeiten gefunden,...." Es ist ein großer Unterschied, ob man mit einem Kollegen "immer streitet", oder "manche Dinge noch nicht für beide Seiten befriedigend klären konnte" oder "noch nicht den passenden Weg gefunden hat, sich konstruktiv auseinander zu setzen und über heikle Dinge sachlich miteinander zu reden". Die Aufmerksamkeit verschiebt sich durch solche Umformulierungen hin zu Potenzialen, Möglichkeiten und Chancen.

Spezifizieren statt Verallgemeinern

Ein zweiter wichtiger Schritt liegt im kritischen Hinterfragen dieser Verallgemeinerungen. Eines der typischen Kennzeichen von Glaubenssätzen ist ihr generalisierenden Charakter. Sie strotzen vor Wörtern wie "immer", "nie", "jedes Mal", oder "ständig". Beispiel: "Das passiert mir ständig!" Was heißt ständig? Jeden Tag, einmal die Woche, einmal im Monat? Passiert das immer, oft, manchmal, ab und zu?

Blick auf das, was schon da ist, statt auf das noch Fehlende

Im nächsten Schritt ist die Frage interessant: Wenn das eben doch nicht immer, sondern nur manchmal passiert, was passierte dann in jenen Situationen, die anders verlaufen sind? Hier geht es darum, sich an Situationen zu erinnern, wo die negierten eigenen Fähigkeiten sehr wohl vorhanden waren. "Hey, das stimmt. In der Situation habe ich tatsächlich klar gesagt, was ich wollte und das auch bekommen." Schließlich macht es einen großen Unterschied, ob wir in bestimmten Situationen bestimmte Dinge nicht tun oder ob wir uns die (sehr wohl vorhandene, aber in besagter Situation vielleicht nicht genutzte) Fähigkeit rundweg absprechen.

Das wollen Sie also nicht! Sondern?

Manche Menschen bleiben trotz aller gegenteiliger Bemühungen hartnäckig bei dem kleben, was sie nicht wollen und nicht haben. Und darüber können sie dann stundenlang jammern, was für den Gesprächspartner sehr ermüdend sein kann. Vor allem wenn er in die Falle tappt und fatalerweise beginnt, Veränderungsvorschläge zu machen, die sofort das berühmte "Ja, aber.. Spiel" auf den Plan rufen, mit dem jeder Vorschlag gekonnt abgewehrt wird. Weit wirkungsvoller ist es, auf die Klagen des anderen mit dem Wort "Sondern...? zu reagieren. Beispiel: "Ich will einfach nicht mehr jeden Tag so lange im Büro sitzen." "Sondern?"

Beschreiben, statt Bewerten

Ein weiterer Schritt ist der Wechsel von der Bewertungsebene auf die Beschreibungsebene, um die zugrunde liegenden Ereignisse genauer auszuleuchten: Passiert das "ständig" mit denselben Personen oder mit unterschiedlichen? Wann passiert das, wann nicht? Wo passiert das, wo nicht? Nur in der Arbeit, mit bestimmten Kollegen, oder auch Zuhause und im Freundeskreis? Was genau haben Sie in diesen Situationen getan und gesagt, was haben dann die anderen gesagt und getan, wie haben sie darauf reagiert...usw?

Die Erwartung schafft das Problem

Stress entsteht nicht aus der Situation, sondern dann, wenn die Situation nicht mit unseren Erwartungen übereinstimmt. Wenn Sie beispielsweise einen Job haben, der Ihnen gefällt, aber dabei zu wenig verdienen, um sich das Haus leisten zu können, das Sie als verantwortungsvoller Mensch Ihrer Familie gerne bieten würden, können Sie sich dafür entscheiden, nach Wegen zu suchen, um mehr zu verdienen, Sie können sich aber auch fragen, ob dieses Haus ausschlaggebend dafür ist, ob Sie und Ihre Familie glücklich sein können. (Haben Sie Ihre Familie eigentlich schon einmal gefragt, wie wichtig dieses Haus für sie ist? Vielleicht wäre ihr Ihre Anwesenheit ja wesentlich lieber als das größere Haus?)

Wessen Erwartungen versuchen Sie hier zu erfüllen? Ist es Ihre eigene Erwartung? Glauben Sie, dass "man" es von Ihnen erwartet? (Wer genau? Und woher wissen Sie das?) Fakt ist, dass wir viele Erwartungen im Laufe unseres Lebens von anderen übernehmen, ohne jemals zu klären, ob uns ihre Erfüllung überhaupt den Preis, den wir dafür zahlen, wert ist. Dabei auftauchende Ängste – andere könnten dann von uns enttäuscht sein – gehören ebenfalls in die Spalte mit den Hindernissen, Ängsten und Glaubenssätzen, um sie einer genaueren Untersuchung zu unterziehen. Zumal sie wieder zu der Frage zurückführen: „Einmal abgesehen von den (vermuteten) Erwartungen anderer - was erwarten eigentlich SIE vom Leben?

Szenarien, Wahrscheinlichkeit

Eines der typischen Hindernisse bei der Realisierung der eigenen Träume ist die geistige Vorwegnahme möglicher Schwierigkeiten und Probleme. Je mehr man darüber nachdenkt, desto größer scheinen sie zu werden und desto unüberwindlicher türmen sie sich auf. Hindernisse abzuschätzen, um sie, wenn möglich zu umgehen oder sich bestmöglich darauf vorzubereiten, ist eine Sache, sich dadurch entmutigen und hinunter ziehen zu lassen, eine andere. Hier geht es aber nicht ums "Schön reden", sondern um eine realistische Abschätzung.

Dazu ist es äußerst hilfreich, Worst-Case-Szenarios durchzuspielen: Angenommen, der Versuch ginge schief, was könnte dann schlimmstenfalls passieren? Wäre das tatsächlich so tragisch? Gibt es dann noch andere Wege, die ich einschlagen kann? Der Gedanke dahinter: Wer einmal akzeptiert hat, dass ein Versuch auch schief gehen kann und bereit ist, die Folgen zu akzeptieren, beruhigt sich merklich und hat dadurch umso mehr Energien zur Verfügung, um im Fall der Fälle die bereits vorweggenommenen schlimmsten Folgen abzumildern, zumal diese sowieso nur höchst selten eintreten werden (Der Volksmund formuliert das treffend mit: "Unnötig zu Tode gefürchtet, ist auch gestorben").

Verhandeln statt Wünschen

Es mag durchaus sein, dass andere auf Ihre Veränderungswünsche gleichgültig oder ablehnend reagieren, aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Der entscheidende Punkt ist, wie Sie Ihre Wünsche vorbringen und auf die Antwort des/der anderen reagieren. Man kann einen Wunsch vorbringen, indem man sagt: "Ich möchte gern in Zukunft einen Tag in der Woche von zu Hause arbeiten", worauf der Chef vielleicht sagt, "das geht nicht!" Oder man geht mit der Einstellung heran, zu verhandeln. "Ich möchte in Zukunft einen Tag pro Woche von zu Hause arbeiten, um wichtige Projekte ungestört vorbereiten zu können. Damit bekomme ich das Problem der zahlreichen Verzögerungen besser in den Griff. Im Gegenzug werde ich...." Auch das garantiert noch keinen begeisterten Chef, aber der entscheidende Unterschied ist: Eine ablehnende Antwort des Chefs ist in diesem Fall nicht das Ende des Gesprächs, sondern der Beginn der Verhandlung!

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