Aus Vier mach Eins

In den meisten Unternehmen starten Fusionsbemühungen erst nach der Fusion. Bei Tamrock Deutschland hingegen war die Integration zum Zeitpunkt der Fusion bereits fast abgeschlossen.

Gemeinsamer Treffpunkt der aus allen Himmelsrichtungen anreisenden Manager war der Flughafen Wien Schwechat. Viel Zeit zum Kennenlernen blieb allerdings nicht, denn kaum waren alle versammelt, ging es weiter zum Wiener Südbahnhof, wo die Gruppe nach einer kurzen Präsentation des Programms den Zug bestieg und in einem eigens reservierten Arbeitsbereich bis zur Ankunft in Villach bereits zwei Übungen zum Thema Zusammenarbeit samt Auswertung absolvierte.

In Villach angekommen, wechselten die Teilnehmer in einen Bus, der sie zum Weissensee transportierte, wo gleich die nächste Übung wartete. Nach kurzem Durchatmen am ersten Abend ging es am nächsten Tag im selben Tempo weiter, bis man schließlich als Abschlußübung auf eine Almhütte marschierte, dort die Nacht verbrachte und bereits um vier in der Früh wieder aufbrach, um rechtzeitig nach Klagenfurt zum Flughafen zu kommen. Erschöpft, aber begeistert flogen die Manager wieder nach Haus, um die Erkenntnis reicher, gerade ein erstes Abenteuer mit genau den Leuten erlebt zu haben, mit denen sie ein dreiviertel Jahr später ein neues, gemeinsames Unternehmen gründen würden.

Neue Heimat gesucht!

Ähnlich gedrängt wie das zeitliche Programm dieses Outdoor-Seminars liest sich denn auch die jüngere Geschichte der involvierten Unternehmen: 1996 erwarb der finnische Bergbaukonzern Tamrock die Voest-Alpine Bergtechnik, die zuvor die Mehrheit an der deutschen VA-Westfalia übernommen hatte. 1997 wurde dann die finnische Tamrock ihrerseits von der schwedischen Sandvik-Gruppe zu 100 Prozent übernommen. Anfang 1998 wurden dann vier Firmen/Geschäftsbereiche in Deutschland zusammengelegt: Tamrock, Sandvik Rock Tools, Alpine Westfalia und Rammer verschmolzen zur neuen Tamrock Deutschland GmbH.

Die nicht gerade einfache Aufgabe des neuen Geschäftsführers, D.I. Wolfgang Gruber, bestand darin, Mitarbeiter aus vier unterschiedlichen Unternehmen in kurzer Zeit zu einer neuen Mannschaft zu formen. Das besondere an seiner Vorgangsweise: Während in anderen Unternehmen Integrationsbemühungen – wenn überhaupt – erst nach der Fusion beginnen, waren sie bei Tamrock Deutschland bereits vor Aufnahme der gemeinsamen Geschäftstätigkeit Anfang 98 abgeschlossen. Das kam so:

Es geht um Liebe!

Nach einer internationalen Ausschreibung erhielt die Firma „Harramach & Partner“ den Auftrag, das Zusammengehen zu begleiten. Die Grundidee fasst Dr. Harramach so zusammen: „Bei Tamrock sind gleich mehrere Dinge zusammengekommen: interkulturelle Unterschiede, unterschiedliche Unternehmenskulturen und dann prallten hier ehemalige Mitbewerber aufeinander, die einander vor geraumer Zeit noch am Markt heftig konkurrenziert haben, wo also ehemalige Konkurrenten zu Kooperanten werden mussten. Nun geht es im Grund bei Zusammenschlüssen um eine sehr einfache Sache: es geht darum, daß sich die Leute mögen! Es geht nicht darum, Systeme und Sortimente anzugleichen, das können Firmen ohne jede externe Unterstützung. Aber eben nur, wenn die Leute miteinander wollen. Also, was wir gemacht haben, war ein „Liebestraining“. Das ist der Punkt. Einander mögen, das ist, wie jeder aus seinen privaten und beruflichen Beziehungen weiß, die zentrale Krux des Lebens. Ich bin weiß Gott kein Esoteriker, aber da geht es schlicht um Liebe.“

Nun kommen zwar durchs Reden die Leute zusammen, aber lieben lernen sie sich so nicht. Und da man im Wirtschaftsleben eine Gruppe von Managern nicht gut zum Kuscheln auffordern kann, muss man eben etwas finden, das dem an Qualität nahe kommt: das gemeinsame Erleben und Bewältigen von Problemsituationen.

Wie bringt man die Leute einander näher?

„Wenn du einem anderen dabei hilfst, eine schwierige Situation zu bewältigen, und zwar wirklich handfest, nicht nur durch gutes Zureden - du hebst ihn wo drüber, du drückst ihn wo durch, du hilfst ihm wo rauf oder du sicherst ihn ab, ganz handgreiflich – dann kommst du ihm näher. Genauso wie man nicht nicht kommunizieren kann, gibt es hier keine Chance, einander nicht näher zu kommen“, erläutert Niki Harramach die Vorteile erlebnisorientierter Massnahmen, wie sie in Outdoor-Trainings zum Einsatz kommen. „Und je höher im Management die Leute angesiedelt sind, desto erlebnisorientierter sollte man vorgehen. Denn gescheit sind wir alle und reden können wir hundert Jahre über alle Probleme. Aber wenn man jemanden ganz konkret über ein Hindernis hinweghelfen soll, muss man es schlicht tun und dann klappt es oder es klappt nicht.“

Fusion als Abenteuer

Der Start dieser „erlebnisorientierten Massnahmen“ erfolgte bereits ein Dreiviertel-Jahr vor der offiziellen Fusion mit dem Treffen des künftigen Managementteams am Flughafen in Wien-Schwechat und dem anschließenden, abenteuerlich anmutenden Outdoor-Training in Kärnten. Die zweite Veranstaltung gab es kurze Zeit später in der Lüneburger Heide mit Top- und Mittelmanagement und dem Ziel, Strategie und Ausrichtung der neuen Firma zu diskutieren und festzulegen, als Managementteam zusammenzuwachsen und Massnahmenpläne zu den nächsten Integrationsschritten zu fixieren.

Der krönende Abschluss war dann ein eintägiges Event in Düsseldorf mit allen 120 Mitarbeitern des neu zu schaffenden Unternehmens. In einem stufenweisen Aufbau absolvierte die versammelte Mannschaft mehrere Übungen und Aufgaben, die darin gipfelten, mit vereinten Kräften eine große Masse Gestein zu bewegen. Die Kernbotschaft des Tages: „Durch die Integration unserer Kräfte und schrittweises Zusammenführen unserer Arbeit können wir eine Aufgabe bewältigen, die noch wenige Stunden zuvor keiner für leistbar gehalten hätte.“

Aktionsplan: Beziehungsarbeit

So intensiv das Erleben solcher Veranstaltungen auch sein mag, mit einmaligen Events ist es nicht getan. Bei jeder Fusion, egal wie gut sie auch vorbereitet ist, gibt es Animositäten, Kränkungen, Verletztheiten, Ängste und Frust. Entscheidend ist nicht, was davon auftritt, sondern wie mit diesen Gefühlen umgegangen wird. Eine empfehlenswerte, aber selten genutzte Methode ist, ausreichend Raum zu schaffen, um darüber reden zu können. Es einfach aussprechen zu können, ist bereits die halbe Miete.

„Wenn ich verletzt bin, gibt es nur eine Chance, es behandeln zu können: ich muß sagen: ich bin verletzt! Denn, Knatsch gibt es immer im Beziehungsbereich. Das klingt so geschwollen, aber es ist eigentlich ganz einfach: Wenn sich zwei Leute nicht schmecken können, dann reden sie über Dinge, die wichtig sind, nicht oder nicht ausreichend. Das ist der entscheidende Punkt! Die Beziehungsebene transportiert die Inhaltsebene! Und wenn Leute nicht miteinander können, dann können sie sich auch sachlich nicht ordnungsgemäß austauschen, weshalb dann einfach auch sachliche Fehler passieren. Das Wichtigste, was Menschen, die zusammenarbeiten, lernen müssen, ist metakommunikative Kompetenz. Sie müssen es als normalen Teil ihrer Arbeit betrachten, darüber zu reden, wie sie miteinander reden. Vor allem ist es unausrottbar, wenn man es einmal kann.“ Wie nun bei Tamrock.

Autor: Peter Wagner, 03.1999

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