Gelebte Ausstiegskultur

Die Beratungsfirma CONECTA befragte Unternehmen, wie sie Mitarbeiter in die Pension verabschieden. Von einer bewussten Gestaltung sind die meisten noch weit entfernt.

Gehen langjährige ältere Mitarbeiter in Pension, verabschieden sich damit in aller Regel auch wichtige Wissens- und Erfahrungsträger. Sind die Mitarbeiter erst einmal weg, ist es zu spät, sich über die Sicherung wichtigen Wissens (vor allem Expertenwissen, Kundenverbindungen sowie relevante Netzwerk-Beziehungen) Gedanken zu machen. Trotzdem wird das Thema "der letzten 100 Tage" in den meisten Unternehmen nach wie vor stiefmütterlich behandelt, obgleich so gut wie alle befragten Unternehmen die Einschätzung teilen, dass die Organisation Potenzial verschenkt, wenn sie sich zu wenig um den aktiven Ausstieg in den Ruhestand kümmert..

Mögliche Gründe dafür sind:

  • Die Anzahl der Personen, vor allem der Führungskräfte, die mit normaler ASVG-Pension in den Ruhestand treten, sinkt. Viele MitarbeiterInnen scheiden bereits in den Jahren vor den Erreichen des offiziellen Pensionsalters durch Trennung und einvernehmliche Kündigung aus. So treten in den von der CONECTA untersuchten Firmen jährlich durchschnittlich 2,3 % der Belegschaft in den Ruhestand. Die Bandbreite reichte dabei von 0,04 bis 5 %).
  • Der passende Betrachtungszeitraum vor dem Ruhestand ist eher 1000 Tage denn 100 Tage, vor allem je höher und spezifischer die Positionen sind, aus denen Menschen in den Ruhestand treten. Denn in den letzten 100 Tagen wird oft nur mehr Operatives übergeben oder die Zeit überhaupt für das Aufbrauchen von Resturlauben verwendet.

Im Zusammenhang mit dem Ausstieg in den Ruhestand sehen die Firmen folgende Themen als relevant an: Nachbesetzung, Funktionsneuplanung, Wissenstransfer, Ausgleich von eventuellen Engpässen nach der Pensionierung, Pensionisten als "Sonderbotschafter" / Stimmungstransporteure für die Organisation.

Schlüsselthema 1: Nachfolgeplanung, Funktionsneuplanung

Am häufigsten in der Praxis vorhanden sind formale Pläne im Rahmen von Stellenbesetzungsplänen und Nachfolgeplanung. Beschrieben werden vor allem 3-Jahres-Grobpläne, die jährlich aktualisiert werden, mit Gesprächen zwischen HR und den Führungskräften der Ausscheidenden sowie zwischen HR und den zu Pensionierenden selbst. Problematisch erscheint dies allerdings mitunter in Organisationen der öffentlichen Hand, in denen wegen der Spielregeln der Stellenbesetzungsverfahren die Planung und Bestellung von Nachfolgern häufig erst nach dem Ausscheiden der Vorgänger durchgeführt werden kann, wodurch ein enormer Verlust an Know-How entsteht, da Übergabeprozesse und Know-How-Transfer nicht stattfinden können.

Andererseits scheint Ausscheiden besonders von langjährigen Führungskräften in den Ruhestand auch eine gute Gelegenheit, um Funktionen neu zu denken und zu gestalten, Abläufe in Teams neu zu strukturieren und Veränderungsoptionen in den Unternehmen zu öffnen. Speziell in Organisationen mit Kündigungsschutz, in denen der gesetzliche Pensionierungsstichtag die einzige Möglichkeit der Trennung von einem Mitarbeiter darstellt, wird die Pensionierung – gerade von Führungskräften – gerne zur Umstrukturierung und zum Neudenken der Team- und Abteilungskonstellationen genutzt. Hier ließe sich die Hypothese aufstellen: Je mehr es darum geht, alte Zöpfe abzuschneiden, umso sinnvoller dürfte es sein, die letzten 100 Tage/ 1000 Tage gerade nicht zu bespielen!

Schlüsselthema 2: Wissenstransfer nach dem Ausstieg

Gerade bei Führungskräften und Spezialisten ist der bisherige Job oft wesentlicher Teil der eigenen Identität, weshalb auch häufig der Wunsch vorhanden ist, dem Unternehmen bei Bedarf weiter zur Verfügung zu stehen. Sei es mittels Konsulenten-, oder Teilzeitverträgen oder geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen. Die Unternehmen profitieren durch eine erhöhte Flexibilität (z.B. das Einspringen bei Engpässen und Spitzen) und das Weiternutzen des Erfahrungs- und Spezialistenwissens. Z.B. durch den bewussten Einsatz als Mentor für jüngere Mitarbeiter.

Schlüsselthema 3: Ausstiegsrituale

Überhaupt kein Abschiedsfest zu feiern, stellte bei den befragten Unternehmen die absolute Ausnahme dar. Das Ausmaß von Abschiedsfeiern reicht von ganz kleinen abteilungsinternen Partys bis zu großen Festen mit etlichen Ansprachen und Dankesreden, Liedern, Gedichten, und ausgewählten Schmankerln aus der Arbeitsgeschichte. Dazu können Ehrungen und Auszeichnungen für besondere Verdienste kommen. Keine wirklich neue Erkenntnis ist: Guter Umgang mit älteren/bald zu pensionierenden Mitarbeitern zeitigt auch positive Rückwirkung auf die bestehende Belegschaft – die erlebte Wertschätzung steigert deren Loyalität und Arbeitszufriedenheit und damit indirekt deren Einsatzbereitschaft und Leistung.

Firmen, die ihre Pensionisten als wichtige Stimmungstransporteure betrachten, binden diese auch weiterhin ein, etwa durch Pensionistenclubs, die Einladung der Pensionisten zu Weihnachts- und Jubiläumsfeiern oder die Zusendung der Firmenzeitung, in der z.B. auch pensionistenrelevante Themen angesprochen werden.

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