"Die Aufgaben bleiben gleich"

Mag. Norbert Zimmermann, Aufsichtsratsvorsitzender der Berndorf AG über sich verändernde und unveränderliche Anforderungen an gute Führungskräfte.

Hat sich die Aufgabe eines Managers in den letzten Jahren geändert?

Sie ist im Grunde genommen immer dieselbe. Vielleicht in einem volatileren Umfeld. Es ist ähnlich als würde ich Sie fragen, ob sich der Abfahrtslauf in den letzten Jahren geändert hat. Natürlich ist der Toni Sailer anders gefahren als der Hermann Maier, mit anderem Material, mit anderen Skiern, in einer anderen Haltung, mit anderer Geschwindigkeit. Aber beide sind den Hügel hinunter gefahren. Und so ist es auch im Management.

Die zentrale Aufgabe des Managements - ganz oben angesiedelt - ist immer, eine Organisation nachhaltig gesund weiterzuentwickeln. Es hat sich zwar das Umfeld geändert, aber die Aufgabe ist die gleiche geblieben. Die Aufgabe vom Tony Sailer war, unverletzt und als erster ins Ziel zu kommen. Die Aufgabe des Hermann Maier war ebenfalls, unverletzt und als erster ins Ziel zu kommen. Die Aufgabe des Unternehmens früher war, so nachhaltig zu wirtschaften, dass es auch für die nächsten Generationen noch Früchte trägt und überlebensfähig ist und daran hat sich bis heute nichts geändert.

War früher nicht das Umfeld viel stabiler, wodurch man lange dasselbe machen und trotzdem damit erfolgreich sein konnte?

Wenn Sie gerade 1905 das Unternehmen ihres Vaters übernommen haben, Hufschmied waren und Sie die geniale Idee gehabt haben, einen Nagel weniger zu verwenden, dann war das für das Hufeisengeschäft ganz super, aber leider ist dann das Auto erfunden worden. Da haben Sie mit dem innovativen Hufeisen Pech gehabt. Marktveränderungen hat es schon immer gegeben. Und wenn man genau schaut, dann gab es vom Mittelalter bis heute eine Vielzahl von Berufen, von denen man heute gar nicht mehr genau weiß, was die gemacht haben. Gut, das Tempo ist größer geworden. Aber die Wünsche und die inneren Antriebskräfte sind, denke ich, die gleichen geblieben. Mein Ziel ist es, dass die Berndorf Gruppe auch nach mir noch ein gesunder Laden ist. Ob wir aber dann noch das Gleiche tun wie jetzt, das bezweifle ich in höchsten Maßen.

Wenn ein junger Manager Sie fragen würde, "wie schaffe ich es, meiner Managementaufgabe gerecht zu werden," was wäre Ihre Antwort?

Er muss ein guter Zuhörer, ein guter Beobachter sein. Wenn das Sensorium nicht da ist, dann wird er wichtige Veränderungen im Umfeld nicht bemerken. Zweitens muss er in der Lage sein, Phänomene, die er beobachtet, in ein Bild zu fügen und dieses Bild dann in ein Zukunftsbild zu transponieren. Im Sinn von "Aha, wenn das heute so ist und wenn das die Fließgeschwindigkeit von Trends ist, dann sind wir übermorgen dort." Und dann muss er mit seiner Organisation daran arbeiten, versuchen, möglichst viele Verbündete zu finden für dieses neue Bild und es umsetzen.

Passieren nicht zunehmend Veränderungen im Umfeld, die überhaupt nicht plan- oder absehbar sind und die dann oft radikale Richtungswechsel erzwingen?

Die Brüche gibt es zwar, aber wenn ich es jetzt statistisch abzähle, merkt man, 80 % haben sich ganz konservativ verändert. Das war irgendwie schon spürbar. Um 20 % sind vielleicht diese Regenbogenphänomene, die auf einmal da waren und die man sich gar nicht vorstellen konnte. Was ich damit sagen möchte: Wenn Sie es messen und wägen, kommen sie darauf, die Entwicklung ist gar nicht so erratisch.

Wenn jetzt Sie einen jungen Manager treffen, und Sie sich überlegen, könnte der zu uns passen oder auch nicht, worauf schauen Sie, um für sich beobachten zu können, ist der gut?

Gut ist er eben, wenn er als Persönlichkeit einmal steht, wenn er authentisch ist und ein gewisses Charisma hat. Wenn er mich durch das, was er sagt, was er tut, wie er spricht, wie er fragt elektrisieren kann. Das wichtigste ist wirklich, eine gute Persönlichkeit zu sein. Das klingt banal. Aber es gibt viel zu wenig wirklich runde Persönlichkeiten, die in der Lage sind, einen anderen für eine Aufgabe und eine Teamleistung zu begeistern. Ob man das lernen kann, ist fraglich. Man kann ein Talent noch polieren, ausbilden und besser machen, aber wenn einer überhaupt kein Talent ist? Das ist das Gleiche, wie wenn Sie jemanden zum ersten Geiger machen wollen. Ohne Musikgehör ist das sinnlos. Aber wenn jemand, der ein absolutes Gehör hat, dann noch die richtige Technik lernt, das ist natürlich super.

Nun hat man es als Manager von Berufs wegen mit Unsicherheit zu tun. D.h. man trifft ständig Entscheidungen - wohlwissend, dass man nicht weiß, was morgen passieren wird. Man hat nur seine Hypothesen, die können zutreffen oder auch nicht.

Ich halte mich da an meine Bergbauernphilosophie und sage den Leuten immer: O.K. laßt uns die Unsicherheit akzeptieren! Infolge dessen brauche ich nicht Nebel zu produzieren, um den anderen die Augen zu verpicken, sondern ich rede über die Unsicherheit. Ich sage, wir haben hier eine Entscheidung vor uns, die kann, wenn die Situation sich so und so entwickelt, so ausgehen. Es kann aber auch anders kommen, wenn der Wettbewerb darauf reagiert, wenn irgendwo Vorschriften geändert werden, wenn sich die Rohstoffpreise anders entwickeln als geplant, der Markt zusammenbricht usw.  D.h. man betrachtet einmal alle Komponenten, die mögliche Erfolgsfaktoren für diese Szenario sind. Und dann gibt es den nächsten simplen Bergbauerngrundsatz: Ich tue etwas nicht, wenn es im schlimmsten Fall meine Firma ruiniert. So simpel ist es.

Dann gibt es Risiken, da gehe ich frech rein. Weil ich sage: Wenn das in die Hosen geht ist, gibt es halt ein bisschen weniger Gewinn. Was soll`s? Das Leben ist gefährlich. Es gibt andere Organisationen, die gehen Null Risiken ein, lernen überhaupt nichts und dann gehen sie einmal ein Risiko ein und dann sind sie tot. Weil sie nicht gelernt hatten, mit Risiken umzugehen. Der Bergsteiger, der gewöhnt ist mit der Kraft der Natur umzugehen, der kommt schon manchmal in eine brenzlige Situation, aber weil er sich dort anseilt, wo er tödlich abstürzen könnte, wird ihm relativ wenig zustoßen. Der, der sich nie anseilt, der wird früher oder später hinunter fallen. Und der, der von vornhinein nie raufgeht, der wird nichts lernen.

Szenarien zu bilden und Risiken abzuwägen lernt man auf der Uni nicht.

Aber das lernt der Bauer. Was tut der, wenn er in der Früh zum Fenster hinausschaut? Der überlegt sich, soll ich das Gras jetzt schneiden oder nicht? Soll ich heute säen oder nicht? Treibe ich das Vieh hinaus oder nicht? Er denkt nur in Szenarien. Gehen wir heuer auf die Alm, oder nicht? Der Bauer produziert ja mit einer unglaublich sensiblen Infrastruktur. Eine Maschine ist doch unglaublich viel simpler als ein Feld, in dem eine riesigen Chemie drinnen ist und ein komplizierter Energiehaushalt, der nur ganz schwer steuerbar ist.

 

...zurück zum Seitenanfang

Teilen:

Mag. Norbert Zimmermann, Aufsichtsratschef der Berndorf AG