Der Arschloch-Faktor

Robert I. Sutton

Hanser Verlag; 2006

192 Seiten

Euro 18,40

 

 

 

 

Wie kommt ein Stanford-Professor für Management Sciences zu so einem Buchtitel? Ganz einfach: durch eigene, leidvolle Erfahrungen und die Lust, dieses in zahlreichen Organisationen grassierende Phänomen ohne die sonst üblichen Umschreibungen direkt beim Namen zu nennen. Möglicherweise ist ja auch Ihnen die Erfahrung nicht ganz fremd, im Beruf immer wieder mal auf Personen zu treffen, die sich Ihnen gegenüber widerwärtig verhalten, indem sie Sie anschreien, beschimpfen, beleidigen, vor anderen lächerlich machen, Sie wie Luft behandeln oder sonst wie herabwürdigen und verletzen – seien das nun Vorgesetzte, Kollegen, Untergebene oder Kunden. Und zwar Personen, die das nicht nur einmal machen, weil sie ausnahmsweise einen schlechten Tag haben, sondern die sich regelmäßig so verhalten. Sollten Sie als Ziel einer solchen Attacke den selben Gedanken gehabt haben wie der Autor, dann hieß der in dem Augenblick wohl kurz und bündig: "Arschloch!" Willkommen im Club!

Sutton thematisiert in diesem Buch aber nicht nur das wachsende Problem psychischer Misshandlung am Arbeitsplatz in seinen verschiedenen Facetten – er zeigt anhand zahlreicher Studienergebnisse auch auf, wie fatal sich solche "amtlichen Arschlöcher" (die permanent fiesen Zeitgenossen) auf die Kultur und Produktivität einer Organisation auswirken. Denn wenn respektloses, abwertendes und geringschätziges Verhalten ungestraft bleibt – wie das entgegen allen Lippenbekenntnissen und Leitsätzen in den meisten Unternehmen der Fall ist, weil sie solche Entgleisungen regelmäßig verharmlosen und zum "persönlichen Problem" zweier Personen erklären, statt Menschenverachter in die Schranken zu weisen und zu feuern – dann passiert laut Sutton vor allem eines: Es kommt zu einer Arschloch-Infektion und -epidemie in großem Stil. Das Verhalten der Kotzbrocken macht Schule und färbt auf andere ab. Nicht zuletzt deshalb, weil die tatsächlichen Kosten menschenverachtenden Verhaltens vom Top-Management mit schöner Regelmäßigkeit grob unterschätzt werden. Dabei sind sie – wie im Buch beispielhaft gezeigt - gar nicht schwer zu berechnen. In harte Ziffern gegossen, verfehlen diese Werte dann auch bei reinen Zahlenmenschen im Management nicht ihre Wirkung.

In diesem gleichzeitig amüsant geschriebenen und auf Basis wissenschaftlicher Ergebnisse argumentierten Buch liefert der Autor neben der Analyse auch zahlreiche Ideen, Ansatzpunkte und Praxisbeispiele, wie man dazu beitragen kann, einen positiven Kreislauf in Gang zu setzen, der ein dauerhaft zivilisiertes Arbeitsumfeld hervorbringt. Und selbst wenn dies aus welchen Gründen immer nicht möglich ist, "weil Sie in einer arschlochverseuchten Organisation festsitzen", finden Sie hier Hoffnung spendende Ideen, wie Sie das Beste aus dieser unglücklichen Situation machen können.

Fazit: Ein ernstes Thema, spannend und amüsant aufbereitet, zum Nachdenken anregend, um sich auch selbst an der Nase zu nehmen. Samt schlüssiger Argumentation, dass die Förderung intensiver interner Konkurrenz, bei der man sich gegenseitig auf die Zehen tritt, zahlreiche teure und kontraproduktive Nebenwirkungen auf alle Beteiligten zeitigt.

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