OE, UE oder was? Teil 4

Im Gespräch mit Mag. Franz Biehal, geschäftsführender Gesellschafter der Trigon Entwicklungsberatung.

Herr Mag. Biehal, wie würden Sie Unternehmens- und Organisationsentwicklung voneinander abgrenzen?

Ich denke dass Organisationsentwicklung auf den Veränderungsprozess fokussiert und von der humanistischen Psychologie kommend versucht, eine gute Prozessbegleitung anzubieten. Die klassische OE geriert sich weitgehend losgelöst von den Inhalten und den Fachthemen. UE im Gegensatz dazu hat den Anspruch, inhaltlich auch Fachberatung zu liefern. Aber sie nimmt, wenn sie gut ist, OE-Elemente aus der Prozessgestaltung.

Also UE als OE ergänzt um inhaltliche Elemente?

Ich sehe es nicht als Ergänzung, sondern als gleichgewichtiges Zusammenwachsen von Fachberatung und Prozessberatung.  Also nicht bloß ein Appendix zur OE im Sinn von “Jetzt machen sich ein paar Berater in dem einen oder anderen Fachgebiet kundig und damit machen sie UE”. Das wäre für mich ein Etikettenschwindel.

Gewinnt UE an Gewicht, weil hier der Aspekt Markt stärker hereinkommt als bei OE-Projekten?

Peter Bloch hat das einmal auf den Punkt gebracht und gesagt: Do you want to build an organisation or do you want to have success on your market? Ich glaube, dass viele in den 80er- und Anfang der 90er-Jahre dabei waren, “ihre Organisation zu optimieren”. Da flossen Wertvorstellungen, Idealvorstellungen hinein: die Organisation hat flach zu sein, stromlinienförmig und und und.... Ich glaube dass da  ein Wandel stattgefunden hat.  Wirklich relevant ist nur der Erfolg am Markt.  Diese äußere UE, wie ich es nennen würde, ist Leitlinie und Messgröße für den Erfolg geworden. Insofern hat sich der Focus verschoben. Ich glaube, dass die Standard-Erwartungen der Kunden heute so sind, dass sie einen Berater wollen, der Fach-Know-how, Erfahrung und inhaltliche Expertise mitbringt und gleichzeitig Prozessexperte ist.

Braucht man dazu einen neuen Begriff wie UE?

Ich halte es für bedenklich, wenn der Begriff OE so verschoben oder angereichert wird. Ich glaube, dass die OE in den 80er Jahren auch von Menschen gemacht wurde, die inhaltlich nicht dazu fähig waren. Damit ist der Begriff OE diskreditiert worden. Was ich jetzt wahrnehme, ist dass genauso der Begriff UE diskreditiert wird, weil viele Berater, die Prozess-Know-how haben und eigentlich klassische OE machen, sich plötzlich dieses Etikett aneignen und sagen, jetzt mache ich auch UE, ohne den fachlichen Hintergrund mitzubringen. Ich denke, dass das am Markt schädlich und  für die Kunden verwirrend ist.  Ich glaube aber auch, dass die Unternehmen gelernt haben zu schauen, welche Qualifikation sie in der Beratung einkaufen. Für mich ist der Begriff UE der weitgehendere. 

Wieso haben OE-ler die OE diskreditiert?

Weil viele aus dem Trainingsbereich gekommen sind und behauptet haben OE zu machen, ohne das Methodenrepertoire und Prozess-Know-how und den nötigen Erfahrungshintergrund zu haben. Das waren oft aus Schulungs- und Trainingsprogrammen heraus entstandene Projekte, auf die das Etikett OE geklebt wurde.  Was ich jetzt als Parallele wahrnehme, ist, dass gestandene OE-Berater den Anspruch haben UE zu machen, aber wenig oder keine Ahnung haben von den hard facts. Wobei ich den Kollegen gar nicht unterstelle, dass sie sagen, das Know-how ist eh da, aber indem sie es als UE bezeichnen, suggerieren sie, dass mehr geschieht als in der OE. Nur sind sie eben nicht lieferfähig.

Gibt es so etwas wie systemische OE oder UE?

Ja ich denke, es gibt sie. Ich bin ein Skeptiker, was das betrifft. Ich habe selber eine längere systemische Ausbildung gemacht und mich ernsthaft mit dieser Richtung auseinandergesetzt.  Ich halte die systemische Beratung für diagnostisch sehr ergiebig. Ich habe Probleme dort, wo es um Interventionen geht, weil in Extremform die systemische Betrachtungsweise eine aus meiner Sicht sehr menschenverachtende ist. Es werden eigentlich nur Beziehungen zwischen Systemteilen oder zwischen Personen betrachtet und dort die Veränderungen angesetzt. Mit einem Expertenhabitus, wo jemand von außen kommt, der mehr kann und weiß als die Betroffenen und eigentlich über ihre Köpfe hinweg Interventionen setzt, ohne dass die Menschen einbezogen sind in dem Sinn, dass sie nachvollziehen können, warum das passiert und was hier passiert.

Und in meinem Welt-, Organisations- und Menschenbild halte ich das für dysfunktional. Es widerspricht dem Prinzip, die Menschen selber zu befähigen, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, selber ihre Situation zu diagnostizieren und selber kompetent zu werden bei der Veränderung.

Wenn ich sage, ich sehe dass gewisse Systeme nach bestimmten Regeln funktionieren, dann kann ich diese Mechanismen auch den Betroffenen gegenüber offen legen und mit ihnen z.B. gemeinsam eine Diagnose anzugehen, die diese systemische Betrachtungsweise einschließt. Und damit übertrage ich auch ein Stück der Verantwortung an die Menschen im System.
Der andere Weg, ich komme von außen, betrachte diese Gesamtzusammenhänge systemisch, ich denke mir meine “beste” Interventionsstrategie aus und handle von außen hinein in das System.  Mit den besten Absichten, ich möchte da niemandem böses unterstellen, aber es hat einfach andere Konsequenzen für das Lernen der Menschen, der Organisation und ich denke, es geht von einem anderen Menschen- und Weltbild aus. Und das ist nicht meines.

Herr Mag. Biehal, vielen Dank für das Gespräch.

11.1999

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Mag. Franz Biehal, Trigon Entwicklungsberatung