Herausforderung: hohes Wachstum

Enormes Wachstum und die dabei nötigen Veränderungen der Organisation treiben sich in einem zirkulären Prozess gegenseitig an, wie die Firma Frequentis anschaulich demonstriert.

Die Frequentis Nachrichtentechnik, europäischer Markt- und weltweiter Technologieführer bei Sprachvermittlungssystemen in der Flugsicherung, wies in den 90er-Jahren kontinuierlich Wachstumszahlen von durchschnittlich 30 Prozent auf und legte gegen Ende des Jahrzehnts noch einmal an Dynamik zu. Lag der Umsatz im Jahr 1996 noch bei 26,6 Mio. Euro, waren es 1998 bereits 57,4 Mio. Euro und 1999 schon über 72 Mio. Euro Umsatz. Die Mitarbeiterzahl explodierte von 205 im Jahr 96 auf rund 500 Personen im Jahr 1999.

Das enorme Wachstum und die dabei nötigen Veränderungen der Organisation treiben sich gegenseitig an: Die ständige Ausweitung der Geschäftsaktivitäten bedingt stets aufs neue Anpassungen der Organisationsstrukturen und Prozesse, die wiederum die Basis und Voraussetzungen bilden für weiteres Wachstum. Dieses wirkt dann mit neuem Druck auf die Organisation zurück. Durch die hohen Steigerungsraten zeigt sich dieser zirkuläre Prozeß bei der Frequentis wie in Zeitraffer.

Wachstum bis zum nächsten „Bruch“

War die Firma in den ersten Jahren nach der Übernahme 1983 durch den neuen Eigentümer DI. Hannes Bardach noch sehr personenorientiert organisiert gewesen – von der Struktur her eher „eine Art technisches Büro“, in dem unterschiedliche Aufgaben bislang eher um zentrale Personen herum angesiedelt worden waren - so erzwang das rasche Wachstum dann Ende der 80er-Jahre den Aufbau funktionaler Strukturen, wo Abläufe neu definiert und Verantwortlichkeiten klar bestimmt wurden.
Einige Jahre später, der Umsatz hatte sich inzwischen verdreifacht, folgte eine an den immer zahlreicheren Großkunden und Märkten ausgerichtete Key-Account-Orientierung mit hochprofessionellem Projektmanagement. Der nächste Schritt hieß Produktorientierung und Standardisierung, einerseits eine Reaktion auf die von Kunden geforderten Zertifizierungen, anderseits sinnvoll und nötig, um sich nicht verführen zu lassen, für jeden Kunden völlig neue und damit teure Lösungen zu entwickeln.

Die nächste Veränderung Ende der 90er-Jahre zielte Richtung Prozeßorientierung, um sich trotz der inzwischen erreichten Größe und der weiterhin rasanten Expansion die nötige Flexibilität und Schnelligkeit zu bewahren und bürokratischen Tendenzen entgegenzusteuern. Damit einher ging eine Intensivierung der Kulturarbeit, um die vielen hinzugekommenen Mitarbeiter bestmöglich zu integrieren. Eine Überlebensfrage in dieser Expertenorganisation mit einem Anteil von 70% Technikern und Ingenieuren. Schließlich wurden allein im Jahr 99 rund 180 neue Mitarbeiter aufgenommen, der Großteil gesuchte Spezialisten, die auch bei der Konkurrenz heiß begehrt und dementsprechend umworben waren.

Welche Impulse werden aufgegriffen?

Nun wäre es aber ein Irrtum, zu glauben, daß solch ein Wandel quasi automatisch vor sich geht. Ob und welche Impulse von außen in einem stets an der Leistungsgrenze operierenden Unternehmen – aber nicht nur in einem solchen - aufgriffen werden und dann zu Veränderungen führen, entscheidet sich dadurch, was von den Entscheidungsträgern als „Bruchlinie“ wahrgenommen wird.

Erst wenn beispielsweise individuelle Kundenlösungen aufgrund der hohen Kosten die Konkurrenzfähigkeit beeinträchtigen, erscheint der Ansatz „Standardisierung der Basismodule“ im Blickfeld. Erst wenn die Fluktuation wichtiger Know-how-Träger beginnt weh zu tun, gewinnt das Thema Integration und Kultur an Brisanz und Wertigkeit. Oft sind wichtige Änderungen auch verbunden mit neu hinzugekommenen Personen, die als Impulsgeber fungieren. So besteht bei der Frequentis wohl ein enger Zusammenhang zwischen dem Eintritt des zweiten Geschäftsführers Dr. Christian Pegritz und dem Wandel von einem österreichischen zu einem internationalen Unternehmen. Die entscheidenden Faktoren dafür waren laut Management:

Weniger ist mehr

Je mehr nun die Beschleunigung zunimmt und je offener ein Unternehmen dafür ist, Impulse von außen aufzugreifen, Projekte zu bilden und an neuen Lösungen zu arbeiten, desto mehr braucht es eine klare Fokussierung in Übereinstimmung mit der Unternehmensstrategie: Was hat Vorrang und was machen wir nicht? Andernfalls, so Personalchef Josef Gundinger, „schießt man, wenn man zuviel auf einmal zu verändern versucht, schnell übers Ziel hinaus. Denn dann wird das von den Leuten einfach nicht mehr wahrgenommen, sie fühlen sich überfordert und steigen innerlich aus. Daher ist ein klarer Hauptfokus so wichtig. Jeder Mitarbeiter müßte in einem kurzen Statement sofort sagen können: Was will das Unternehmen? Wo will es sich weiterentwickeln und was ist mein Beitrag dazu? Kann er das nicht, ist das ein Indiz, daß sich die Firma verzettelt.“

Was hat Priorität?

Gerade in Unternehmen, in denen stark projektorientiert gearbeitet wird, so die Erfahrung von DI. Pfaffelmayer, Mitarbeiter der ersten Stunde und Mitglied im Managementboard, besteht die ständige Gefahr, daß im Fall der Resourcenknappheit alle Resourcen in die Kundenprojekte fließen und interne Veränderungsvorhaben dadurch ausgehungert werden. Unabdingbar ist daher ein starker und engagierter Projektleiter und Rückhalt von Personen in einer Machtposition weit oben in der Hierarchie, die ihm den Rücken stärken und das Projekt verteidigen. Andernfalls sinken die Erfolgschancen interner Projekte rapide.

Was ist die gemeinsame Klammer?

Das Wachstum nur mit neuen Mitarbeitern bewältigen zu können, wird spätestens dann zum Problem, wenn es nicht mehr gelingt, sie angemessen in die Organisation zu integrieren. Dann springen mit viel Aufwand gefundene Mitarbeiter nach kurzer Zeit wieder ab, oder aber die Know-how Überleitung von erfahrenen auf neue Kollegen klappt nicht und es schleichen sich Fehler ein. Die Doppelstrategie der Frequentis: Neben einem besonderen Augenmerk auf diesen Integrationsprozeß gibt es das Bemühen, zumindest einen Teil des Wachstums dadurch abzufangen, daß man mit Hilfe des Prozessmanagements Schwachstellen und Reibungspunkte entfernt und die vorhandenen Potentiale noch besser nutzt.

Autor: Peter Wagner, 11.1999

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