Mars macht flexibel

Als man in den Unternehmen noch das Loblied von Arbeitsteilung und Hierarchie sang, hieß der Refrain: Oben wird gedacht, unten wird gemacht! Heute dagegen wird diese Zeile immer öfter ersetzt durch: Wo gemacht wird, soll auch gedacht werden! Die dazu passenden Managervokabeln heißen Empowerment, Unternehmer im Unternehmen oder selbststeuernde Arbeitsteams. Der Weg zur ermächtigten Mitarbeiterschaft ist aber steinig, denn – so zeigt das Beispiel Master Foods: Diese Idee verändert das ganze System.

Viel Zeit zur Eingewöhnung blieb Rita van de Wygert als neuer Plant-Mangerin der Süßwaren-Fabrik in Breitenbrunn nicht. Eine der ersten Herausforderungen war, die ins Stocken geratene Einführung selbststeuernder Arbeitsteams in der Produktion auf eine neue Basis zu stellen: „Wir hatten bereits damals eine sehr offene Kultur und dazu eine extrem flache Hierarchie mit den Ebenen Plant Manager, Schichtleiter und Mitarbeiter. Trotzdem war der Schritt in Richtung Empowerment doch eine größere Kulturveränderung als ursprünglich angenommen.

Es macht eben doch einen gewaltigen Unterschied, ob z.B. ein Arbeiter gewohnt ist, jeden Tag in die Fabrik zu kommen und hier dann Waren einzupacken oder einen kleinen Produktionsschritt zu überwachen, oder ob er in einem selbststeuernden Team arbeitet, das für einen ganzen Prozess verantwortlich ist, konkrete quantitative und qualitative Ziele hat und er als Teammitglied nun darüber nachdenken muss, was es zu verbessern gibt und wie man das anstellen könnte“, skizziert Rita van de Wygert die anfänglichen Schwierigkeiten und den Auslöser, um dann doch externe Berater mit einzubeziehen.

Guter Wille, schlechte Resultate

Gestartet hatte man den Veränderungsprozess bei Master Foods Breitenbrunn mit dem Ziel, schneller und flexibler werden zu wollen. Um das zu erreichen, entstand die Idee, in der Produktion Area Teams einzuführen, mit je einem Area Operator, der aber nicht als Teamleiter, sondern als Koordinator fungieren sollte. In gewohnter Master-Foods-Manier ging es dann auch schnell an die Umsetzung, doch im Grunde passierte nicht sehr viel. Die Mitarbeiter in den neu gebildeten Teams waren verunsichert, wussten nicht genau, was sie jetzt eigentlich tun bzw. anders tun sollten.

Die Schwierigkeiten bei der Umsetzung führten zur Kontaktaufnahme des Managements mit verschiedenen Beratern und zu einer Auswahlentscheidung zugunsten des Beraterteams Susanne Oberleitner und Dr. Herbert Laa von der Firma SOC  durch die neue Plantmanagerin.

Ebenfalls berücksichtigen muss man...

Nach einer Analysephase und einem Workshop zur Festlegung der Prioritäten für das folgende Jahr  bestanden dann die ersten Schritte in:

     

  • der Einrichtung einer Steuerungsgruppe, die zuerst die Grundlagen erfolgreichen Empowerments erarbeitete, in der Folge die generelle Richtung vorgab und als Reflexionsforum diente
  • der Etablierung einer Projektgruppe, welche die Umsetzungsknochenarbeit zu leisten hatte
  • der Erstellung eines genauen Profils für Area Operators
  • der internen Ausschreibung dieser Funktion, bei der sich alle Mitarbeiter bewerben konnten
  • der Auswahl von drei Area Operators pro Schicht
  • dem Start regelmäßiger Area Meetings, bei denen sich die Teams einer Schicht trafen und austauschten zu Fragen wie: Was ist gut gelaufen, wo sind Probleme aufgetreten, was könnten wir verbessern, was sollten wir beibehalten?

 

Da selbststeuernde Teams für ihre Arbeit klar definierte und überprüfbare Ziele benötigten, die mit den Schichtleitern vereinbart werden mussten, setzte hier der nächste Entwicklungsschritt an. Eine Herausforderung für alle Beteiligten. Zwar gab es bereits gut eingeführte jährliche Mitarbeitergespräche, dennoch war das Thema Zieldefinition, Zielklarheit, Zielvereinbarung für die meisten Produktionsmitarbeiter ungewohntes Terrain.

Zum anderen stellte das Führen selbststeuernder Teams ganz neue Anforderungen an das Führungsverständnis und –verhalten der Schichtleiter. Präzise Ziele zu vereinbaren wiederum macht nur dann Sinn, wenn auch Kennzahlen verfügbar sind, um die Zielerreichung oder –abweichung messen zu können. Diese Kennzahlen galt es erst einmal zu entwickeln und in ein kohärentes System zu bringen. Ebenso war es nötig, die Leistungsbeurteilung bei Master Foods auf die neue Arbeitsweise hin abzustimmen, um nicht kontraproduktiv die Leistung des Einzelnen mehr zu belohnen als Teamarbeit.

Guter Wille, gute Resultate

Da all dies kaum innerhalb eines Jahres zu bewerkstelligen ist, standen für das nächste Jahr wieder eine Menge Projektschritte am Programm. Unter anderem:

     

  • Trainings für die Area-Operators in Hinblick auf die Wahrnehmung ihrer speziellen Rolle
  • Teamtrainings, um die Gruppen mit den Möglichkeiten und Chancen, aber auch den Fallen und Problemen von Teamarbeit vertraut zu machen
  • Schulungen in Kommunikation, Problemanalyse und –lösung, um den Mitarbeitern die zur Selbststeuerung  benötigten „tools“ an die Hand zu geben
  • die Einbindung des Instandhaltungsbereichs in die Area-Teams, um den Gedanken selbststeuernder Teams von der Produktion auf das gesamte Unternehmen hin auszudehnen.

 

Rund 6 Trainingstage pro Mitarbeiter investierte die Firma im zweiten Jahr unter dem Titel "„Mitarbeiter machen Zukunft“ in die Unterstützung der Belegschaft, noch einmal so viele Tage im dritten Jahr. Auch wenn dieses Investitionsprojekt einen Menge Geld und Zeit kostete, die ersten Früchte konnte die Fabrik schon im zweiten Jahr ernten. Schließlich war die Belegschaft in der Lage, einen Umsatzsprung von 30% arbeitsmäßig zu bewältigen und damit in Folge das beste Ergebnis in der Geschichte der Fabrik einzufahren. Ob das mit der früheren Organisationsstruktur zu schaffen gewesen wäre, bleibt offen.

Autor: Peter Wagner, 05.1999

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