"Zeigen Sie Zivilcourage"

Im Gespräch mit Komm.Rat Johann Sulzberger, Vorstandschef der (zwischenzeitlich von Heineken übernommenen) BBAG über die Glücksmomente einer Führungskraft.

Herr Direktor Sulzberger, macht Führen glücklich?

Ich empfinde ein Gefühl der Zufriedenheit, wenn ich sehe, dass ein gemeinsam erreichter Erfolg auch die anderen glücklich macht. Dann bin ich zufrieden.

Auch wenn ich einen Job mache, der mir Spaß macht, der mich erfüllt, ist das doch nur ein Teilaspekt meines Lebens. Wie bringt man als Führungskraft bei den heutigen Anforderungen Arbeit und Leben noch unter einen Hut?

Ich habe das Glück, ein Produkt vertreiben zu können, das mir persönlich Freude macht, wo ich den Menschen viel Freude und Gesundheit bringen kann, wo ich aber auch viel Verantwortung trage für Menschen und das Produkt, denn Bier ist nur in Maßen genossen gesund. Jeder Mißbrauch macht Verdruß. Ich trenne Beruf und Privat nur zu einem geringen Teil, weil ich mit meinen Produkten ständig auch im Privatleben konfrontiert bin, und zwar positiv. Ich bin heute 56, die Kinder sind erwachsen und ich kann mir das Leben mit meiner Frau besser einteilen.

Es muß jeder für sich entscheiden, wo liegen seine Schwerpunkte, wie geht er mit seinem Leben um. Er ist ja zunächst einmal sich selbst verantwortlich. Oft ist ein frommer Selbstbetrug zu sagen, ich mache das ein paar Jahre und dann steige ich da wieder aus. Man ist dann schnell in der Mühle drinnen und tritt kräftig mit. Man steigt nicht aus, sondern man kommt außer Tritt.

Ich halte ich es damit, dass jeder von uns aufgrund unserer Denkfähigkeit die Fähigkeit und Möglichkeit hat zu entscheiden. Jeder kann sich jeden Tag für und gegen etwas entscheiden. Gerade in einer Demokratie und freien Marktwirtschaft muß ich nicht, auch wenn es in einem Unternehmen stillschweigend so ist, dass man z.B. bis 19.00 oder 20.00 Uhr arbeiten soll. Man kann sich zu Wort melden, eine Tat setzen, sich gegen das Hierbleiben entscheiden, wenn mir das nicht richtig und wichtig erscheint. Wir haben z.B. einen Produktmanager, der ist bei einer Sitzung am 5. Dezember, bei der der Vorstand anwesend war, um 17.00 Uhr aufgestanden und gegangen. Und als man ihn gefragt hat, wo gehen Sie hin, hat er gesagt: „Ich gehe nach Hause, ich habe zwei kleine Kinder und heute kommt der Krampus. Auf Wiedersehen.“ Der ist noch bei uns. Man kann durchaus Zivilcourage zeigen und seine Vorstellungen umsetzen, wenn man das will. Man muß sich halt dafür entscheiden.

Erleben Sie das oft, oder war das ein Ausnahmefall?

Ich denke, in der heutigen Zeit ist es so ,und da bin ich froh drüber, dass das alte Autoritätsdenken bereits beachtlich zurückgedrängt worden ist. Die Leute formulieren sehr wohl, was sie wollen und was sie nicht wollen, wobei das ganze im Rahmen der Ziele des Unternehmens sein muß. Da kommt es natürlich immer zu Zielkonflikten, aber es ist eben Aufgabe der Führungskraft, das bestmöglich zu vereinen.

Jetzt gibt es diese Anforderung, Führungskräfte sollen die Potentiale ihrer Mitarbeiter fördern, sie entwickeln. Aber kann ich bei anderen nicht immer nur das wahrnehmen, was ich bei mir selbst sehe? Setzt daher dieser Entwicklungsgedanke nicht eine Selbstentwicklung voraus?

Ich würde Ihnen da widersprechen. Ich behaupte, man löst die Probleme anderer immer leichter als die eigenen. Aber ich denke schon auch, dass man etwas selber tun und können muss, bevor man es von jemandem anderen verlangt. D.h. nicht unbedingt, dass die Führungskraft dieselbe Fachkenntnis haben muß, aber sie muß wissen, was sie jemandem zutrauen und zumuten kann. Und selber muß man auch wissen, was sie sich zutrauen kann und wenn sie etwas nicht lösen kann, muß sie eine Aufgabe auch ablehnen. Eine der schwierigsten Aufgaben für eine Führungskraft ist zu sagen, das kann ich nicht, nicht in der Zeit, nicht in dem Ausmaß, oder nicht mit diesen Leuten. Wobei der letzte Satz am häufigsten fällt. Aber da müßte folgerichtig die Führungskraft bei sich selber anfangen. Denn die Mitarbeiter sind meistens so gut, wie es der Chef zuläßt.

Bei sich selbst anzusetzen, würde voraussetzen, Zeit zu haben, in Ruhe über sich und das eigene Verhalten nachzudenken. Die Zeit fehlt oft.

Das ist nicht wahr, sie ist vielleicht knapp bemessen, aber die Leute reden sich immer ein, keine Zeit zu haben. Die Zeit ist für jeden gleich, 24 Stunden am Tag, die Frage ist, wie nutzt man sie. Wenn ich mich eine halbe Stunde hinsetze und über mich, mein Leben, meine Zukunft, meine Aufgabe nachdenke, dann ist das durchaus möglich. Manchmal braucht man vielleicht auch einen ganzen Tag, um sich über wichtige Fragen klar zu werden. Keiner kann sagen, dass er während eines Jahres nicht einen Tag Zeit für sich reservieren kann, um sich zurückzuziehen. Wenn er will. Das Zeitargument ist oft vorgeschoben, weil man sich mit bestimmten Dingen nicht beschäftigen will.

Gerade diese Fragen, wer bin ich, was will ich eigentlich in meinem Leben, was ist der Sinn des Ganzen, da tut man sich mitunter ja sehr schwer, das klar zu beantworten, oder?

Ja, aber es ist wichtig. Ich habe das Glück, Menschen führen zu dürfen in einem Unternehmen, wo es Spaß macht, weil das Produkt stimmig ist. Und wenn ich merke, dass ich jemandem geholfen habe, dass ich zu einer Entwicklung beigetragen habe, das sich die Leute wohl fühlen, Spaß haben an der Arbeit und den Erfolg auch genießen können, dann habe ich für mich schon viel Sinn erreicht.

Wie passiert Persönlichkeitsentwicklung im Top-Management?

Im Persönlichkeitsbereich kann ich persönlich mir am besten helfen, indem ich mit Menschen, denen ich vertraue, Probleme bespreche und Lösungen suche. Ich orientiere mich auch an von mir als Mensch und als erfolgreiche Führungskraft geschätzten Freunden, wo ich mir Dinge abschaue. Aber im Grunde, denke ich, soll man sich sein eigenes Wertbild und seinen eigenen Weg zurechtlegen und dem dann treu bleiben, denn das gibt auch Sicherheit. Auch den anderen. Ein nachvollziehbares Verhalten gibt auch den Mitarbeitern und Kunden Orientierung. Wenn man überlegt, wie schaut die ideale Führungskraft aus, dann ist das ja immer wie im Märchen. Diese eierlegende Wollmilchsau gibt es ja nicht, die alles gleichzeitig kann. Man sollte wissen, was man kann, was man will und was man dafür zu tun bereit ist und was nicht.

Herr Direktor Sulzberger, vielen Dank für das Gespräch.

09.2000

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