Qualitätssicherung im eigenen Leben

Dr. Johannes Pfaffenhuemer im Gespräch über seine vielfältigen Erfahrungen als angestellter Manager, Firmeneigentümer und Berater.

Dr. Johannes Pfaffenhuemer arbeitete nach Lehrerausbildung und Wirtschaftsstudium als Assistent von Dr. Koch, dem langjährigen Vorstandschef bei Kika/Leiner, baute dort in internes Managementinformationssystem auf und koordinierte die Aus- und Weiterbildungsaktivitäten von ca. 3000 Mitarbeitern. 1986 stieg er als geschäftsführender Gesellschafter in die Firma Caspar Zeitlinger ein, die auf eine mehr als 400 Jahre dauernde Geschichte zurückblickt.

Ehemals einer der größten Sensenproduzenten der Monarchie, mutierte die Firma nach dem 2. Weltkrieg zu einem Beschlägeerzeuger. Nach seinem Einstieg ins Unternehmen startete er eine intensive Zusammenarbeit mit namhaften Architekten und Designern, verkaufte seine Produkte bald in über 30 Ländern, verdoppelte den Umsatz in fünf Jahren und brauchte die Firma wieder zum Florieren. 1992 entschied er sich nach der Rückkehr von einer der unzähligen Geschäftsreisen für einen schrittweisen Rückzug aus der Firma, forcierte seine seit 1983 auch ausgeübte Tätigkeit als Trainer und Unternehmensberater, gründete das „Institut Wir“ und den Lernpark Micheldorf und verkaufte schließlich Ende der 90er-Jahre die Firma, nachdem er über sieben Jahre einen „würdevollen Abschied von diesem traditionsreichen Familienunternehmen“ inszeniert hatte.

Herr Pfaffenhuemer, wie haben Sie diesen „Abschied von den Ahnen“ inszeniert?

Die Überlegung dahinter ist: Es gibt Menschen, die etwas aufgebaut haben, und solange das keinen Ehrenplatz hat und solange Sie das nicht würdigen, lassen einen die Ahnen energetisch nicht los. Ich habe das damals selber gespürt. Der Casper Zeitlinger war ein großer Unternehmer und hat ein großes Vermögen erwirtschaftet. Er ist 1866 verstorben, hat aber energetisch bis heute die Hand auf der Firma draufgehabt. Ich war der erste, der ihm da einen würdigen Platz geschafft hat.

Begonnen hat es damit, dass wir 1978 auf dem Gelände ein Sensenschmiedemuseum errichtet haben, das die Vergangenheit zeigt, die Wurzeln, und die Entwicklung bis herauf in die Gegenwart. 1998 war dann die oberösterreichische Landesausstellung, wo das Museum eines der Hauptprojekte der Ausstellung war. Zusätzlich den drei Gebäuden des Museums haben wir in den letzten Jahren fünf weitere Gebäude revitalisiert, die nun die unterschiedlichsten Unternehmen beherbergen und schließlich haben wir ihm das Haupthaus gewidmet.

Wie war das genau mit Ihrem Entschluß zur persönlichen Veränderung?

Ich hatte Anfang der 90-er Jahre bereits zwei Kinder und eines Tages bin ich dann einmal von einer Geschäftsreise nach Hause gekommen, und habe gemerkt, dass ich ihre Entwicklung überhaupt nicht mitbekomme. Ich habe dann meine Frau gefragt: Was würdest du sagen, wenn ich morgen nicht nach Tokio fliege? Da ist sie mir weinend um den Hals gefallen. Ich habe mich dann eine Woche zurückgezogen, Bilanz gezogen und überlegt, wies weitergehen soll. Mittlerweile haben wir vier Kinder, ich arbeite einen Bruchteil von früher, bin nicht vier Monate im Jahr im Ausland, sondern ein paar Tage und habe Kunden nicht mehr weltweit sondern im deutschsprachigen Raum.

Die Fragen, die ich mir gestellt habe, waren: Was will ich wirklich für mich und mein Umfeld? Wie schaut die Qualität meines körperlichen und seelischen Befindens aus? Gerade beim eigenen Leben sollte man sinnigerweise über Qualitätssicherung nachdenken.

Wenn man da von einer gesamtheitlichen Sicht spricht, was heißt das dann konkret?

Die Trennung, die viele machen z.B. zwischen geschäftlicher Ebene und persönlicher Ebene, ist eine künstliche. Das entspricht ja nicht dem eigenen Erleben. Als Beispiel: Ein Geschäftsführer eines Top-Unternehmens, der zu mir in die Beratung kam, hatte einerseits ein persönliches Thema. Es hat ihn bedrückt, dass ihn seine Kinder aus erster Ebene nicht mehr wertschätzen. Darüber war er persönlich unglücklich. Auf einer zweiten Ebene hatte er kein klares Ziel, wie er seine Rolle sieht in dem Unternehmen, das an neuen Eigentümer verkauft wurde. Das dritte Thema – dafür wurde ich damals eigentlich geholt - war: Wie motiviert man die Mitarbeiter, damit sie an einem Strang ziehen? Meine Erfahrung ist, wenn die Ebenen unter der Oberfläche nicht zumindest angesprochen werden, wird man zu keiner wirklich tragfähigen Lösung kommen. Wie sehr man dann tiefer darauf eingeht, hängt vom Gesprächspartner ab, aber man sollte diese Ebenen auf jeden Fall sehen.

Die Balance zwischen dem beruflichen und dem persönlichen Weg zu finden, ist eine Aufgabe die jeder Unternehmer, Manager, jede Führungskraft, generell jeder Mensch für sich selber finden muß. Voraussetzung ist aber, dass man sich diese Fragen überhaupt stellt.

Das heißt aber noch nicht, dass man eine Antwort findet, oder?

Auch dazu ein Beispiel: ein Unternehmer, 67 Jahre alt, hat seine Tochter ins Geschäft gestoßen. Nach dem Motto: „Ich will nur das beste für sie“. Durch familientherapeutische Arbeit sind wir draufgekommen, dass sein Vater das mit ihm schon genauso gemacht hat und dass ihn eigentlich nie wirklich gefreut hat, was er macht. Aber er hat es halt brav gemacht. Erschütternd war für mich, als er erzählt hat, wie er manchmal mitten in der Nacht aufwacht und nicht mehr schlafen kann, weil er nachdenkt, wie man was machen soll. Als ich ihn dann gefragt habe: Seit wann machen sie das, hat er gesagt: seit ich das Geschäft mache.

Die Tochter hatte mich damals engagiert. Sie hatte drei Ziele. Zum einen, etwas zu tun was sie freut und als zweites Ziel, aus der Firma auszusteigen, aber in einer wertschätzenden Art und Weise. Drittens wollte sie eine Familie. Nach zwei Jahren war sie aus der Firma raus, ist heute nicht mehr Gesellschafterin, hat inzwischen geheiratet und ein Baby. Das erfüllt mich mit viel Freude.

Ein Lösen von Bisherigem?

Nicht aussteigen, sondern in etwas neues Einsteigen. Gerade ältere Unternehmer schaffen das häufig nicht, wobei da mehrere Dinge zusammenkommen. Einerseits eine Realitätsverwischung auf der rein sachlichen Ebene, ein Verkennen der Marktentwicklung, aber vor allem ist es ein Problem auf der energetischen Ebene: Es gibt eben Menschen, die etwas aufgebaut haben, und wenn man das nicht würdigt, können sie auch nicht loslassen. Dann müssen sie quasi bleiben, als eine Art Garantie, dass das aufrecht bleibt, was sie geschaffen haben. Dann übersehen sie häufig den Zeitpunkt, aufzuhören und verlieren leider häufig wieder alles. Das gilt aber eben nicht nur für Unternehmer, sondern für jeden von uns.

Herr Dr. Pfaffenhuemer, vielen Dank für das Gespräch.

09.2000

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Dr. Johannes Pfaffenhuemer