Sind Sie wirklich zufrieden?

Erich Wanits von der Beratungsfirma "Geffroy & Wanits Clienting Austria" über Kundenzufriedenheit und Kundenbegeisterung.

Herr Wanits, wie gehen Sie konkret vor, wenn ein Unternehmen „kundenorientierter“ werden will?

Die Kernarbeit ist, die Menschen im Unternehmen von der zugrundeliegenden Idee zu begeistern. Wenn das gelingt, beginnt ein starkes Umdenken, weil man die Kunden dann nicht mehr nur als Bezieher von Produkten oder Dienstleistungen sieht, sondern plötzlich den Wunsch verspürt, den Kunden ganz anders zu erforschen und kennenzulernen.. Wir beginnen daher zuerst im Innenleben des Unternehmens und schauen einmal, wie ist das Eigenbild in Bezug auf Kundenorientierung und Kundenbedürfnisse? Dabei machen wir bewußt keine Analysen, da es hier nur zu Verteidigungstiraden kommt, wo jeder versucht, das bisher Getane ganz stark zu rechtfertigen. Statt dessen legen wir einmal fest, wo das Unternehmen seine Zukunft sieht.

Wie geht es dann weiter?

Diese Eigensicht - wir als Unternehmen glauben, so sind unsere Kunden -  ist ja sozusagen ein Sandkastenspiel. Im zweiten Schritt machen wir dann mit Kunden sogenannte Fokusgruppen-Gespräche nach der „Provokativen Therapie“, die von dem Amerikaner Frank Fanelly entwickelt worden ist. Wenn man typischerweise Kunden befragt, ist das Ergebnis oft: „im Grunde eh alles in Ordnung“, „die Leute sind ganz zufrieden“. Also fange ich an, das in Unordnung zu bringen. Ich weiß ja aus den internen Gesprächen die eigenen Schwächen der Organisation und wo sie bei ihren Kunden die Engpässe und Bedürfnisse vermuten. Also spreche ich die Kunden auf die Schwächen der Organisation an und bohre dann nach: Da sind Sie wirklich zufrieden? Da erwarten Sie nicht mehr? Das gefällt Ihnen wirklich? D.h. ich provoziere extrem.

Im Verlauf der Gespräche tauchen durch das provokative Fragen plötzlich Aussagen auf wie: Wenn Sie mich ehrlich fragen....Also wenn Sie es wirklich wissen genau wissen wollen..“ Und siehe da: Alles was zuerst „in Ordnung“ war, ist am Schluß vielleicht doch nicht in Ordnung. Das Spannende ist, die Leute dazu zu bringen, ehrlich und offen über ihre tatsächliche Situation zu reden. Die Unternehmensmitglieder dürfen während dieser Focusrunden nur zuhören, aber kein Wort sagen. Durch meine Provokationen und die unverblümten Antworten ihrer Kunden werden sie natürlich gepeinigt und das ist schwer auszuhalten. Aber ich will ja herauskriegen, was wahr wirklich ist.

Nach den Focusgruppengesprächen setzt man sich wieder zusammen und dann hat das Unternehmen schon ein ganz anderes Bild. Man dachte, es ist so und so und auf einmal ist alles in Frage gestellt. Und dann entwickelt sich im Unternehmen meistens ein ungeheurer Ehrgeiz.

Was kommt nach Kundenfocusgruppen?

Das hängt davon ab, was Sie machen wollen. Die Frage ist, benützen Sie das Gespräch nur dazu, zu erfahren, wo Sie Ihr Produkt, Ihre Leistung verändern und verbessern können oder nützen Sie es, um einmal unabhängig von Ihrem Angebot, die Wünsche, Sehnsüchte und Engpässe der Leute heraus zu hören? Dann werden Sie nämlich merken, dass Ihr Produkt, Ihre Dienstleistung  für den Kunden nur ein Werkzeug ist, das er benützt, um mehr Erfolg oder mehr Lebensqualität zu haben und seine Probleme besser lösen zu können. Wenn Sie sich diese Sichtweise einmal zu eigen gemacht haben, können Sie sich auch fragen: Wie kann ich den Erfolg meiner Kunden noch weiter steigern? Was kann ich noch alles tun? Und dann sind Sie vielleicht plötzlich ganz woanders.

Das Wichtige ist, eine wirkliche Kundenbeziehung zu haben, und die fußt auf Vertrauen, darauf dass der Kunde sieht, dieses Unternehmen interessiert sich wirklich dafür, in welcher Situation ich mich befinde. Kunden schätzen es, wenn sie merken: Das ist jemand, der sich tatsächlich mit mir beschäftigt.

Was passiert nach diesen Schritten mit der eigenen Organisation?

Wir arbeiten von der Methode her so: Vom Hier und Heute gehen wir ins Überübermorgen, dann drehen wir uns um und schauen zurück aufs Heute: Also wenn wir da hinwollen, was müssen wir dann noch machen? So kommen wir nach diversen Zwischenstufen schließlich wieder im Heute an. Dann dreht man sich wieder um und sieht nun die mittlerweile etwas genauere Landkarte in die Zukunft. Und dann stellt man fest, hallo, das spießt sich ja ganz gehörig. Also geht man in die Zukunft und schaut, was müssen wir alles verändern, damit das Realität werden kann.

Der große Vorteil ist, daß die nun auftauchenden Probleme nicht entstanden sind aus der Analyse der Vergangenheit, sondern sie sind ein Engpaß auf dem Weg in die Zukunft. Und die Leute sind 100.000mal bereiter, sich, ihre Einstellung und auch Strukturen zu verändern für etwas, wo sie hinwollen, als für etwas, wo man ihnen bewiesen hat, dass das Gestern falsch war. Kundenorientierung in unserem Sinn heißt, als Unternehmen vom Kunden Orientierung zu holen und ihm gleichzeitig auch Orientierung zu geben, indem ich ihm etwas biete, was ihn in seiner Situation weiterbringt.

05.2000

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