Retail is detail!

Was bedeutet Kundenorientierung bei einer internationalen Einzelhandelskette wie IKEA? Im Gespräch mit Per Wendschlag von IKEA Central Europe.

Was meint Kundenorientierung bei IKEA?

Wir haben unseren Dienst am Kunden strukturiert in die Ebenen:

     

  • SURPRISES an der Spitze
  • NORMS in der Mitte
  • MUSTS als die Basis

 

Auf einer Zeitachse gesehen verändert sich das natürlich. Was heute die Kunden heute begeistert, hat in ein paar Jahren jeder und es wird zur Norm. Die „musts“ sind Hygienefaktoren, darüber braucht man gar nicht reden. Ich sag immer: Retail is detail! Schau erst, dass die Basis stimmt, dann kümmere dich um das Sahnehäubchen, das Wouh! Die wichtigste Frage, ob ich erfolgreich bin oder nicht, heißt für mich: Würdest du dieses Unternehmen an einen Freund weiter empfehlen oder nicht? Wir machen wiederkehrende Kundenbefragungen, wo wir das auch abfragen, und da würden 95% von denen, die uns kennen und besuchen, IKEA weiterempfehlen. Das ist schon ein extrem hoher Wert.

Nun haben Kunden bei Ikea haben doch andere Erwartungen als z.B. bei Wittmann?

Exakt, die Kundenerwartungen gestaltet ja das Unternehmen selbst auch immer mit. Ein Teil des IKEA-Systems ist, dass ich mich selber orientieren kann, selber die Waren auswähle und mitnehme. Ich habe als Kunde den Katalog und kann durch Selbstauswahl meine Entscheidungen treffen.

Die Schlüsselinformationen stecken ja oft in den Gesprächen zwischen Kunden und Mitarbeitern. Wie schafft man es, dass diese Informationen weit genug ins Unternehmen dringen, dass damit etwas passiert.

Ich glaube, in der heutigen Zeit mit dieser Geschwindigkeit, dieser Hektik, ist der persönliche Kontakt des Managements mit den Mitarbeitern das A und O. Wer es heute als Führungskraft schafft, mit den Mitarbeitern normal reden zu können und wer zwischen den Zeilen lesen kann, der kann auch heraushören, was wirklich passiert. Wenn der Manager aber nicht draußen ist im Verkauf, wenn er nicht zuhört, wenn es keine jour fixe gibt, wo über das tägliche Geschäft gesprochen wird, wenn er also die Signale nicht wahrnimmt, dann kann er machen was er will. Ich glaube, wenn man miteinander auf eine unkomplizierte und offene Art umgeht, wenn man keine Angst voreinander hat, sondern ein faires Verhältnis, dann erfährt man auch viel mehr. Und ich glaube schon, dass wir in Summe gesehen bei Ikea auch mehr erfahren und auch ein bißchen mehr zuhören als andere Unternehmen.

d.h. Sie gehen über die Unternehmenskultur...?

Genau. Nur Regeln einzurichten, das funktioniert nicht. Die Struktur haben viele, aber das Schmiermittel für das ganze ist, daß ich mich ja mit den Leuten hinsetzen und reden muß. Ich muß bei Problemen herausfinden, warum ist das so? Und dazu muß ich die Leute fragen: Was glaubst Du denn? Was hast Du für eine Idee, wie müssen wir das jetzt machen? Dann kriegt die Sache Energie und dann passiert auch was. Das Entscheidende passiert ja jeden Tag in dem Kontakt mit dem Kunden. Das sehe ich ja nicht direkt. Ich will ja sicher sein, dass, wenn ich einem Mitarbeiter den Rücken kehre, er das immer noch etwas sagt und tut, das positiv ist für Ikea. Das tut er nur, wenn ich ihn fair behandle und ihm zuhöre und er stolz auf sein Unternehmen ist. Kundenorientierung ohne Mitarbeiterorientierung geht nicht, da lügen sich die Leute in den Sack!

Ein anderer entscheidender Satz ist: im Zweifelsfall für den Kunden! Man darf dann aber auch keinen Mitarbeiter zusammen putzen, wenn er das macht. Man braucht z.B. auch keine „Garantie“, denn wenn ein Produkt einen Qualitätsfehler hat, muss man es immer zurücknehmen. Aber was machen die meisten Firmen? Sie fragen den Kunden: Haben Sie eine Rechnung? Wann haben Sie es gekauft? Das ist doch Quatsch!

Wie verhalten sich Kundenerwartungen und Kosten zueinander?

Die meisten Händler geben ungefähr 5% vom Umsatz für Werbung aus. Das wären bei uns ca. 200 Mio. Schilling. Wenn man da nur 1 Prozent weniger für Werbung ausgibt, sind das 40 Mio. Schilling. Für dieses Geld kann man schon sehr, sehr viele Waren zurücknehmen. Und eine unkomplizierte Rücknahme, wo der Kunde erleichtert und zufrieden ist, hat garantiert mehr Effekt als 5 Ikea-Inserate. Aber da habe ich auch am Anfang mit den Leuten gekämpft, bis sich dieses Denken durchgesetzt hat. Viele Unternehmen stellen das System auf den Kopf und reden stundenlang über die Werbung. Aber dort spielt es sich nicht ab. Sie investieren nicht unten an der Basis, sondern an der Spitze in die Werbung.

Was kann man nun tun, um ein Unternehmen kundenorientierter zu machen?

Mit dem was ich gelernt habe in den letzten Jahren, würde ich zuerst einmal schauen, dass ich Meßkriterien habe für den Puls bei den Mitarbeitern: wie ist die Stimmung, wie sehen sie den Vorgesetzten, die Arbeitsaufgaben, bekommen sie Feedback, werden sie ernst genommen? Das ist ein ganz wesentlicher Punkt. Dann würde ich regelmäßig Kundenbefragungen machen und zwar so, dass sie über die Zeit vergleichbar sind, und dann drittens: Mache dir als Manager ein eigenes Bild. Sei draußen, hör zu, gehe durch das Haus, rede mit Kunden, mit Freunden. Man hört, was los ist, es ist nur eine Frage, wie offen du bist. Wenn man präsent ist, kriegt man schon seine Strategie. Dazu kommt noch der Puzzlestein: Was ist deine Geschäftsidee? Wofür steht das Unternehmen? Produkte durch Selbstauswahl. Das muss in Relation stehen zu dem was wir tun.

Vielen Dank für das Gespräch.

05.2000

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Per Wendschlag, IKEA