Breche die Regeln: Sei kundenorientiert!

Warum tun sich Unternehmen eigentlich so schwer, tatsächlich kundenorientiert zu agieren? Vor allem deswegen, weil sie häufig aufgrund falscher Annahmen untaugliche Maßnahmen setzen.

Annahme: Wir kennen unsere Kunden

Falsch, viele Unternehmen kennen die Namen ihre Kunden und ein paar weitere Daten, allenfalls haben sie in ihren PCs eine „history“ mit bisherigen Kontakten und Bestellungen. Über die konkrete Situation und Werte ihrer Kunden haben sie so gut wie keine Informationen, und wenn, dann meistens aus zweiter Hand durch Befragungen, Marktforschungsstudien, etc. Die naheliegende und beste Form der Marktforschung durch die eigenen Manager und Mitarbeiter findet nicht statt. Ebenso wenig wie Kundenkonferenzen, die eine höchst effektive Möglichkeit darstellen, ungeschminkt Rückmeldungen über die Sicht der Kunden zu bekommen, die sich - wenig überraschend - nur selten mit der Eigensicht der Unternehmen deckt. Um so wertvoller wäre sie.

Annahme: Manager haben ein Gespür für den Markt

Je größer das Unternehmen, desto weniger trifft das zu. Viele Manager haben auf dem Weg nach oben alles andere im Blick als den Kunden und verlieren so sukzessive das Gespür für den Markt. Sie haben allenfalls sporadisch Kundenkontakt und die zwei, drei ausgewählten Top-Kunden, mit denen sich vorzüglich speisen läßt, reichen als direkter Draht zum Kunden nicht aus. Je mehr die Manager aber an dieser Annahme festhalten, desto größer ist die Gefahr, Marktinformationen falsch zu interpretieren und irgendwelchen gerade verkündeten „Megatrends“ mehr zu glauben als dem Instinkt der „Subalternen“.

Annahme: Der Kunde ist König

Quatsch, die Manager sind König. Sie definieren ihren Markt, d.h. die Zielgruppe, das Angebot und die Art und Weise der Leistungserstellung.

Annahme: Kundenorientierung ist nur eine Frage der Einstellung

Falsch, so wichtig die passende „Denke“ auch ist, genauso wichtig sind damit in Einklang stehendes Führungsverhalten und unterstützende Systeme, die den Mitarbeitern erst die Möglichkeit bieten, tatsächlich im Interesse des Kunden zu handeln. Aber Hand aufs Herz: Wer gewinnt denn im Alltag, wenn der Wunsch eines Kunden in Konflikt gerät mit internen Regeln und Standards, über deren Strukturierung ja das Management entscheidet? Eben! Damit einher geht die Tatsache, dass diejenigen Mitarbeiter, die tagtäglich am point of sale über Wohl und Wehe der Firma entscheiden, in aller Regel die am schlechtesten bezahlten Mitarbeiter des Unternehmens sind.

Annahme: Je serviceorientierter, desto kundenorientierter

Ein extrem teure Fehleinschätzung. Manchmal ist weniger oder kein Service kundenorientierter als viel Service. Denn entscheidend sind die zentralen Erwartungen der Kunden. So ist z.B. die Firma Aldi aus Sicht der Kunden extrem kundenorientiert, da sie sich auf die zentrale Erwartung „frische und qualitativ gute Waren zum geringst möglichen Preis“ konzentriert und dafür „aus Sicht der Kunden“ unnötige Serviceelemente wegläßt. DieFrage, wieviel Service ein Unternehmen seinen Kunden bieten muß, kann also nicht losgelöst von der Zielgruppe und ihren vorrangigen Bedürfnissen beantwortet werden.

Annahme: Wir haben ein gutes Service

Ein weiterer häufiger Denkfehler: Vieles, was von Unternehmen als „Service“ angesehen und bezeichnet wird, ist aus Sicht der Kunden schlicht Bestandteil der angebotenen Leistung. D.h. für den Kunden sind Kernprodukt und damit verbundene Dienstleistungen nur zwei Bestandteile der angebotenen Leistung und werden daher als Einheit erfahren. Welcher „Teil“ der vereinbarten und Bezahlten Leistung dann möglicherweise nicht erwartungsgemäß erbracht wird, spielt dabei keine Rolle, das Leistungsversprechen wurde nicht erfüllt. Basta. Als „besonderen Service“ erlebt ein Kunde somit nur das, was über die erwartete Leistung hinausgeht.

Annahme: Schneller, schlanker, flexibler, alles  im Dienst des Kunden

Falsch. Viele Veränderungsmaßnahmen der letzten Jahre halfen zwar den Unternehmen Kosten zu sparen, für den Kunden bedeuteten sie aber oft genug eine Verschlechterung. So verringerten viele der Einsparungsmaßnahmen die Möglichkeiten der Kunden, persönlichen Kontakt mit der Firma aufzunehmen: statt auf mit der Zeit vertraute Servicemitarbeiter tritt man nun auf Hotlines samt Endlos-Warteschleifen und bei jedem Anruf anderen Call-Center-Mitarbeitern, denen das Problem dann jedesmal wieder von neuem geschildert werden muß; so erfährt man das als Kunde die „Verbesserungen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit“ als schlechtere Betreuung, längere Wartezeiten, schleppende Abwicklung, mangelndes Eingehen auf Extrawünsche oder spezielle Probleme, mehr Technik zwischen Kunden und Firma als Ersatz für persönlichen Kontakt, etc. Und was tun die Unternehmen, denen das nicht verborgen bleibt? Sie verschicken Kundenmagazine, die beschreiben, „welche neuen Produkte für Sie entwickelt wurden, um Ihnen künftig noch mehr Service bieten zu können.“

05.2000

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: