"Coaching erweitert das Spektrum"

Ernst Rabl, ehemaliger Stadtdirektor der Erste-Bank über seine Erfahrungen mit Coaching für Führungskräfte.

Herr Rabl, wie kamen Sie überhaupt mit dem Thema Coaching in Berührung?

Die Ursprünge gehen etwas weiter zurück. Ich habe als Regionalleiter mit den mir unterstellten Filialleitern immer schon regelmäßige Besprechungen gemacht. Allerdings war ich mit diesen Besprechungen sehr unzufrieden. Ich habe mich dann an ein Seminar aus den 70er-Jahren erinnert, ein Gruppendynamik-Seminar mit Kurt Buchinger und Rudi Wimmer und darauf mit Herrn Katzenberger aus der Schulungsabeilung geredet, ob man nicht einen der zwei kontaktieren könnte, ich würde denen gerne mein Problem schildern. Das kam Zustande und in der Folge habe ich dann mit Kurt Buchinger eineinhalb Jahre an der Veränderung unserer Besprechungen gearbeitet. Im Zuge dieser Arbeit hat er uns in die Gedankenwelt der Supervision eingeführt.

In der Folge habe ich dann von das Buch von Wolfgang Looss über Coaching gekauft, was meine Neugierde weiter angestachelt hat. Kurze Zeit später wurde mein ehemaliger Vorgesetzter pensioniert und plötzlich hat es geheißen, der macht jetzt Coaching. Er hatte einen Kurs beim Dr. Buchinger gemacht und ich bekam die Gelegenheit, mich von ihm coachen zu lassen. Da habe ich das erstmals selbst erlebt und am eigenen Leib erfahren, wie das ist, wenn man einem Coach erzählt, was einen beruflich gerade beschäftigt und allein durch das Aussprechen und angeregt durch die Fragen auf tausend neue Gedanken kommt. Ich habe das als sehr befruchtend empfunden.

Wann war das ungefähr?

Das war um 1995, die Firma hat das damals gezahlt. Das waren meines Wissens nach die ersten Versuche in Richtung Coaching in der Erste-Bank. Als die GiroCredit zu uns gekommen ist, hat sich dann gezeigt, dass die bei dem Thema Coaching schon wesentlich weiter waren.

Jetzt war Coaching, wie Sie damit begonnen haben, noch ziemlich tabuisiert......

Das ist es heute noch.

Warum eigentlich?

Ich glaube, das hat mit dem in den Unternehmen noch vorherrschenden hierarchisch geprägten Führungs- und Steuerungsverständnis zu tun. Aber das hört sich immer mehr auf, weil die Leute angesichts der ständigen Veränderungen damit zunehmend überfordert sind. Man kann heute nicht mehr alles wissen, immer den Überblick haben, überall der Experte sein. Das bedeutet dann aber das Eingeständnis, ich weiß es nur teilweise, ich muss mich weiterentwickeln, speziell in der Führung und die Ressourcen der Mitarbeiter besser ausschöpfen. Trotzdem wird heute in vielen Bereichen so geführt wie damals als ich angefangen habe. Immer noch nach Vorstellungen wie „nichts gesagt ist genug gelobt“.

Wie war dann die Reaktion der Kollegen und Vorgesetzen, als Sie begonnen haben, sich coachen zu lassen?

Man galt natürlich als Weichei. Es gab ja in den Firmen nach wie vor genug Hardliner, die mit leiser Stimme kundtaten. „Wir wissen wie es geht. Es gibt Menschen die führen und solche die geführt werden müssen. Und wir gehören zu den Führern. Teamentwicklung und diese ganzen Dinge, das sind nur Ausflüchte für die, die sich nicht trauen, den Leuten klar zu sagen, was sie machen müssen.“ Das ist in den letzten Jahren aufgeweicht worden, aber noch lange nicht verschwunden.

Coaching setzt sich nach wie vor nicht breitflächig durch....

Ja, das erlebe ich auch so. Unter anderem deswegen, weil es nur bedingt Vorbildfunktionen gibt. Denn wenn Hierarchen, also Leute ganz oben, sich coachen lassen, dann erfährt man es höchstens unter der Hand, was schade ist. Denn das wären natürlich Signale, die toll wären, dann wäre das Tabu endlich durchbrochen. Selbst bei uns ist es so, dass das Coaching für die Möglichkeiten, die in unserem Unternehmen geboten werden, noch nicht wirklich weit verbreitet ist. Ein nicht unwesentlicher Teil der Gecoachten, glaube ich, kommt aus meinem Bereich.

Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, dass ich mich coachen lasse, schon allein deswegen, um als Vorbild für meine Filialleiter fungieren zu können. Ich hab jedem gesagt, Coaching ist eine Riesenmöglichkeit, sein Spektrum zu erweitern und gerade wenn einer eine Position neu übernimmt, empfehle ich jedem in der Anfangsphase, diese Möglichkeit zu nutzen. Zudem coache ich seit 5 Jahren Führungskräfte einer deutschen Sparkassa und kenne dadurch das Thema von beiden Seiten.

Welche Themen eignen sich besonders fürs Coaching?

Ich glaube, dass z.B. die Übernahme einer ersten Führungsfunktion sehr gut geeignet ist für Coaching. Und wenn man mit Veränderungsprozessen konfrontiert ist und Visionen hat, was man verändern möchte, kann es ebenfalls sehr hilfreich sein, sich coachen zu lassen. Denn wenn man diese Bilder anderen darlegen möchte, die vielleicht in einer ganz anderen gedanklichen Welt unterwegs sind, dann ist es extrem hilfreich, mit Hilfe eines Coaches noch einmal ganz anders draufzuschauen, als man es bisher gemacht hat. Das erhöht die Chance enorm, dass man seinen Leuten das vermitteln kann, was man vermitteln wollte.

Das befreiende am Coaching ist ja, dass man - anders als viele Leute denken oder befürchten - nicht nur von Problemen redet sondern genauso auch von den eigenen Visionen, den eigenen Zielen, Wünschen und Bedürfnissen und man da viele neue Ideen und viel neue und vor allem positive Energie schöpfen kann. Es ist eine der seltenen Möglichkeiten, dass eine Führungskraft ehrlich sagen kann was sie bedrückt und wo sie sich nicht raussieht, ohne gleich mit Ratschlägen oder Belehrungen eingedeckt zu werden.

Wie schätzen Sie den status quo ein in bezug auf Coaching?

Eine wirklich breite Basis für das Coachen von Führungskräften gibt es immer noch nicht. Aber - das muss man auch sagen - es gibt schon eine wesentlich breitere Basis als noch vor 10 oder vor 5 Jahren. Wichtig erscheint mir die Frage, wie ich Coaching im Unternehmen ankündige. Wenn ich den Managern sage, das ist ein Ort, wo ihr eure Probleme lösen könnt, dann ist es schon vom Selbstverständnis einer typischen Führungskraft klar, dass das Coaching gemieden wird, denn „Führungskräfte haben ja keine Probleme“. Wenn ich aber von einem Ort rede, wo ich mit einem neutralen, kompetenten Gesprächspartner meine Rolle und Funktion als Führungskraft professionell bereden kann, dann ist das schon weit weniger bedrohlich.

An einem der Hauptprobleme ändert aber auch das nichts: In der Mitte der Hierarchie anzufangen ist eben immer extrem schwierig. Da braucht man als Führungskraft schon sehr viel Überzeugung, dass das der richtige Weg ist, damit man es durchhält, ihn gegen alle Anfeindungen und Unterstellungen („ein Spinner“, „ein Schwächling und Softie, der sich nicht durchsetzen kann“) zu verteidigen. Wahrscheinlich braucht man auch eine gewisse Sturheit.

Herr Rabl, vielen Dank für das Gespräch.

10.2001

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