Was meint lösungsorientiert?

Lösungsorientierung ist ein positiver, die Fähigkeiten betonender Zugang, um Probleme zu lösen. Er basiert auf dem geistigen Erbe von Milton H. Erickson und wurde u.a. vom Mental Research Institute in Palo Alto (Watzlawick, Weakland, Fisch) und im Brief Family Therapy Center in Milwaukee, Wisconsin, (Steve De Shazer, Insoo Kim Berg) in den USA entwickelt.

Zentrale Idee dieser Ansätze ist, dass die versuchte Lösung eines Problems damit zusammen hängt, wie man das Problem definiert und erklärt. Daraus folgt: Ein Wandel in der Art und Weise, über Probleme zu denken, kann eine drastische Änderung in der Art und Weise hervorrufen, wie man sie zu lösen versucht. Einige Beispiele:

Wie betrachtet man die Vergangenheit?

Der Ansatz der Lösungsorientierung stellt viele unserer tiefsitzenden Annahmen radikal in Frage. Vor allem geht er der Frage nach, welche Konsequenzen in Bezug auf das Aufrechterhalten oder Lösen von Problemen bestimmte Ansichten haben. So herrscht in der Psychologie und Psychiatrie seit Jahrzehnten die Meinung vor, die Ursachen seelischer Probleme seien in der Kindheit zu suchen. Diese Ansicht hat beträchtliche Auswirkungen auf das Verhalten des Therapeuten ebenso wie auf das Denken und Verhalten des Klienten, die dadurch dazu neigen, aktuelle Probleme auf lange vergangene negative Erfahrungen zu beziehen und darob in Resignation zu verfallen. Genauso kann man die Vergangenheit aber auch als Kraftpotential betrachten, als Vorrat an guten und schlechten Erinnerungen und als Quelle der Weisheit, die sich aus den Lebenserfahrungen speist. Auch in Unternehmen wird oft die Vergangenheit verantwortlich gemacht für aktuelle Probleme. Hätten wir damals nicht.....Begonnen hat das Ganze, als......... Die Ursache unserer heutigen Probleme liegt schon länger zurück, als nämlich....

Eine hilfreiche Frage ist in diesem Zusammenhang: "Wenn es eine Möglichkeit gäbe, herauszufinden, ob Ihre Vergangenheit mit Ihren aktuellen Schwierigkeiten zu tun hat und es würde sich herausstellen, dass Ihre Schwierigkeiten nicht mit Ihrer Vergangenheit zu tun haben, würden Sie Ihr Problem dann anders angehen?"

Worte sind nicht unschuldig

Namen, Etiketten und diagnostische Begriffe sind nicht einfach nur unschuldige Bezeichnungen, sondern sie sind immer geprägt von zugrundeliegenden Glaubenssätzen und Vermutungen über die Natur des Problems. So ist "Depression" ein üblicherweise verwendeter Ausdruck, wenn eine Situation beschrieben werden soll, in der der "Patient" das Leben aus einem pessimistischen Blickwinkel sieht und ihm die Energie fehlt, etwas zu unternehmen. Es gibt aber auch eine Menge weniger entmutigender Bezeichnungen, mit denen diese Art Problem beschrieben werden kann. Z.B: "ein Tief haben", "zur Zeit nicht ganz am Damm sein", oder schöpferischer Beschreibungen wie "sich Zeit für eine Bestandsaufnahme nehmen" oder "Energie tanken". Gerade psychologische Ausdrücke suggerieren häufig, dass die damit bezeichneten Probleme tiefsitzend, hartnäckig und schwierig zu lösen seien. Die Frage ist, verwendet man als Therapeut, Berater, Manager eine Sprache, die auf die Möglichkeiten des Menschen oder eine, die auf sein Versagen abhebt?

Hilfreiche Erklärungen

Die Erklärungen, die wir für ein Problem finden, legen uns im Blick auf die zu seiner Lösung geeigneten Maßnahmen bereits weitgehend fest. Wird das Problem eines Mitarbeiters mit Dysfuntkionen innerhalb des Teams erklärt, dann folgt daraus automatisch, dass sich die Lösung auf das Beheben der Dysfunktionen beziehen wird. Wenn man, wie in bestimmten außereuropäischen Kulturen annimmt, dass gewisse Probleme von verärgerten Vorfahren verursacht werden, wird man sich folgerichtig daran machen, den Geist der Ahnen wieder zu versöhnen.

So sind also die Art und Weise, Probleme zu erklären, und die Maßnahmen, die wir dann zu ihrer Lösung ergreifen, eng miteinander verknüpft. Daraus folgt: Unterschiedliche Deutungen rufen unterschiedliche emotionale Reaktionen hervor und manche sind besser als andere geeignet, die Zusammenarbeit zu fördern und so zur Lösung des Problems beizutragen. Es kann also Sinn machen, in der Gruppe eine Liste möglicher (durchaus auch abstruser, unwahrscheinlicher) Erklärungen zu erarbeiten und in Hinblick auf ihre Konsequenzen näher zu untersuchen.

Probleme trennen

Therapeuten genauso wie Berater genauso wie Manager neigen zu der Annahme, das präsentierte Problem sei irgendwie mit anderen Problemen verknüpft. Schon die Art, wie die einzelnen Probleme miteinander verknüpft werden, kann sich zum Guten wie zum Schlechten darauf auswirken, ob und wie eine Lösung zustande kommt. Geht man lösungsorientiert auf Probleme zu, hält man sich damit zurück, Kausalbeziehungen zwischen verschiedenen Problemen zu vermuten. Dadurch ergeben sich neue, andere Lösungsansätze. Man könnte fragen: "Sie scheinen gegenwärtig mehrere Probleme zu haben. Ist es in Ordnung, wenn wir uns zuerst auf dieses eine Problem konzentrieren und uns die anderen dann später ansehen, wenn es nötig ist?" Oder: "Es gibt einige Probleme, die Sie angesprochen haben. Welches davon möchten Sie zuerst lösen?"

Ursache oder Wirkung?

Auch das Vertauschen von Ursache und Wirkung kann zu neuen Erkenntnissen darüber führen, wie man ein Problem in Angriff nehmen kann. So geht man zum Beispiel häufig davon aus, dass mangelnde Selbstachtung diverse Probleme verursachen kann. Die umgekehrte Sichtweise, dass Probleme zu einer Verringerung der Selbstachtung führen können, ist ebenso plausibel, verlangt aber einen ganz anderen Ansatz. Nach dem gleichen Prinzip wird es als Symptom der Schizophrenie betrachtet, wenn ein Patient halluzinatorische Stimmen hört, genauso könnte man Schizophrenie aber auch als eine Reaktion auf halluzinatorische Stimmen ansehen.

Anerkennung statt Beschuldigung

Zugänge zur Lösung zwischenmenschlicher Probleme beruhen traditionell auf der Vorstellung ihrer genauen Analyse, damit eine Lösung gefunden werden kann. Der Nachteil dieses Zugangs ist, dass er beinahe unvermeidlich Erklärungen schafft, welche dazu tendieren, Schuld zuzuweisen. Die meisten von uns erleben Erklärungen, die uns beschuldigen, als ungerechtfertigte Anklagen. Wir kränken und verteidigen uns und versuchen die Schuld jemandem anders zuzuschieben. Die daraus resultierende Atmosphäre erstickt Zusammenarbeit, beeinträchtigt die Kreativität eines Teams und vermindert Energie und Begeisterung, die der anstehenden Arbeit sonst zur Verfügung stünden.

Lösungsorientierung ist hier insofern anders, als sie den Blick darauf richtet, was funktioniert anstatt darauf, was nicht funktioniert. Die Betonung liegt auf der Zukunft anstatt der Vergangenheit, auf Ressourcen, Fortschritten und Erfolg anstatt auf Versagen.

Fortschritte, auch noch so kleine, ermöglichen es auch, darauf zu schauen, wer zu diesen Änderungen beigetragen hat. Dieser Blickwinkel begünstigt Respekt und Dankbarkeit. Man könnte fragen: "Angenommen, Sie wollten allen Menschen danken, die Ihnen bisher geholfen haben, wer wäre das und was würden Sie jedem erzählen? Welches Verhalten Ihrer Umwelt war hilfreich für Sie? Wodurch wurde es möglich? Was haben Ihre Kollegen gemacht, was Ihr Vorgesetzter, wer war noch daran beteiligt?" (Manchmal können selbst negative Erfahrungen mit einer Person helfen, das Problem zu lösen).

Bei der Lösungsorietierung geht es also nicht darum, Schwierigkeiten auszublenden oder schönzureden, es geht darum, sie in einem konstruktiven Zusammenhang zu sehen.

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