Raum zum Spinnen

Innovation basiert auf einer gänzlich anderen Logik als das Tagesgeschäft und benötigt daher zu ihrer Entfaltung eigene Räume.

Innovation folgt - im Vergleich zum Tagesgeschäft - einer ganz anderen Logik, sowohl hinsichtlich der Logik der Zahlen (langfristige Potentiale statt kurzfristiger Kostenminimierung und Gewinn) als auch hinsichtlich der Logik der Gefühle (Aufbruchstimmung, spielerische Neugier, Risikobereitschaft statt Sorgen, Ängsten, aber auch Aggressionen bei harten Schnitten). Dazu gehört, sich zu öffnen - die Wahrnehmungsbarrieren der Alltagsroutinen aus dem Tagesgeschäft hinter sich zu lassen - und radikal Neues zu denken, zu erproben, weiterzuentwickeln und schließlich in der Fläche umzusetzen.

Innovation braucht als Basis das Gefühl von Freude und Lust. Wer Angst hat, zornig ist oder Trauer empfindet, ist nicht kreativ. Affektive Grundstimmungen durchlaufen - wenn auch mit unterschiedlichen situations- und persönlichkeitsbezogenen Variationen - die Spirale der Grundgefühle von Interesse, über Angst, Aggression, Trauer bis hin zu lustvoller Entspannung. Erst das Freude-Gefühl ("hin zu") öffnet und weitet. Dieses Grundgefühl drückt Verbindung zum Ganzen aus und ermöglicht die "Hingabe" an das Thema, eine spielerische Haltung, präsentes Erleben und Zuversicht in die Zukunft. Auch Selbstvergessenheit ist ein Aspekt dabei. Freude als Grundstimmung ist gemeinschaftsbildend. Daher ist es eine Voraussetzung für Innovation im Sinn eines öffnenden und kreativen Prozesses, zeitliche und soziale Räume zu schaffen, wo dieses Grundgefühl Platz hat ("abseits vom extremen Druck des Tagesgeschäfts").

Kreative Lösungen beruhen auf lustvoller Entspannung - die mehr ist als nur Begleit- oder Folgeerscheinung einer geglückten Entdeckung. Intensive, inhaltliche Arbeit als Einzelner und Team ist die Voraussetzung für den Erfolg, aber nach Konzentrationsphasen gilt es dann, wieder gänzlich "abzuschalten" und etwas anderes zu tun. Einerseits körperliches, spielerisches Entspannen, ebenso aber auch das Verlangsamen des psychischen Tempos (z.B. Bahn statt Flug, Gehen statt Auto, noch deutlicher durch Meditation, Schlafen oder Still sein).

In einem grundlegenden Modell kann man folgende Hauptphasen des Kreativitätsprozesses unterscheiden:

Herausforderung Fokussierung des Themas, Entscheidung zum Start
Vorbereitung Grübeln, lange, problematisierende Arbeit
Inkubation Wartestellung, Schmoren
Eingebung/Illumination oft bei „Ablenkung“ (aufmerksame Gelassenheit, z.B. bei motorischer Tätigkeit)
Prüfung/Verifizierung sehr emotionale Phase, Machbarkeitszweifel
Ausarbeitung / Veröffentlichung Erleichterung, Abschluss des Prozesses

Die Phasen erscheinen logisch und selbstverständlich. Wenn Sie diese Phasen jedoch an der Realität vieler Organisationen spiegeln, erkennen Sie, dass wichtige Abschnitte des Kreativitätsprozesses eigentlich nicht "erlaubt" oder sogar verpönt sind. Innovative Lösungen werden typischer Weise "geplant" und "zielorientiert festgelegt", aber die wenigsten Projektmodelle sehen zum Beispiel Phasen der Inkubation vor. Für Manager, die die persönliche Kreativität ihrer Mitarbeiter stärken wollen, liegt daher in der Gestaltung des geeigneten Umfelds ein wesentlicher Hebel.

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