Erfolgreiche Innovatoren agieren anders

Wie werden Innovationen professionell gemanagt und zum Erfolg geführt? Die wichtigsten Erkenntnisse der aufschlussreichen Studie „InnovationsKompass“ kurz zusammengefasst.

Die Untersuchung bestand aus zwei Teilen: In einer Breitenuntersuchung wurden 342 kleinere und mittlere innovative Unternehmen via Internet befragt. Auf Basis dieser Daten ergaben sich unterschiedliche Innovationsstrategietypen und Muster eines erfolgreichen Innovationsmanagements. In einer Tiefenuntersuchung mit ca. 100 mittleren und großen Unternehmen wurden die eingesetzten Managementansätze ausführlich diskutiert.

Dabei wurden drei Innovationsmaße zugrunde gelegt:

  • Der Technologieinnovationsgrad beschreibt die Leistungsfähigkeit der neuen Technologie, die hauptsächlich hinter der Innovation steht und bisher eingesetzte Technologien verdrängt. 
  • Der Marktinnovationsgrad beschreibt den neu geschaffenen Nutzen, den die Innovation dem Kunden bietet, den Einfluss auf die Marktposition des Unternehmens und das Ausmaß der Neuartigkeit für den Kunden, gemessen an dessen Einstellungs- und Verhaltensänderungen. 
  • Der Organisationsinnovationsgrad beschreibt die internen Veränderungsprozesse, die zur Umsetzung der Innovation im Unternehmen notwendig sind. Hierzu gehören Veränderungen von Strategien, Kompetenzen und Prozessen.

 Mit Hilfe dieser Innovationsmaße gelang es in einer Clusteranalyse, fünf spezifische „Innovatoren-Typen“ zu identifizieren, die sich in ihren Innovationsstrategien klar voneinander unterscheiden: 

  • Die "rundum hoch Innovativen" zeichnen sich durch einen außerordentlich hohen Innovationsgrad in allen drei Innovationsdimensionen aus. Ihre Innovationen sind bestehenden Technologien klar überlegen. Zur Umsetzung der Innovation sind weitreichende unternehmensinterne Veränderungsprozesse und ein erheblicher Aufbau neuer Qualifikationen im Unternehmen notwendig. Diese organisatorischen Maßnahmen gehen meist mit einer Neuausrichtung der Unternehmensstrategie einher.
  • Innovationen der "etablierten Innovatoren" haben einen ähnlich hohen technologischen Innovationsgrad und Marktinnovationsgrad wie die der "rundum hoch Innovativen". Im Zusammenhang mit der Umsetzung von Innovationen weisen sie jedoch wesentlich weniger Veränderungen hinsichtlich Unternehmensstrategie, Struktur und Kultur auf. Die etablierten Innovatoren haben Erfahrung im Umgang mit den Anforderungen, die ein sorgfältiges Innovationsmanagement stellt.
  • Die "technologisch Innovativen" verfügen in technologischer Hinsicht über eine ebenso hohe Innovationskraft wie die ersten beiden Gruppen. Markt- und Organisations-Innovationsgrad fallen jedoch deutlich geringer aus. 
  • Obwohl die Entwicklungen von "Konservativen" nur einen geringen technologischen Innovationsgrad aufweisen und keinen neuen Kundennutzen schaffen, versprechen sich Unternehmen dieses Typs von ihren Innovationen eine Verbesserung ihrer Marktposition.  Organisatorisch entwickeln sich die "rundum Konservativen" nur geringfügig weiter. 
  • Die Gruppe der "durchschnittlichen Innovatoren" zeigt keine besonderen Ausprägungen in den einzelnen Innovationsmaßen. Stattdessen weisen Unternehmen dieses Typs gleichmäßige Innovationsaktivitäten in den Bereichen Technologie, Markt und Organisation auf.

Was sagt nun die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Innovatortyp über den Erfolg aus? Bei den ersten drei Innovationstypen liegt der Umsatzanteil von neuen oder merklich verbesserten Produkten, die in den letzten zwei Jahren auf den Markt gebracht wurden, zwischen 38% und 47%. Konservative Innovatoren erreichen lediglich einen Anteil von 20%. In der Tiefenuntersuchung wurden die Erfolgsfaktoren im Innovationsmanagement nach den sechs Kategorien Strategie, Organisation, Team, Prozess-Steuerung, Kultur und Außenorientierung detailliert untersucht. Im Folgenden die durchaus überraschenden Kernergebnisse der Untersuchung je Kategorie:

Strategie

Die erfolgreicheren Unternehmen konzentrieren sich schon bei der Suche nach neuen Technologien stärker auf die von ihnen bereits bearbeiteten Technologien. Sie suchen deutlich weniger nach neuen Technologien in thematisch verwandten Gebieten oder in Technologiefeldern, die für das Unternehmen völlig neu wären. Die weniger erfolgreichen Unternehmen versuchen dagegen vergleichsweise häufig, in für sie ganz unbekannten Feldern neue Technologien aufzuspüren. Der Markterfolg stellt sich nicht allein auf Grund eines großen Marktvolumens und der Anwendungsbreite einer Technologie ein. Er resultiert vielmehr aus der Überlegenheit der neuen Technologie gegenüber den bisherigen Lösungen der Wettbewerber. 

Neben den Schlüsselkunden sind – besonders bei Vorhaben mit sehr hohem Innovationsgrad – Experten als Quelle neuer Informationen wichtig. Sie sind in dieser Situation prädestiniert, dem Unternehmen neue und überraschende Informationen über innovationsrelevante Markt- und Technologiegegebenheiten zu erschließen. Erfolgreiche Unternehmen nutzen gezielt ihre Marktpartner wie Lieferanten, Komplementärdienstleister und Vertriebspartner, die durch ihre Geschäftsbeziehungen auch zu Wettbewerbern des betreffenden Unternehmens über hervorragende und detaillierte Informationen verfügen. Marktpartner können also wettbewerbsrelevante Informationen liefern, ohne dass kritisches Wissen über das Innovationsprojekt abfließt.

Organisation

Unternehmen, die hoch innovative Projekte durchführen möchten, können eine ganze Reihe von organisatorischen Gestaltungsmöglichkeiten nutzen: Sie können z.B. ihre radikalen Innovationsprojekte eng an die Linienorganisation binden, um den Informations- und Ressourcenfluss zum Projekt flexibel zu gestalten. Oder sie können die Projekte möglichst weit vom Tagesgeschäft entfernen, um maximalen Freiraum zu gewährleisten. Überraschender Weise belässt die deutliche Mehrzahl der erfolgreichen Unternehmen (82%)  ihre Innovationsprojekte in der Linie und wählt nur in seltenen Fällen eine eigene, unabhängige Organisationsform für ihre Projekte, während die weniger erfolgreichen Unternehmen ihre Projekte in 45% der Fälle ausgliedern und für eine Trennung von der Linienorganisation sorgen.

Team

In einem Team, das sich mit einem hoch innovativen Projekt befasst, müssen die Teammitglieder intensiv interagieren, wenn sie ihre Projektziele erreichen wollen. Erfolgreiche Unternehmen wissen das und legen ihre Teams deutlich häufiger an einem Ort zusammen als weniger erfolgreiche Unternehmen. 

Auch die Entwicklung der Teamgröße unterscheidet sich bei erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen. Erfolgreiche Unternehmen starten mit kleineren Teams und bauen diese von Phase zu Phase dynamischer auf. Insbesondere von Phase zwei – der eigentlichen Produktentwicklung – zur Phase drei, in der zukünftige Routineprozesse wie Markterschließung und Produktionsvorbereitung im Vordergrund stehen, bauen die erfolgreichen Unternehmen ihr Team stärker aus: Im Schnitt versechsfachen sie die Größe des Kernteams aus Phase eins (Initiative/Forschung).

Erfolgreiche Unternehmen achten außerdem mehr auf Kontinuität in der Teambesetzung. Grundsätzlich bleibt in erfolgreichen Teams eine größere Anzahl der Teammitglieder aus Phase eins auch in späteren Projektphasen aktiv. Weniger erfolgreiche Unternehmen erreichen diese personelle Kontinuität nicht:  Ihre Entwicklungsteams "verlieren" von Phase zu Phase 15-38% der Mitglieder. Die stabile Zusammensetzung der Teams in erfolgreichen Unternehmen widerspricht einer gängigen These. Sie besagt, dass in den drei Phasen jeweils unterschiedliche Kompetenzprofile benötigt werden und deshalb die Teammitglieder ausgetauscht werden müssen. Tatsächlich scheint aber erst die personelle Kontinuität den Rückgriff auf das Wissen aus der vorangehenden Phase zu ermöglichen. Zusätzlich erforderliche Kompetenz lässt sich durch Aufnahme weiterer Mitglieder in das Team aufbauen, das sich somit vergrößert.

Nach Einschätzung der Befragten werden erfolgreiche Projekte insbesondere von Führungskräften geführt, die schon erhebliche Erfahrung in der Projektleitung sammeln konnten. Der Erfolg von hoch innovativen Projekten beruht nicht nur auf einem kompetenten Team, sondern auch auf einem erfahrenen Projektmanagement. Die Widerstände, denen sich hoch innovative Teams entgegenzustellen haben, muss ein erfahrener Projektleiter frühzeitig erkennen und aufgreifen. Erfahrung in der Steuerung von Neuproduktentwicklungsprozessen sorgt zudem für eine straffere Führung der Vorhaben und trägt so zur besseren Zielerreichung bei.

Prozess-Steuerung

Erfolgreiche Unternehmen steuern auch ihre radikalen Innovationsprozesse konsequent nach Zielgrößen. Dabei handelt es sich um technische Ziele (z.B. technologische Machbarkeit/Aufbau neuer Kernkompetenzen), marktbezogene Ziele (z.B. adressierbarer Markt, Marktattraktivität), das Zielbudget des Projektes, Zielkosten und -qualität des Produktes sowie Zeitziele (Time-to-Market). Erfolgreiche Unternehmen planen und operationalisieren die Zielgrößen zu Beginn des Innovationsprozesses sorgfältiger und halten sie im Verlauf hartnäckiger nach. Sie verwenden also mehr Nachdruck darauf, eine Performancekultur zu etablieren und sie integrieren die Vorstände häufiger in Review-Prozesse. Insbesondere an kritischen Meilensteinen, z. B. zum Übergang zwischen zwei Projektphasen, wodurch die Projekte mehr Aufmerksamkeit des Managements erhalten.

Kultur

Erfolgreiche Unternehmen honorieren Leistung im Innovationsprojekt durch größere Freiräume und vermehrte öffentliche Belobigungen. Die weniger erfolgreichen Unternehmen setzen entweder keine Anreize ein oder stellen einseitig auf monetäre Anreize ab.

Aussenorientierung

Die Umsetzung der Innovation ist häufig extrem komplex und kann von einem Unternehmen allein nicht bewältigt werden. Nur die Zusammenarbeit mit Dritten ermöglicht eine erfolgreiche Vermarktung. Dabei lassen sich prinzipiell drei Typen von Partnern unterscheiden:

Umsetzungspartner, d.h. Unternehmen, mit denen man bei der Marktetablierung der Innovation entlang der Wertschöpfungskette zusammenarbeitet (Komplementärdienstleister, Lieferanten, Vertriebspartner). Häufig ist eine Innovation nur dann durchsetzbar, wenn neben dem eigentlichen Produkt auch zugehörige Services oder Inhalte verfügbar sind, die das Produkt nutzbar machen. So spielte z.B. bei der Markteinführung des VHS-Videostandards die Tatsache eine große Rolle, dass gleichzeitig mit der technischen Einführung ein breites Angebot an Leihfilmen verfügbar war, das die Attraktivität des Gesamtangebots signifikant erhöhte. Die Gruppe der Erfolgreichen bezieht vor allem Komplementärdienstleister wesentlich stärker in den Geschäftsaufbau und die Markterschließungsphase ein, um ein ganzheitliches, attraktives Leistungsangebot zu formulieren und so auf Kundenbedürfnisse besser einzugehen. Bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten und Vertriebspartnern sind die erfolgreichen Unternehmen jedoch eher zurückhaltender. 

(Potentielle) Kunden, d.h. die Nutzer der Innovation. Oft spielen Pilotkunden eine Rolle, die eine Innovation erstmals in ihrem Produkt einsetzen und damit den Weg zu einer breiteren Anwendung ebnen. Die Umfrage zeigt, dass erfolgreiche Unternehmen ihre Pilotkunden wesentlich stärker nach deren technischer Kompetenz sowie ihrer Repräsentativität für den avisierten Markt auswählen. Die Gruppe der weniger erfolgreichen Unternehmen setzt bei der Auswahl von Pilotkunden vor allem auf mögliche Großabnehmer, Vertrauenswürdigkeit und Meinungsführerschaft. 

Umfeldgruppen, d.h. Interessensparteien, aus deren Sicht die Markteinführung einer Innovation entweder Vorteile mit sich bringt, oder die Bedenken gegen die Innovation äußern und die Markteinführung zu behindern drohen. Erfolgreiche Unternehmen beziehen die relevanten Umfeldgruppen bereits früher, also in der Forschungsphase, ein.  Bedenken oder Interessenslagen der relevanten Gruppen werden so frühzeitig erkannt und adressiert.

 

 Quelle: Der InnovationsKompass 2001 ist eine Studie des VDI, Verband deutscher Ingenieure, VDI-Nachrichten, der TU Berlin und McKinsey. Die Studie bestand aus einer Breitenuntersuchung mit 342 kleineren und mittleren Unternehmen, anhand dessen unterschiedliche Innovationsstrategietypen und Muster eines erfolgreichen Innovationsprozesses identifizieren ließen. In einer Tiefenuntersuchung von 103 mittleren und großen Unternehmen wurden dann die eingesetzten Managementansätze in radikalen Innovationen untersucht.

Weitere Infos: VDI Verlag GmbH; Heinrichstraße 24; D-40239 Düsseldorf; Tel: 0049/ 211/ 61 88-0; E-Mail: info@vdi-nachrichten.com

10.2002

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