Engpass Mitarbeiter

Auch die schwache Konjunktur ändert wenig an einem der zentralen Grundprobleme vieler Firmen, das sich in Zukunft weiter verschärfen wird: der immer aufwändiger werdenden Mitarbeiter-Suche.

Die Georg Fischer Automobilguss AG in Herzogenburg, Tochter des schweizerischen Georg Fischer Konzerns, ist trotz Konjunkturdelle gut im Geschäft. 2002 wurde am Standort mit 900 Mitarbeitern kräftig investiert, um die Produktion eines neuen Teils für einen deutschen Großkunden aus der Automobilbranche in Angriff nehmen zu können.

So erfreulich es war, dass kräftig investiert und die Kapazitäten ausgebaut wurden, so schwierig erwies es sich aber nicht nur in diesem Unternehmen, die erforderlichen Fachkräfte zu finden. Ob Facharbeiter, Spezialisten oder Manager mit Branchenerfahrung, potentielle Mitarbeiter sind am Arbeitsmarkt dünn gesät. Der Aufwand, um das erforderliche Personal zu rekrutieren steigt ebenso kontinuierlich wie die Anforderung ans Management, die konkreten Arbeitsbedingungen, internen Systeme und die Führungsleistungen so zu gestalten, dass man die mit viel Aufwand gefundenen neuen Mitarbeiter nicht nach kurzer Zeit wieder verliert. Bei Georg Fischer nahm Mag. Roland Uccusic, der Mitte 1999 als H.R. Manager für Österreich ins Unternehmen kam und an zwei Standorten auch das operative Personalmanagement leitet, diese Herausforderung in Angriff, indem er auf vielen verschiedenen Ebenen Maßnahmen einleitete:

Frühzeitig den Markt scannen:

Im Bereich der Universitätsabsolventen, die meist für Spezialistenfunktionen rekrutiert werden, wird der Mangel an einschlägig vorgebildeten Leuten besonders deutlich. So gingen beispielsweise im Jahr 2001 von der Montanistik-Universität in Leoben gezählte sechs Absolventen ab, die die für die Produktion in Herzogenburg wichtigen Fächer wie Werkzeugbau und Gießereikunde belegt und sich auf den sogenannten Nicht-Eisen-Bereich spezialisiert hatten. Dementsprechend groß ist natürlich auch das Geriss um diese Leute. Schon während des Studiums werden sie von potentiellen Arbeitgebern heftig umworben und wer diesem Werben nicht schon vor Ende des Studium erliegt, wird mit Jobangeboten  nur so überschüttet. Attraktive Einstiegsgehälter sind selbstverständlich, entscheidend sind dann die Perspektiven und „Entwicklungsmöglichkeiten“, die das jeweilige Unternehmen zu bieten hat.

Als internationaler Konzern mit 160 Standorten weltweit hat der Schweizer Konzern Georg Fischer nicht nur vielfältige internationale Entwicklungschancen anzubieten, sondern auch eine stark auf Werte fokussierte Unternehmenskultur, leicht ist deswegen noch lange nicht. Die Bandbreite der Personalmarketingaktivitäten reicht dementsprechend von eigenen Firmenpräsentationen auf den Universitäten über Praktika und internationale Trainee-Programme bis hin zum Angebot, sich anstellen zu lassen, um in Ruhe die eigene Diplomarbeit oder Dissertationen fertig stellen zu können.

HTL-Abbrecher und Absolventen polytechnischer Lehrgänge (z.B. in den Bereichen Automatisierungstechnik, Maschinenbau), die aufgrund ihrer Vorkenntnisse gute Voraussetzungen für eine Lehre mitbringen, stehen vor der Entscheidung, sich auf eine vierjährige Ausbildung einzulassen, wenn sie sich zum Betriebsschlosser oder Betriebselektriker ausbilden lassen wollen. Hinter diesen eher altbackenen Berufsbezeichnungen verbergen sich in Wirklichkeit Elektroniker und Leute, die Systemsteuerungen von großen Maschinenanlagen durchführen.

Um hier Jugendliche möglichst frühzeitig zu erreichen und wenn möglich für solche Ausbildungen zu interessieren, begann man in den vergangenen Jahren, eine intensive Kontaktpflege mit den Lehrern solcher Schulen aufzubauen. Unter anderem gibt es bereits Informationsveranstaltungen im Rahmen der Berufsorientierungswochen, Aushänge an den Schulen, eigene Betriebsführungen und Schnuppertage für alle Interessenten. Dazu kommt ein gezieltes Sponsoringprogramm bestimmter Schulaktivitäten, um frühzeitig in den Köpfen der potentiellen Mitarbeiter präsent zu sein.

Um die besonders seltene Spezies bereits ausgebildeter Facharbeiter möglichst früh ansprechen zu können, initiierte Mag. Uccusic einen regelmäßigen Informationsaustausch mit anderen Unternehmen der Region, kontaktierte Firmen, die gezwungen waren Personal abzubauen und nützte die Erfahrungsaustauschgruppen mit Personalisten, um von Entlassung bedrohten Fachkräften einen reibungslosen Umstieg zu ermöglichen. Darüber hinaus gibt es intensive Bemühungen, die eigenen Lehrlinge zu Facharbeitern weiterzubilden bzw. den internen Arbeitsmarkt anzukurbeln.

Auswahlverfahren

Sind die potentiellen Mitarbeiter einmal gefunden, kommt es zu einem intensiven Auswahlverfahren. Auch und gerade bei den etwa acht bis zehn jährlich aufgenommenen Lehrlingen, immerhin belaufen sich hier die Einschulungs- und Bildungsinvestitionen pro Lehrling auf rund 22.000,- Euro im Jahr. Den Beginn macht ein Vorstellungsgespräch mit dem Lehrlingsbeauftragten der  Firma. Im zweiten Schritt absolvieren die Interessenten Tests über räumliches Vorstellungsvermögen, analytische Fähigkeiten und Konzerntrationsfähigkeiten. Der dritte Schritt ist dann die Einladung zu verbindlichen Schnuppertagen im Unternehmen. Die abschließende Bewertung setzt sich zu je einem Drittel zusammen aus den Schulnoten, den Tests und den Erfahrungen während der Schnuppertage.

Attraktive Arbeitsbedingungen

Der in der Produktion unbedingt erforderliche Schichtbetrieb scheidet schon beim Einstellungsgespräch Spreu von Weizen. Wer jedoch den Schichtbetrieb akzeptiert, legt umso größeren Wert darauf, dass bei der Schichtplanung auf seine individuellen Bedürfnisse so weit als möglich eingegangen wird. Die Variationsmöglichkeiten reichen hier von der Zeitdauer, für die die Schichten geplant werden (gibt es eine Planung nur für eine oder mehrere Wochen, oder über ein ganzes Jahr? Gibt es immer wieder kurzfristige Änderungen oder nicht?), bis hin zu der mitarbeiterfreundlichen Festlegung der Schichtfolgen (muss man einmal von der Frühschicht zur Nachtschicht und dann wieder zurück zur Spätschicht hüpfen oder wechselt man kontinuierlich von Früh- zu Spät- zu Nachschicht?).

Karrierewege

Während viele Bewerber, sowohl Jugendliche als auch Facharbeiter, den Schichtbetrieb nicht goutieren und deswegen absagen, kann der Konzern wiederum mit etwas punkten, was heutzutage keineswegs mehr selbstverständlich ist: mit sicheren Arbeitsplätze. Die langfristigen, oft über ein Jahrzehnt gehende Lieferverträge bieten zwar auch keine absolute Sicherheit, die extremen Schwankungen anderer Branchen sind hier allerdings nicht an der Tagesordnung.

Dazu kommen in den letzten Jahren verstärkt entwickelte Karrierepfade, auch und gerade für jene Mitarbeiter in der Produktion, die den körperlich anstrengenden Tätigkeiten nur selten bis zum Pensionsalter gewachsen sind. Zwar mag die körperliche Leistungsfähigkeit abnehmen, die Erfahrung dieser Mitarbeiter, gekoppelt mit zusätzlichen Kompetenzen ist allerdings ein wertvolles Gut, von dem sowohl Mitarbeiter als auch Unternehmen profitieren können. Das belegen erfolgreiche Umstiege ins Qualitätsmanagements ebenso wie der Einsatz bei der Wissensweitergabe im Rahmen der Lehrlingsausbildung und Einschulung neuer Mitarbeiter oder im Zuge kontinuierlicher Verbesserungsprozesse. Dazu kommt ein System von drei Qualifikationsebenen für jede Stelle: auf der ersten Ebene „beherrscht der Mitarbeiter die erforderlichen Tätigkeiten und Arbeitsschritte“, auf der zweiten Ebene „ist der Mitarbeiter in der Lage, Kollegen auf seinem Arbeitsplatz einzuschulen“ und auf der dritten Ebene „beherrscht der Mitarbeiter mehrere Arbeitsplätze und ist somit flexibel einsetzbar“.

Diese Flexibilität wird umso wichtiger, als parallel zu den neu getätigten Investitionen eine neuen Teamstruktur in der Prozesslinie eingeführt wurde, bei der jeweils ein Team von Anfang bis Ende für die Herstellung eines Produkts verantwortlich ist.

Führungskräfteausbildung

Mit Abstand der wichtigste Einflussfaktor auf die Arbeitszufriedenheit der Mitarbeiter ist bekanntlich der unmittelbare Vorgesetzte. Oder wie es die beiden amerikanischen Autoren Buckingham und Coffman so pointiert formuliert haben: „Mitarbeiter verlassen keine Unternehmen, sie verlassen ihren Chef“. Daher liegt hier auch der zentrale Hebel, um die Verweildauer speziell der besten Mitarbeiter zu heben. Als guter Gradmesser dafür erwies sich die jährlich durchgeführte Mitarbeiterbefragung, in der auch die Führungsleistung des unmittelbaren Vorgesetzten von den Mitarbeitern eingeschätzt wird. Die abteilungsweise gebündelten Feedbacks werden den Führungskräften in eigenen Workshops zurückgemeldet, um dann gleich gezielt an häufig genannten Themen zu arbeiten, z.B. an der Frage, wie kann ich besser Feedback geben?

Systeme

Die Führungskräfte entwickelten zusammen mit Mag. Uccusic eine neue, transparente Leistungsbeurteilung, in der die zentralen Anforderungen und Tätigkeiten jedes Mitarbeiters und das jeweilige Qualifikationsniveau bei der Erfüllung dieser Aufgaben genau festgehalten ist. Das wiederum ermöglicht eine individuelle Weiterqualifizierung der einzelnen Mitarbeiter, statt sie querbeet in Schulungen zu schicken, bei denen der eine Mitarbeiter gelangweilt weil unterfordert, der andere wiederum sauer, weil überfordert ist.

02.2000

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