Dann eben nicht!

Wer als Top-Manager Abwertung und Misstrauen sät, wird Angst ernten.

Heinz Berger* ist Personaler mit Leib und Leben. Seit geraumer Zeit jedoch ist die Lust am Job deutlich zurückgegangen. Begonnen hat diese Entwicklung vor enige Jahren, als sein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen der Branche fusioniert wurde. Besser gesagt, übernommen wurde. Denn die Fusion gleichberechtigter Partner war, wie sich bald zeigen sollte, nur die übliche Floskel in den blumigen Reden von Eigentümern und Vorstand. Die Realität sah jedoch ganz anders aus.

War der Vorstand zu Beginn noch paritätisch besetzt, so waren bereits ein Jahr später zufällig nur mehr die Vorstandsmitglieder der übernehmenden Firma an Bord. Die mittels Hearings erfolgten Besetzungen der ersten und auch der weiteren Führungsebenen ergaben, welch Zufall, ebenfalls eine klare Dominanz des Übernehmers, der praktischerweise auch gleich seine Rechtspersönlichkeit behielt und – aus rein steuerlichen Gründen, wie es hieß – die andere Firma "integrierte". Herr Berger mutierte vom Personalchef zum Personalchef-Stellvertreter und übernahm eine strategisch nicht sehr wichtige Abteilung des Bereichs.

Erst Befürchtungen, dann Gewissheit

Trotz allem waren diese Geschehnisse, erzählt Heinz Berger*, noch kein Grund, die Lust an der Arbeit zu verlieren. Doch spätestens ab dem Zeitpunkt, als die im Zuge der Postenbesetzung getroffenen Vereinbarungen in Bezug auf Kompetenzen und Arbeitsbereich kurzerhand umdefiniert wurden – "Sie wissen ja, alles ist im Fluss" – und der darauf angesprochene Vorstand jede Verantwortung weit von sich wies, wuchs die Irritation. Statt wie angekündigt "das Beste beider Welten zu übernehmen" – besonders wichtig angesichts zweier sehr unterschiedlicher Unternehmenskulturen – machte die Praxis in den Integrationsmeetings schnell klar: Was das Beste ist, bestimmt der Übernehmer und das ist zufälligerweise sein System. Auch wenn das Gegenteil offensichtlich war. Die Irritation stieg weiter an. Die anfängliche Skepsis wurde zur traurigen Gewissheit.

Alles verändert sich – vor allem fixe Zusagen

Wo Fusionen passieren, wird nach Synergien gerufen. Also wird – höchst innovativ – nach Personalüberhang geforscht. Und selbst wenn etwa die Personalabteilung des Übernehmers bislang deutlich mehr Mitarbeiter benötigte, um erheblich weniger Beschäftigte in einer weniger komplexen Organisation zu betreuen, wo ortet man wohl das Einsparpotenzial? Richtig geraten. Wen interessieren bei diesen "rein rationalen, nach betriebswirtschaftlichen Kriterien vorgenommenen Entscheidungen" schon so banale Dinge wie Effektivitätskennzahlen?

Dass Eigentümer und Vorstand versprochen hatten, im Zuge der Fusion keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen, hielten sie aber natürlich ein. Auf dem Papier. Tatsächlich verließen viele der jungen Top-Leister das fusionierte Unternehmen samt goldenem Handshake, sobald sich die erstbeste Gelegenheit bot. Die meisten älteren Top-Leister wurden mit einer für das Unternehmen scheinbar vorteilhaften Regelung in den Vorruhestand verabschiedet – da sie aber tatsächlich gearbeitet hatten (und nur ein Teil davon Doppelgleisigkeiten waren) und diese Arbeit nicht von alleine verschwand, musste sie nun von jemand anderem getan werden, was die erhofften Einsparungen zunichte machte und schließlich zur Einstellung dieser Personalabbaupraxis führte.

"Offen" sind hier nur die Türen nach außen

Statt einer vormals offenen Gesprächskultur, in der sich keiner scheute, Probleme beim Namen zu nennen, dominieren heute Abwertung, Schuldzuweisungen und die Angst, mit Kritik hervorzutreten. Heinz Berger*: "Viele meiner Kollegen aus der alten Firma sagen mittlerweile: ‚Ich tue mir das nicht mehr an, dass ich meine Meinung sage, denn dann muss ich mich immer rechtfertigen und wehren und komme als Querulant auf die Abschussliste. Ich sage einfach, mir geht es gut, es passt alles.’ Aber innerlich hat derjenige schon abgeschlossen."

Und Herr Berger selbst? "Ich habe selbst längere Zeit überlegt zu gehen, mich dann aber aus mehreren Gründen wie Alter, Chancen am Arbeitsmarkt, finanziellen Verpflichtungen und auch langjähriger Verbundenheit zum Unternehmen dagegen entschieden. Zum einen halte ich mich nun aus bestimmten Dingen heraus, was ich früher nicht getan habe, und vermeide dadurch, mich aufzureiben. Zum anderen habe ich mich weiterqualifiziert, allerdings auf eigene Rechnung, um mir da nichts vorwerfen lassen zu müssen. Das hat mir vor allem in dreierlei Hinsicht geholfen: Erstens hat es mich interessiert und ich habe viel gelernt. Zum anderen habe ich Kollegen aus anderen Unternehmen getroffen und gemerkt, dass ich mit meiner Situation nicht allein da stehe, sondern dass es dort teilweise genauso zugeht, wodurch man sich nicht mehr so isoliert und alleingelassen fühlt. Und zum Dritten haben wir uns dort aktiv gegenseitig unterstützt. Dadurch ist ein Netz entstanden, auf das ich bei Bedarf zugreifen kann."

Der Wille, bis zur regulären Pensionierung zu arbeiten, ist bei Herrn Berger ungebrochen, ebenso wie die Bereitschaft und der Elan, bei den nächsten, bereits absehbaren Veränderungen im Unternehmen aktiv mit anzupacken. Solange daran aber von oben kein sichtbares Interesse besteht und Konflikte mit der Belegschaft weiter geschürt statt gelöst werden, widmet er sich eben der Optimierung der eigenen Abteilung.

* Name und Funktion von der Redaktion geändert

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