Wie ticken wertorientierte Unternehmen?

Mit welcher Logik muss sich das Management börsennotierter Unternehmen auseinandersetzen? Vier ausgewiesene Finanzexperten nehmen dazu Stellung.

Angemessene Gewinne zu erzielen, ist die Grundvoraussetzung jedes Unternehmens, ob klein oder groß, börsennotiert oder nicht. Ein radikaler Paradigmenwechsel ist für viele Unternehmen allerdings das, was am Kapitalmarkt unter "angemessen" verstanden wird. Robert Dickler, ehemaliger Manager der Chase Manhattan Bank und nun Professor für Fianance and Management bei der Imadec University: "Investoren beurteilen ihren Ertragsanspruch nicht nach den Zinsen bei der Bank, sondern sie vergleichen Ihr Unternehmen mit  anderen Veranlagungsmöglichkeiten am Kapitalmarkt und dieser Ertragsanspruch ist in der Regel wesentlich schärfer. Die Kapitalkosten für Eigenkapital liegen in Europa im Durchschnitt bei 10-12 Prozent und in Länder wie Großbritannien oder die USA bei durchschnittlich 14-15 Prozent. Wenn Sie da nicht mitspielen wollen, müssen Sie ihre Wachstumsstrategie korrigieren, denn dann werden Sie dafür – abgesehen von Diversifizierungseffekten einzelner Anleger - nur schwer das nötige Eigenkapital bekommen."

Langfristigkeit muss leistbar sein

Deswegen gleich jeden Druck zur Steigerung der Performance zu verteufeln, führt aber auch nicht weit. Dr. Robert Denk, früherer Chefcontroller der OMV AG und jetzt Leiter des Competence Center "Controlling und Value Management" bei der Contrast Management: "Man kann nicht langfristige Strategien formulieren, ohne gleichzeitig auf die operative Ertragskraft zu schauen. Strategien gehen nur auf, wenn ich operativ stark bin, denn von dort kommt das Geld. Ich brauche ja eine gesunde Basis, um eine Strategie kontinuierlich zu verfolgen und nicht gleich bei jeder kleinen Krise die Segel zu streichen. Nur Langfristigkeit, ohne harte Kostenkontrolle, funktioniert auch nicht."

Bei der OMV AG implementierte Dr. Denk daher ein Value-Management-Konzept, das darauf ausgerichtet war, drei unterschiedliche Aspekte unter einen Hut zu bekommen. "Zum einen ging es darum, langfristig mit hoher Qualität zu wachsen, und zwar so weit wie möglich aus eigener finanzieller Stärke. Daraus folgt aber zwangsläufig, dass Sie operativ sehr stark sein und damit ihre alten Geschäfte permanent auf Exzellenzstatus bringen müssen, denn von dort muss die Finanzierung kommen. Für eine anspruchsvolle Wachstumsstrategie wird aber selbst das nicht reichen. Wenn das Wachstumsziel sehr herausfordernd ist, werden Sie irgendwann den Kapitalmarkt brauchen. Dazu brauchen Sie ein Profitabilitätsziel für die Aktionäre, das Sie dem Markt kommunizieren und auf das Sie dann hinarbeiten müssen."

Andere Ziele, andere Entscheidungen

Die praktischen Auswirkungen aufs Unternehmen erläutert Dr. Hannes Enthofer, Partner bei der Firma "Finance Trainer" an einem konkreten Beispiel: "Der Sparkassensektor war in der Vergangenheit quasi eigentümerlos, das war seine Spezialität und vom Ansatz her sicher nicht Shareholder-getrieben. Durch die Führung der Erste-Bank wurde der Bereich zu einem Haftungsverbund zusammengeschmolzen. Die Erste-Bank ist aber eine börsennotierte Bank, die nun alle Sparkassen, an denen sie beteiligt ist, unter ihrer Bilanz konsolidiert. Jetzt fließen diese Sparkassen in die Bilanz der Erste-Bank ein und nun sagt die Bank: 'Liebe Sparkasse, wenn du eine niedrige Eigenkapitalrendite hast, ruinierst du meinen Aktienkurs.' Damit ändert sich das Verhalten der Sparkassen dramatisch. Nun müssen die Vorstände plötzlich in Shareholder-Value-Kategorien denken, weil ein wesentlicher Miteigentümer – und meistens auch Aufsichtsratschef – sagt: 'Ich möchte, dass du eine Eigenkapitalverzinsung erreichst, du im Verbund auch etwas darstellt.' Damit dreht sich auch deren System. Das ist ein richtiger Kulturschock für die."

Welche Konsequenzen hat das nun?  "Die Sparkassenorganisation ist im wesentlichen eine Vertriebsorganisation mit vielen Filialen. Was die machen werden ist, einerseits die Vertriebsorganisation zu straffen. Weiters werden sie versuchen, im Firmenkundengeschäft weniger Geschäfte mit geringer oder negativer Marge zu machen, das heißt konkret, sie werden beginnen, bei der Kommunalfinanzierung auszusteigen, denn dort herrscht ein starker Konditionenwettbewerb und man verbraucht hier viel Liquidität. Zudem könnte man überlegen, aufs Risiko mehr zu verdienen, also mehr Treasury-Geschäfte zu machen."

Druck ja, Zwang nein

Natürlich kann es dabei vorkommen, dass man als Vorstand dafür kritisiert wird, dass man bestimmte Dinge nicht schnell genug erledige oder bestimmte Chancen nicht ergriffen habe, berichtet Dr. Richard Schenz, langjähriger Vorstandsvorsitzender der OMV und seit kurzem Kapitalmarktbeauftragter der Regierung: "Nur – es gab eben Situationen, wo  ich genau gewusst habe, wenn man diese sogenannte Chance ergreift, kann das der Untergang der Firma sein. In dem Fall braucht man eben eine gewisse Härte und Nachhaltigkeit gegenüber solchen Wünschen."  Damit eine Firma durch exorbitantes Wachstum ins Schleudern komme, müssten, so Dr. Schenz, schon zwei Dinge zusammenkommen, "ein ehrgeiziger Generaldirektor und ein ebenso ehrgeiziger, starker Vorsitzender des Aufsichtsrates."

Autor: Peter Wagner, 08.2003

...zurück zum Seitenanfang

Teilen: