shareholder value versus shared values

Dr. Wilfried Stadler, Vorstandsvorsitzender der Investkredit-Bank über die Notwendigkeit einer Verbindung von Wertschöpfung und Wertschätzung für den Erfolg von Unternehmen.

Wann hat die Shareholder-Value-Diskussion eigentlich begonnen?

Ich würde sagen, 1997,1998 ist es bei uns richtig Thema geworden. Das hing auch zusammen mit dem Aufschwung am Kapitalmarkt und der da einreißenden Untugend, den Shareholder Value zu einem kurzatmigen, quartalsbezogenen Instrument zu machen. Das bringt das Thema auf die wahnsinnig wichtige Frage Wert versus Werthaltungen – Shareholder Value versus Shared Values. Das ist aus meiner Sicht eine der entscheidenden Konsequenzen aus diesem Shareholder-Value-Mißverständnis, das wir erlebt haben und zum Teil noch erleben: Wir kommen nicht darum herum, dass wir trotz anderer Einschätzung von Kapitalmarktpartnern zu eigenen Werthaltungen zu stehen haben, um mit unseren Unternehmen verantwortungsvoll umzugehen. Wir können die Werte, über die wir reden, nicht von – ihrerseits nach ganz eigenen Gesetzen tickenden - institutionellen Veranlagern ableiten.

Was wäre ein Beispiel für Wert versus Werthaltung?

Es gab gigantische Übertreibungen, die teilweise zur Zerstörung ganzer Konzerngebilde geführt haben, die sich bisher gut bewährt hatten. Wenn Sie den genetischen Code eines Unternehmens total zerstören, um daraus etwas ganz anderes zu machen, ist die Gefahr, dass daraus ein Zombi wird, unglaublich groß. Weil sämtliche Identitäten so verletzt sind. Ich glaube, dass die Loyalitätskultur von Mitarbeitern gegenüber dem Unternehmen in diesen Jahren von Megaumbauten einer dramatischen Neuorientierung unterworfen war. Sie ist eigentlich nicht mehr vorhanden.

Bei aller Notwendigkeit, eine nachhaltige Wertsteigerung zu erzielen, muss man darauf Wert legen, dass man das in einer Unternehmenskultur macht, wo man das Thema des Umgangs miteinander, die Beständigkeit der Zusammenarbeit sehr ernst nimmt. Das ist in Kontinentaleuropa nichts, was wir neu entdecken müssten. Es war aber schon sehr gefährdet und die Gefahr ist noch nicht vorbei. Manche Leute betrachten diese Exzesse als kleinen Betriebsunfall und hoffen, dass mit der Bestrafung einiger schwarzer Schafe das Thema wieder eingefangen ist. Damit ist es noch nicht erledigt. Wir müssen innerhalb der Wirtschaftselite den Mut haben, uns über das was da passiert ist, offen auseinander zu setzen und herzhaft darüber zu streiten, wo wir unternehmenskulturell und damit auch gesellschaftlich wirklich hinwollen. Sind das die Spielregeln, nach denen wir ticken wollen oder sehen wir andere Spielregeln als sachgerechter und auf lange Sicht auch menschengerechter und gesellschaftsverträglicher an?

Was kümmert, pointiert gesagt, die Manager Langfristigkeit, wenn man nach wenigen Jahren wieder weg ist?

Auch diese Manager haben eine nächste Generation, leben in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem sie auf Sicherheit wert legen, auf gute Ausbildung usw. Sie haben auch ein zweites Ich und wenn man außer den ganz harten Nüssen diese Manager als Mitglieder der Gesellschaft fragt, wo sie denn hinwollen, dann ist die Nachdenklichkeit darüber, was da passiert, schon ein gutes Stück größer. Wer gerade zu den ganz großen Gewinnern gehört, der eben mit einer großen Transaktion den Jackpot gezogen hat, der wird das nicht so sehen.  Aber im Schnitt ist diese Diskussion schon im Gange.

Wo sehen Sie die wichtigsten Unterschiede?

Wenn man bei den Firmen im institutionellen Besitz bleibt, da steht bei den nach der traditionell kontinentaleuropäischen Aktienrechtskultur organisierten Unternehmen die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit des Handelns wesentlich stärker im Vordergrund als in Amerika. Das zeigt sich auch in den Entlohungsmechanismen der Spitzenmanager, wo man in unserer Kultur bislang davon ausgeht und das ist auch meine persönliche Überzeugung, dass der wesentliche Motivator eines Vorstands, was seine vertragsrechtliche und seine Incentiveseite betrifft, die Wiederbestellung ist, nach einer meist auf fünf Jahre begrenzten Periode. Das ist schon ein entscheidender Unterschied, was das Ticken der Entscheider betrifft. Es gibt ja viele Manager, die sich stark mit dem Unternehmen identifizieren und die danach streben, Anerkennung zu finden, indem sie weiterhin verantwortlich bleiben dürfen für das Unternehmen und die aus dem heraus Erfolgsgeschichten bauen. Dem sollten wir treu bleiben.

Durch Spielregeln allein wird man die Probleme nicht einfangen. Es lässt sich nicht alles nach dem Prinzip, wenn es nicht verboten ist, ist es erlaubt, regeln. Um die persönliche Verantwortung komme ich nicht herum. Zu sagen, der Gesetzgeber ist schuld, der hat das nicht verboten, was ich gemacht habe, das ist ja absurd. Ein Unternehmen, das ein good citizen sein und  seine Mitarbeiter mit ihren Begabungen und Energien an sich dauerhaft binden will, hat bestimmte Spielregeln einzuhalten. Die sind zum Teil nicht niedergeschrieben und stehen natürlich auch nicht im Bürgerlichen Gesetzbuch. Das ist eine Frage der Kultur und auf die werden wir es wieder zurückführen müssen. Da ist es hoffentlich auch Teil einer streitbaren Kultur der Wirtschaftseliten, sich über diese Spieregeln offen auseinander zu setzen, statt sich gegenseitig verächtlich zu machen, indem der eine sagt, ihr habt immer noch nicht begriffen, was Shareholder Value ist, während der andere sagt, ihr bedient euch nur selbst. Derzeit läuft es leider noch so.

Herr Dr. Stadler, vielen Dank für das Gespräch.

08.2003

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Dr. Wilfried Stadler,