Erfolgreich seit 100 Jahren

Wie schaffen es Unternehmen, über Jahrzehnte hinweg ihre führende Rolle erfolgreich zu behaupten? Eine Langzeituntersuchung liefert dazu aufschlussreiche Hinweise, bricht mit traditionellen Modellen und weitverbreiteten Mythen und liefert brauchbare Hinweise dafür, warum die einseitige Konzentration auf Gewinnmaximierung nach einem kurzen Höhenflug oft mit einer Bruchlandung endet.

Als "visionäre" Unternehmen bezeichnet Jim Collins in seinem Buch "Immer erfolgreich" jene führenden Organisationen ihrer Branche, die es geschafft haben, über lange Zeiträume zu florieren, über mehrere Produktlebenszyklen und über mehrere Generationen tatkräftiger Unternehmensführer hinweg. Denn jede Führungskraft – wie charismatisch oder visionär sie auch sein mag – stirbt einmal; und alle visionären Produkte und Dienstleistungen – alle großen Ideen – veralten zu guter Letzt, ja sogar ganze Märkte können sich überleben und verschwinden. Trotzdem schaffen es manche Unternehmen gemäß dem Originaltitel "Built to last" praradoxerweise, sich gleichzeitig treu zu bleiben und ständig zu verändern.

In einer Langzeitstudie hat Collins eine Reihe außergewöhnlicher Unternehmen herausgegriffen, die bereits über mehrere Jahrzehnte eine dominierende Rolle inne haben und sie mit einer Gruppe weiterer erfolgreicher Unternehmen verglichen, die in etwa gleich lange bestehen und Renditen erwirtschaftet haben, die ebenfalls über denen des Aktienmarktes liegen, ohne allerdings dieselbe Leistungsfähigkeit erreicht zu haben. In den meisten Fällen, so Collins, könne man das visionäre Unternehmen als Goldmedaillengewinner, das Vergleichsunternehmen als Silber- oder Bronzemedaillengewinner betrachten.

Ein fixer Kern, alles andere ist offen für Veränderung

Trotz ihrer besonderen Leistungsfähigkeit haben viele der visionären Unternehmen keine makellose Erfolgsbilanz, doch sie besitzen eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit, die es ihnen erlaubt, auch schwere Krisen erfolgreich zu überstehen und tiefgreifende Veränderungen der Rahmenbedingungen (Weltkriege, Depressionen, bahnbrechende neue Technologien etc.) erfolgreich zu meistern.

Worin unterscheiden sich diese herausragenden Unternehmen von anderen Unternehmen? Was sind die markantesten langfristigen Unterschiede? Schon am Beginn des Buches weist Collins auf einen ganz entscheidenden Punkt hin: "Visionäre Unternehmen unterscheiden zwischen ihren Grundwerten und dauerhaften Zielen (die sich nie verändern sollten) und ihren Geschäftspraktiken und Geschäftsstrategien (die sich als Antwort auf eine Welt im Wandel dauernd verändern sollten). .... Sie unterscheiden zwischen einem 'Kern', der nie verändert wird und einem Nicht-Kern, der für Veränderung offen ist." Sie verfallen nicht in einseitige Entweder-Oder Betrachtung (entweder Wandel oder Stabilität, entweder Gewinnmaximierung oder Mitarbeiterorientierung), sondern sie leben ein Sowohl als Auch, das in der Organisation seinen Niederschlag findet. Bewahrt und mit Argusaugen bewacht werden Grundwerte und Unternehmensmission, die oft über ein Jahrhundert unangetastet bleiben, zur Veränderung freigegeben sind hingegen Unternehmenskultur und –praktiken, spezifische Ziele und Strategien.

Die zwölf widerlegten Mythen

Mythos 1

Um ein erfolgreiches Unternehmen zu gründen, braucht man eine "großartige Idee".

Wirklichkeit: Die Gründung eines Unternehmens auf Basis einer großartigen Idee kann eine schlechte Idee sein. Nur bei wenigen visionären Unternehmen stand am Beginn eine großartige Idee, vielmehr hatten einige zu Beginn überhaupt keine konkrete Vorstellung und einige begannen sogar mit glatten Fehlschlägen. Zudem wiesen die visionären Unternehmen in der Studie unabhängig von der Gründungsidee in ihrer Frühzeit signifikant schlechtere Geschäftsergebnisse auf als ihre Vergleichsunternehmen. Sie hatten den langsameren Start, aber gewannen auf der Langstrecke.

Mythos 2

Visionäre Unternehmen brauchen bedeutende charismatische und visionäre Führungspersönlichkeiten.

Wirklichkeit: Eine charismatische Führungspersönlichkeit ist eindeutig nicht erforderlich, sie kann sich sogar nachteilig auf die langfristigen Erfolgsaussichten eines Unternehmens auswirken. Viele der bedeutendsten Unternehmensführer konzentrierten sich stärker auf den Aufbau einer bleibenden Institution als auf ihre Selbstverwirklichung als überragende Führungspersönlichkeiten.

Mythos 3

Die erfolgreichsten Unternehmen streben in erster Linie nach Gewinnmaximierung.

Wirklichkeit: Entgegen der herrschenden betriebswirtschaftlichen Lehrmeinung war die Maximierung des Aktionärsvermögens keineswegs die dominante Triebkraft bzw. das Hauptziel in der Geschichte der visionären Unternehmen. Vielmehr verfolgten sie ein ganzes Bündel von Zielen, und Geld machen war nur eines davon. Natürlich streben sie nach Gewinn, doch orientieren sie sich ebenso an einigen Grundwerten und einem übergeordneten Zweck jenseits des Gewinnstrebens. Und doch erwirtschafteten diese Unternehmen paradoxerweise einen höheren Gewinn als die gewinnorientierteren Vergleichsunternehmen.

Mythos 4

Alle visionären Unternehmen zeichnen sich durch eine Reihe gemeinsamer "richtiger" Grundwerte aus.

Wirklichkeit: Es gibt keine "richtigen" Grundwerte. Die Grundwerte müssen noch nicht einmal vernünftig oder humanistisch sein (wenngleich dies oft der Fall ist). Entscheidend ist nicht der Inhalt der Philosophie, sondern wie fest ein Unternehmen daran glaubt und wie konsequent es sich in seinem gesamten Verhalten danach ausrichtet.

Mythos 5

Die einzige Konstante ist der Wandel.

Wirklichkeit: Visionären Unternehmen halten unverbrüchlich an den Grundfesten ihrer Philosophie fest und ändern diese nur selten, wenn überhaupt. Diese Grundwerte bilden ein solides Fundament und ändern sich nicht mit den aktuellen Trends und Moden. Der übergeordnete Zweck des Unternehmens kann wie ein Leitstern am Horizont für Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte als Orientierungsrahmen ihrer Aktivitäten dienen. Gleichzeitig zeigen die Unternehmen einen ausgeprägten Drang nach dynamischer Weiterentwicklung, der ihnen erlaubt, sich ohne Preisgabe der Grundüberzeugungen anzupassen und zu verändern.

Mythos 6

Erfolgreiche Großunternehmen gehen kein Risiko ein.

Wirklichkeit: Visionäre Unternehmen – auch wenn sie Außenstehenden zurückhaltend und vorsichtig erscheinen mögen – scheuen keineswegs vor der Verfolgung riskanter, hochgesteckter Ziele zurück. Diese fesseln und motivieren die Mitarbeiter und erzeugen eine gewaltige Vorwärtsdynamik.

Mythos 7

Visionäre Unternehmen bieten ein hervorragendes Arbeitsumfeld für alle Menschen.

Wirklichkeit: Nur diejenigen, die sich mit den Grundwerten und den anspruchsvollen Leistungsstandards völlig identifizieren, finden hier einen optimalen Arbeitsplatz. Wenn man in ein visionäres Unternehmen eintritt, wird man sich damit identifizieren oder man wird als Fremdkörper abgestoßen.

Mythos 8

Die klügsten Maßnahmen erfolgreicher Spitzenunternehmen basieren auf hervorragender und komplexer strategischer Planung.

Wirklichkeit: Einige der geschicktesten Maßnahmen visionärer Unternehmen beruhten auf Experimentierfreude, Try and Error, Opportunismus und Zufällen.  Was im Nachhinein nach brillantem Weitblick und Vorausplanung aussieht, war oft das Ergebnis der Devise: Probieren wir möglichst viel aus und bleiben wir bei dem, was funktioniert.

Mythos 9

Unternehmen sollen firmenfremde Manager als Unternehmensleiter berufen, um grundlegende Veränderungen zu begünstigen

Wirklichkeit: In den insgesamt 1700 Jahren, die alle visionären Unternehmen (der Studie) zusammengenommen bestehen, ist es lediglich viermal vorgekommen, dass ein Firmenfremder zum Unternehmensleiter berufen wurde – und dies nur in zwei Unternehmen. Die landläufige Meinung, nach der Insider keine grundlegenden Veränderungen erreichen und keine neuen Ideen einbringen können, wird eindruckvoll widerlegt.

Mythos 10

Die erfolgreichsten Unternehmen konzentrieren sich vor allem darauf, ihre Konkurrenten zu übertrumpfen.

Wirklichkeit: Visionäre Unternehmen konzentrieren sich vor allem darauf, sich selbst zu übertrumpfen, ganz gleich wie erfolgreich sie im Moment sind.

Mythos 11

Du kannst nur eines von beiden tun.

Wirklichkeit: Visionäre Unternehmen unterwerfen sich nicht der "Tyrannei des Oder". Sie lehnen es ab, sich für Stabilität oder Fortschritt zu entscheiden, für konformistisches Verhalten oder individuelle Unabhängigkeit, für firmeninterne Besetzung von Führungspositionen oder fundamentale Veränderung, für Gewinnmaximierung oder die Bindung an Werte und Mission. Sie folgen der schöpferischen Kraft des Und, das heißt der paradoxen Sicht, die ihnen erlaubt, A und B gleichzeitig zu tun.

Mythos 12

Um ein visionäres Unternehmen zu werden, bedarf es vor allem einer schriftlich niedergelegten "Unternehmensvision".

Wirklichkeit: Eine solche Beschreibung kann ein hilfreicher Schritt beim Aufbau eines visionären Unternehmen sein, ist aber nur einer von Tausenden Schritten in einem endlosen Prozess der Realisierung der grundlegenden Merkmale, die wir bei visionären Unternehmen festgestellt haben.

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