Eine Fusion wie am Schnürchen

Der Zusammenschluss von HP und Compaq gibt ein gutes Beispiel ab für einen höchst professionell vorbereiteten und durchgeführten Merger.

"Die erste Reaktion bei der Ankündigung einer Fusion ist Verunsicherung. Verunsicherung bei den Mitarbeitern - Wie geht es mit mir weiter? Werde ich nach der Fusion hier noch einen Job haben? Wird sich meine Situation irgendwie verschlechtern? -  aber genauso auch Verunsicherung bei den Kunden. Die fragen sich natürlich auch: Wie geht es mit meinem Lieferanten weiter, ändern sich seine Produkte, was hat das für Auswirkungen auf meine eigene Firma, wann habe ich wieder Planungssicherheit, verliere ich meine Ansprechpartner?"

Da diese Irritationen nach einem Jahrzehnt wilder Fusionitis bekannt und damit vorhersehbar seien, so Rudi Krcma, zuständig für Qualitätsmanagement und Unternehmensentwicklung bei HP, könne man sich als Unternehmen auch darauf vorbereiten. Und das, soviel wurde bei einem von der EUCUSA organisierten Vortrag von Herrn Krcma knapp ein Jahr nach der offiziellen Fusion deutlich, nahm HP wesentlich professioneller in Angriff als viele andere in den vergangenen Jahren fusionierten Unternehmen.

Klarheit nach innen und den Markt im Blick

Selbst für die eigenen Mitarbeiter überraschend war das enorme Tempo, mit dem HP nach der offiziell verlautbarten Fusion am 3. Mai 2002 begann, Klarheit zu schaffen. Bereits einen Tag später präsentierte man der Belegschaft fertig ausgearbeitete Konzepte und grundlegende Entscheidungen, die andere fusionierende Unternehmen oft erst zu diesem Zeitpunkt zu erarbeiten beginnen. Unter anderem:

Klarheit über das Business Modell

Die neue Organisationsform von HP bestand aus vier selbständig agierenden Business Units. Gemäß dem Motto "adopt and go" wurden alle bisherigen Systeme bei HP und Compaq darauf überprüft, welches in Hinblick auf das neue Business-Modell jeweils am besten geeignet sei. Das Prinzip "das Beste aus beiden Welten" beugte der fusionstypischen Gefahr vor, dass eines der bisherigen Systeme zum Maß aller Dinge wird und die Vertreter des anderen Systems sich damit sofort als Verlierer abgestempelt sehen.

Klarheit über das Leistungs-Portfolio

Die neue product-road-map enthielt detaillierte Angaben über die nächsten zwei, drei, vier Jahre: Welche Produkte wird es in Zukunft geben? Welche werden ausgelistet, bis wann? Welche kommen neu, ab wann? Eine enorme Hilfe in der Kommunikation mit den Kunden.

Job-Klarheit

Wo Funktionen doppelt besetzt waren, gab es ein genaues Prozedere zu Postenbesetzung samt Terminleiste, bis wann welche Positionen besetzt wird (in Österreich waren sämtliche Stellenbesetzungen und Zuordnungen entsprechend der neuen Organisationsstruktur innerhalb von sieben Wochen geklärt). "In meinem Fall", so Silvia Buchinger, Personalchefin bei HP, "hieß das konkret: Der Länderchef Österreich, die neue HR-Verantwortliche Europa, von Compaq kommend und meine bisherige Vorgesetze, die frühere HR-Europa-Verantwortliche bei HP führten mit meinem Kollegen von Compaq und mir Gespräche und trafen dann die Entscheidung."

40 der ursprünglich 880 Mitarbeiter verließen das Unternehmen oder wurden gekündigt. Für diese Mitarbeiter gab es eine bereits im Vorfeld mit dem Betriebsrat abgeschlossene Betriebsvereinbarung, die genau regelte, welche freiwilligen Zusatzleistungen von HP bereit gestellt würden.

ein klares Kommunikationskonzept

Auf regelmäßigen Friday-Morning-Meetings informierte die Geschäftsführung die Mitarbeiter umfassend über bereits getroffene, demnächst anstehende und noch ausstehende Entscheidungen und Zeitpläne und stand als Ansprech- und Diskussionspartner zur Verfügung.

gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen

Als die Personalentscheidungen und Zuordnungen feststanden, absolvierte jedes der Teams eine "fast start session", bei der sich das neue Arbeitsteam 1-2 Tage zurückzog, um die neuen Ziele und Schwerpunkte zu definieren, zu gemeinsamen Arbeitsweisen zu finden und die gegenseitigen Erwartungen zu klären. So sehr die Maßnahme der Teamentwicklung diente, sie blieb bewusst nahe am konkreten Geschäft und an den neuen Businesszielen, um den Blick nach außen zu bewahren.

Klare Kontaktpunkte zum Kunden

Es kam sofort zur Klärung der Zuständigkeiten im Key-Account-Management nach folgendem Prinzip: bevor die entgültige Entscheidungen über die Positionen getroffen waren, wurde für die Übergangsphase ein "spokesman" definiert, mit der Verantwortung, alle Informationen zum Kunden zu bringen. Eindeutig definiertes Ziel war Kontinuität in der Beziehung zum Kunden, um Spekulationen und Unsicherheit keinen Raum zu bieten.

Im technischen Support wurde hingegen in den ersten Monaten bewusst so gut wie nichts geändert. Der Bereich diente als ein Sockel der Kontinuität, was sich, meint Rudi Krcma, extrem bewährt hat. "Das größte Kompliment war, als Kunden gesagt haben: Was ist jetzt mit der Fusion wir merken gar nichts?"

Halten der Schlüsselspieler

Um in der Phase der Unsicherheit nicht wichtige Key-Player zu verlieren, wurden diese gezielt angesprochen und ihnen besondere "retention boni" angeboten. Der erste Teil des Bonus wurde zum Zeitpunkt der Bestätigung der Fusion ausgezahlt, der zweite Teil ein Jahr später.

Transmissionsriemen Management

Um diesen enorm schnellen Start möglich zu machen, hatte HP bereits kurz nach der ersten Ankündigung eines allfälligen Zusammenschlusses im Herbst 2001 mit den Vorbereitungen begonnen. Auf Konzernebene kam es unter präzise festgelegten Regeln der Finanzmarktaufsicht zur Bildung hochrangiger Integrationsteams, sogenannten clean-rooms, die unter strenger Geheimhaltung nach außen grundlegende Weichenstellungen wie die neue Organisationsform oder die product-road-map vorbereiteten.

Auch in Österreich begann man frühzeitig mit den Vorbereitungen. So kam es bereits ab Herbst 2001 zu regelmäßigen Treffen zwischen der HP-Personalleiterin, Silvia Buchinger, die bei den Fusionsvorbereitungen federführend war und Dr. Barbara Heitger von der Beratergruppe Neuwaldegg. Ziel dieser Vier-Augen-Gespräche war, Klarheit darüber zu erlangen, was bei einer etwaigen Fusion auf die beiden Unternehmen zukommen würde und welche Themen wann wie angegangen werden müssten.

Im März 2002 gab es dann einen Workshop mit allen Führungskräften von HP, um den Managern das mentale und emotionale Rüstzeug für die angepeilte Fusion an die Hand zu geben. Nach einem Berater-Input – Was passiert bei Fusionen? Welche Dynamik wird dadurch erzeugt? Welche Erfolgs- und Misserfolgsfaktoren gibt es bei Fusionen? – bearbeiteten die Führungskräfte Fragen wie "Was bedeutet eine Fusion für uns Führungskräfte, was bedeutet sie für die Führungsbeziehung zu den Mitarbeitern, was in Relation zu den Kunden?" Klare Botschaft der Geschäftsführung zu diesem Zeitpunkt war: Noch ist die Fusion völlig offen und Compaq die Konkurrenz. Daher volle Konzentration aufs Geschäft, intensive Kommunikation mit den Kunden und die klare Zusage, beim Start der Fusion schnell und umfassend zu informieren. Anders als bei anderen Fusionen hielt HP dieses Versprechen auch ein.

Als die Fusion bestätigt war, führte die Beratergruppe Neuwaldegg eine Diagnose durch, interviewte Vertreter beider Firmen (Wie sahen die beiden Firmen sich selbst und die anderen, wo sahen sie Chancen und Risiken, Unterschiede und Gemeinsameiten..) und stellten die Ergebnisse dem neu zusammengesetzten Führungsteam vor, das dann in drei Workshops an der eigenen Integration arbeitete. Ganz im Sinn der Idee: Wenn die Top-Manager gut miteinander können, sind sie erstens ein Vorreiter für gelungene Integration und zweitens können sie aufgrund eigener Erfahrungen besser priorisieren, welche Projekte sie zur Integration aufsetzen und wie sie den Integrationsprozess im Rahmen der Konzernvorgaben steuern wollen.

Die guten Geschäftszahlen seit diesem Zusammengehen von HP und Compq in Österreich lassen auf jeden Fall die Interpretation zu, dass hier vieles richtig gemacht wurde.

Autor: Peter Wagner, 06.2003

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Rudi Krcma, Leitung QM und UE, HP Österreich
Silvia Buchinger, Personalleitung HP Österreich