Comeback durch eine starke Marke

Ohne die klaren Alleinstellungsmerkmale bei seinen Produkten wäre der Kinderwagenhersteller Knokin bereits 1999 vom Markt verschwunden. So aber setzt die Firma gerade zu einem beeindruckenden Come-back an.

Die Billigimporte aus Asien setzten Anfang der 90er-Jahre im großen Stil ein. Die optisch durchaus attraktiven, aber qualitativ nicht so guten Kinderwagen ließen die Preisschere in diesem Markt immer weiter auseinandergehen. Der Markt teilte sich zusehends in Billigimporte auf der einen Seite und hochwertige europäische Ware auf der anderen. Je mehr unten der Markt wegbrach, desto heftiger wurde der Verdrängungswettbewerb im oberen Segment. Bisher übliche Preissteigerungen waren nicht mehr durchsetzbar, im Gegenteil, die Gefahr von Preiskämpfen wuchs. Als wäre das nicht genug, sank auch die Zahl der Geburten in Österreich von rund 90.000 im Jahr 1994 auf circa 70.000 heute. Diese Entwicklung bekam auch die oberösterreichische Firma Knokin zu spüren, über lange Zeit größter heimischer Hersteller und Marktführer.

„Hochwertig“ sind die anderen auch

„Wir brauchten also dringend zwei Argumente: Erstens warum kosten unsere Produkte doppelt so viel wie die Importe? Und – noch wichtiger - was unterscheidet uns innerhalb des hochpreisigen Segments von den anderen Anbietern? Was sehr schwierig war, weil zu der Zeit eigentlich alle dasselbe gemacht haben“, beschreibt die Geschäftsführerin von Knokin, Annemarie Buchinger, die damalige Herausforderung.

Die Idee, auch ein billigeres Modell anzubieten, wurde bald wieder fallengelassen. Aufgrund der viel höhern heimischen Herstellkosten hätte es nie gerechnet, dafür aber die als hochwertig bekannte Marke beschädigt. Frau Duringer, die damals als Prokuristin für Produktentwicklung und Marketing verantwortlich war: „Ich wollte etwas tun, das ich auch innerlich wirklich mittragen kann, sonst fehlen Herz und Energie, das auch durchzuziehen. Ich hatte mich schon lange für die Themen bewusste Ernährung, bewusste Lebensweise und gesunde Umwelt interessiert und zu der Zeit, so um 1994, 1995, war gerade die Biowelle im Anrollen. ImMöbelbereich, z.B. bei Leiner/Kika mit dessen grünen Linie oder bei Nahrungsmitteln, da hat das schon früher begonnen. So entstand die Grundidee, sich von den anderen zu unterscheiden, indem wir auf das Bewusste, das Natürliche, das Gesunde zu setzen.“

Schadstofffreie Naturmaterialien

Gesagt, getan. Man holte einen Berater ins Haus, einen Materialfachmann und analysierte mit ihm gemeinsam die hauseigenen Produkte: was setzen wir für Materialien ein, wie gut/schlecht sind die, was sind da für Schadstoffe drinnen, was hat das fürs Baby für Auswirkungen, was hat das für Auswirkungen auf die Umwelt bei der Herstellung und Entsorgung? Die Ergebnisse waren ernüchternd. 

Das vorherrschende Motto in der Branche war bislang immer gewesen: „ein Kinderwagen muss was gleich schauen und einiges aushalten“. Über die verwendeten Materialien hatte sich noch niemand den Kopf zerbrochen, folglich fanden sich Griffe aus PVC, unter dem Sitzbezug eine in PVC eingeschweisste Hartfaserplatte, dazu Polyesterflies als Füllmaterial und Matratzen aus Schaumstoff.

Klar war, all das musste weg. Nur – was gab es denn für Alternativen? Ein dreiviertel Jahr intensiver Suche, Experimente und Entwicklungsarbeit später waren die Alternativen gefunden: Korkgriffe statt PVC, Schweizer Schafschurwolle statt Polyesterflies, eine mit einem Orthopäden speziell für Babys entwickelte Gesundheitsmatratze aus reinen Naturmaterialien, schadstofffreie, atmungsaktive Baumwollbezüge und mit einer Farbpsychologin entwickelte Innenbezüge.

Das Konzept war schlüssig, die verwendeten Materialien aber teilweise drei- bis fünfmal teurer als zuvor. Rechtzeitig beim jährlichen, zentralen Branchen-Event, der Messe in Köln, war das neue Produkt fertig, wurde dort präsentiert und schlug gehörig Wellen. Endlich, so die begeisterten Händler, ein Produkt mit einer Story, die sich auch verkaufen ließ. Die Gelegenheit wurde genützt, der Preis einmalig um knapp zehn Prozent angehoben (jetzt gab es auch eine schlüssige Begründung) und trotzdem wurde der neue „Bio-Kinderwagen“ zum Renner.

Aufstieg - Fall - Genesung

Doch das hart erarbeite Glück währte nicht allzu lange. Knokin hatte investiert, um die Produktion auf die neuen Materialien umzustellen und, spät aber doch, damit begonnen, Teile der Produktion in die billigeren Nachbarstaaten zu verlagern. Auch das verursache zu Beginn Doppelgleisigkeiten und damit Kosten, um die notwendige Qualität garantieren zu können. All das trieb die Kreditlinien nach oben. Und dann passierte es. Der Lieferant der Schweizer Schafwolle hatte, weil er zuwenig Ware disponiert hatte, österreichische Wolle untergemischt. Der Effekt dieser auf den ersten blick nicht unterscheidbaren Wolle ist jedoch, dass sie durch Waschen borstig wird und durch den Baumwollüberzug sticht. Und das hieß: Fast ein Drittel der Jahresproduktion musste zurückgerufen und die Bezüge ausgetauscht werden. Das brach der Firma das Genick. Die Bank sperrte die Kreditlinien, stellte alle Kredite fällig und schickte die Firma in Konkurs.

Glück im Unglück: Durch den Tipp des Marketingberaters Lorenz Wied wurde die Firma MAM Babyartikel, die innerhalb von 12 Jahren zum Weltmarktführer bei „kiefergerechten Schnullern“ aufgestiegen war, auf die Firma aufmerksam, fand Gefallen an dem Konzept und kaufte Knokin. Der Imageschaden war jedoch nur schwer wegzustecken. Haben sich Botschaften wie „Ist die Firma nicht im Konkurs?“ und „Die hatten doch einmal ein Qualitätsproblem“ erst einmal verbreitet, dauert es Jahre, das wieder aus den Köpfen der Kundinnen, aber auch der Verkäuferinnen herauszubekommen.

Zu allem Überfluss nützten zwei deutsche Konkurrenten, die lange vergeblich versucht hatten, in Österreich Fuß zu fassen, die Gunst der Stunde, um hier in den Markt zu kommen. Stehen deren Modelle erst einmal bei den Händlern, ist es natürlich ungleich schwerer, sie wieder aus dem Markt zu drängen als sie gar nicht erst hereinzulassen.

Trotz all dieser Schwierigkeiten gelang das Comeback: die sofortige, unkomplizierte Schadensbehebung ließ den Ärger vieler Händler schnell wieder verrauchen. Die klare Modell- und Preispolitik und ein stimmiges Verkaufskonzept bringen den Händlern einen wesentlichen Vorteil: Knokin garantiert ihnen eine Marge, die weit über den Margen der Konkurrenz liegt. Und die Umbenennug in den „Wohlfühl-Kinderwagen“ holte das Produkt aus der inzwischen etwas abgeebbten Bio-Ecke heraus und machte damit allen Eltern klar: „Das ist der Kinderwagen, den ihr Baby kaufen würde.“ Die Händler sehen das ähnlich: auf der letzten Messe vergangenen Herbst stiegen die Bestellungen wieder um 20 Prozent. Tendenz: steil aufwärts.

Autor: Peter Wagner, 06.2003

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