Lernfeld Pilot

Die Post AG nutzte ein Pilot zum Abtesten der neuen Filialstrategie und evaluierte das Projekt mittels Balanced Scorecard auf den Ebenen: Ergebnisse, Prozesse und vorherrschende Organisationsmuster.

Eine große, über lange Zeit stabile und fest strukturierte Organisation wie die Post in kurzer Zeit organisatorisch und mental radikal umbauen und neu ausrichten zu wollen, mag zwar ein hehres Unterfangen sein, sehr realistisch ist dieser Anspruch aber nicht. Wesentlich sinnvoller kann da sein, neue Ideen einmal in einem kleinen Rahmen auszuprobieren, damit erste Erfolge zu erzielen, so zu demonstrieren, „dass es funktioniert“ und die ausgewerteten Projekterfahrungen in Bezug auf Vorgangsweisen, nötige Resourcen und Unterstützung, hinderliche Faktoren etc. dann in den nächsten Schritt einfließen zu lassen, um so die Basis und das Momentum zu schaffen, das so entwickelte Konzept schließlich flächendeckend umzusetzen.

Ein eindrückliches Beispiel dafür, wie dieses „Prototyping“ zur Zufriedenheit aller Beteiligten funktionieren kann, gibt es bei der österreichischen Post AG seit vergangenem Jahr im Bereich der Postämter. Bereits im Jahr 2000 wurde hier mit der ICG, Infora Consulting Group, ein Projekt gestartet, das von der ersten Idee, über die Konzeptierung bis zum Start und halbjährlichen Probebetrieb der neuen „Musterfilialen“ 1,5 Jahre dauerte und im Februar 2002 abschließend evaluiert wurde. Die Evaluation dieses Projektes war von Anfang an mit eingeplant und passierte, so Mag. Manfred Höfler von der Infora,  auf mehreren Ebenen:

Ergebnisevaluation

Das klare Ziel war, in den Filialen neues Geschäft zu generieren, das heißt, die bisher auf einer Versorgungslogik basierenden Postämter in Richtung Einzelhandelsgeschäfte umzubauen und so die Flächenproduktivität deutlich zu erhöhen. Anhand der Balanced Scorecard wurden für jeden der vier Bereiche /finanzwirtschaftliche, Kunden- Prozess- und Innovationsperspektive Kriterien und Messgrößen definiert. Beispielsweise durch eine Ergebnisrechnung vorher/nachher, durch den Vergleich der Kundenzufriedenheit vorher/nachher, Vergleich der Mitarbeiterzufriedenheit vorher/nachher, Evaluierung der Geschwindigkeit bestimmter Leistungsprozesse usw.

Prozessevaluation

Ein wichtiges Ziel im Rahmen dieses Pilots war, Evaluation als Lernmöglichkeit zu nutzen, indem im Zuge des Projektverlaufs immer wieder gezielte Reflexionsphasen eingeschoben wurden. Etwa: wie sind wir die Konzeption angegangen, was hat sich bewährt, was nicht? Woran lag das? Was sollten wir beim nächsten Schritt/ beim nächsten Mal besser/früher berücksichtigen? Was kann man beim nächsten Mal weglassen? Wie gestalten wir unsere Lernprozesse? Wie waren die Auswahlprozesse für die Führungskräfte? Wie liefen die technische Umbauten in den Filialen? Etc. Also einerseits ein Auswerten des bisherigen Projektverlaufs, um die nächsten Schritt im Projekt gegebenenfalls anzupassen, andererseits bereits ein Auswerten und Mitlernen in Hinblick auf ein nächstes, ähnlich gelagertes Projekt.

Hinderliche/förderliche Organisationsmuster

Gerade wenn wie in diesem Fall mit der neuen Idee eine neue Organisationslogik einhergeht – „vom Versorger zum Retailer“ – eignet sich so ein Projekt hervorragend dazu, den momentan vorherrschenden Mustern und Spielregeln im Unternehmen, die eine großflächige Umsetzung in kürzester Zeit lahm legen könnten, auf die Spur zu kommen. So stieß man im Verlauf des Projektes immer wieder an bestimmten Regelwerken und organisatorischen Spielregeln an, die die Handlungsmöglichkeiten begrenzten. Wenn man nun die Organisation über den Piloten hinaus weiter entwickeln will, dann muss man diese Spielregeln verändern.

Beim Aspekt Organisationsmuster tauchen schnell Fragen auf wie: Kann ein von der Verwaltung her kommendes System, basierend auf der möglichst lückenlosen Versorgung, die notwendigen schnellen Anforderungen eines Retailers erfüllen? Was ist dazu wo an Änderungen notwendig? (bei Entscheidungsstrukturen, Kontrollmechanismen...) So basiert die bisherige Organisation natürlich stark auf Kontrolle und auf Prozeduren, die die Sicherheit der Prozesse gewährleisten sollen. Wie geht das mit Schnelligkeit, mit Kundenorientierung zusammen? Plakativ formuliert: Die Post muss „Schwund“ um jeden Preis verhindern, ein Retailer kalkuliert mit Schwund. Oder: Kann ich eigentlich Strukturen, die auf flächendeckender Versorgung ausgerichtet sind, nach wirtschaftlichen Kriterien wie Deckungsbeitrag und Profit führen? Wenn ja, wie? Und wo spießt es sich? Welche Regeln, Prozeduren stehen dem entgegen und was davon lässt sich verändern?

Wenn solche Fragen im Rahmen eines Pilots thematisiert werden, vielleicht auch schon Lösungsideen entwickelt werden, dies an den Auftraggeber zurückgemeldet und dort als wichtiger Input berücksichtigt und weiterverarbeitet wird, dann ist klar, dass die Chance, so ein Vorhaben dann großflächig einzuführen, damit wesentlich steigen kann.

Evaluation der Evaluation

Eines der markanten Evaluierungsergebnisse solcher Pilots ist übrigens: Wenn Evaluierung von vornherein mit eingeplant und allen bekannt ist, explizit verbunden mit einem Lernauftrag und einem Setting, die dieses Ansinnen glaubwürdig unterstreicht, dann ist die Akzeptanz der Auswertungen nicht das Problem. Messen und Auswerten als Einstieg ins Lernen ja, Messen und Auswerten als Einstieg ins Verurteilen und Abwerten, nein. Diesen Rahmen, das ist auch klar, definiert die Führungsspitze.

02.2003

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