"Ganz oben ist es wieder einfacher"

KR. Martina Dobringer, Vorstandsvorsitzende der ÖKV Coface AG, über ihren bisherigen Karriereweg, die undankbare Rolle von Mittelmanagern und die Hürden beim Wandel eines ehemals verstaubten Unternehmens zu einem modernen Dienstleister.

Frau Generaldirektor Dobringer, was war Ihre erste Führungsposition?

Meine erste tatsächliche Führungsposition war Leiterin Marketing/Vertrieb im Kreditschutzband von 1870, dem heutigen KSV. Danach bin ich dort über mehrere Stufen bis zur Sprecherin der Geschäftsleitung aufgestiegen. Insgesamt war ich 18 Jahre im KSV.

Was haben Sie vor dem KSV gemacht?

Ich habe ich Operngesang an der Musikhochschule studiert und an der Wirtschaftsuniversität den Hochschullehrgang für Werbung und Verkauf absolviert, weil mein Vater unbedingt wollte, dass ich neben dem Gesangsstudium auch „etwas Gescheites“ mache. Im Nachhinein war ich froh darüber, weil ich aufgrund einer Stimmbanderkrankung mein Gesangstudium aufgeben musste. Ich habe dann geheiratet und bin nach Kärnten gezogen. Sieben Jahre und zwei Töchter später habe ich dann meine Karriere in der Wirtschaft begonnen. Ins Berufsleben eingestiegen bin ich dann beim Kreditschutzverband, der damals noch ein unglaublich verstaubtes Unternehmen war.

Wieso gerade beim Kreditschutzverband?

Das war ein Zufall. Freunde meiner Eltern haben mir davon erzählt. Im ersten Jahr wurde ich durch das gesamte Unternehmen geschleust, eine Art Training on the job. Dadurch habe ich einerseits das ganze Unternehmen kennen gelernt, war aber schon bald stark im Vertrieb tätig, wobei es damals noch gar keinen richtigen Vertrieb gab. Es existierte nur eine Abteilung für Mitgliederbetreuung, wobei man wissen muss, dass der KSV eine etwas eigentümliche Konstruktion ist, da er im Eigentum seiner Mitglieder steht. Damals waren das rund 8.000 österreichische Unternehmen, inzwischen sind es mehr als 20.000. Jedenfalls bekam ich nach diesem ersten Jahr die Aufgabe, den Vertrieb aufzubauen. Damit wurde ich gleich einmal Vertriebsleiterin – und da ich fand,, dass zum Vertrieb auch Werbung und Verkaufsförderung dazugehören, kam zur Vertriebsleitung schnell auch die Marketingleitung dazu.

Haben Sie sich eine Mannschaft aus den bestehenden Leuten zusammengestellt?

Nein, es gab zwei, drei Mitarbeiter für diese Mitgliederbetreuung. Die habe ich ausgetauscht und mir dann meine Mitarbeiter von draußen zusammengesucht. Der Schwerpunkt des KSV war damals Insolvenzvertretung und –abwicklung. Das war die Scholle, aus der der KSV emporgewachsen ist. Dementsprechend  gab es damals eine große Insolvenzabteilung, aber nur winzige und völlig unbedeutende Abteilungen für Bonitätsbeurteilung und Wirtschaftsinformation.

Ich erinnere mich noch an ein Gespräch mit der damaligen Girokredit-Bank, bei dem mir der Gesprächspartner gesagt hat: „Frau Dobringer, wenn Sie unbedingt wollen, können wir schon Auskünfte bei Ihnen kaufen. Nur – Ihre Auskünfte sind nicht gut und dauern vier Wochen. Bei der Konkurrenz sind die Auskünfte viel besser und dauern nur drei Tage.“ Eigentlich ein Wahnsinn, wenn man sich vergegenwärtigt, dass wir aufgrund der Insolvenzabwicklungen ja unheimlich viele Informationen im Haus hatten. Dadurch hatten wir mit Abstand die besten Quellen und daraus galt es, Kapital zu schlagen. Also habe ich mir ein Produkt überlegt, das der Konkurrenz Paroli bieten konnte. Daraus entstanden die Wirtschaftsinformation und die Bonitätsauskunft, heute eine Selbstverständlichkeit, aber damals eine absolute Neuerung.

Was genau war das Produkt?

Das Produkt war eine Wirtschaftsinformation, die Bonitätsdaten beinhaltet hat. Also eigentlich all das, was Sie sich heute, bis auf die Beurteilung und die Zahlen, aus dem Internet herunterladen können. Sie können sich die Umsätze beschaffen, die eingetragenen Personen etc. Das gab es damals alles noch nicht. Wir haben alle Daten zusammen getragen und dann die Bonität eines Unternehmens bewertet, das war der USP des Produktes. Damit haben wir ein Rating entwickelt. In dem Bereich ist der KSV heute ein Top-Unternehmen und die ehemals dominierende Insolvenzabteilung wurde inzwischen zu einem zwar immer noch wichtigen, aber nicht mehr dominierenden Rädchen.

In dieser ersten Führungsposition waren Sie also stark damit beschäftigt, neue Produkte zu kreieren und dafür Kunden zu finden. Was hieß da Führung?

In dieser Position hieß Führung Motivation. Zum einen war ich beim Aufbau des neuen Bereichs auf Leute angewiesen, die alle Experten und seit vielen Jahren im Unternehmen beschäftigt waren, die ich aber in gewissem Sinn weiterentwickeln wollte und musste, um mir zu helfen, ein neues Produkt zu entwickeln. Ich musste diese Leute dazu bewegen, Mehrarbeit zu leisten und sie dazu bringen, dass sie statt des Satzes, „Um Gottes willen, die Dobringer will schon wieder was, das heißt noch mehr Arbeit“ zu sich sagen „das ist eine tolle Idee, das machen wir“.

D.h. es ging darum, ohne hierarchische Macht andere Abteilungen zur Kooperation zu bewegen und zu Arbeiten zu veranlassen, die Sie gebraucht haben, um Ihrerseits  erfolgreich arbeiten zu können?

Ja, ähnlich einer Projektleitung, die auf die Unterstützung der Linie angewiesen ist. Ich hatte mir einige erfahrene Marketingmanager und Vertriebsleute ins Team geholt, die den Markt bearbeitet und versucht haben, Kundenwünsche ins Haus zu bringen. Ich musste ja zuerst einmal erfahren, was der Markt da draußen wirklich will. Ich finde es immer einen Wahnsinn, wenn die Leute im Büro sitzen und versuchen, vom Schreibtisch aus neue Produkte zu entwickeln. Das neue Produkt kann nur von außen kommen. Für mich hat Vertrieb einen unglaublich hohen Stellenwert, nicht nur als Umsatz-, sondern vor allem als Innovationsbringer.

Wie ging es nach der ersten Führungsposition weiter?

Nach fünf Jahren wurde ich dann Marketing- und Vertriebsdirektorin, danach Bereichsleiterin und nach acht Jahren wurde ich dann Geschäftsführerin mit den Bereichen Finanzen und Personal und schließlich Sprecherin der Geschäftsführung.

Wie viele Leute hatten Sie in Ihrer Zeit als Vertriebsdirektorin unter sich?

Nachdem ich alle Bereiche übernommen hatte, die nach außen orientiert waren, waren das ungefähr 60 Mitarbeiter über ganz Österreich verteilt, mit Zweigstellen in den Bundesländern.

Wie führt man 60 Leute?

Meist, indem man zu viele Leute selber führt. Um diese Gefahr zu bannen, muss man großes Augenmerk darauf legen, dass diejenigen, die an Sie reporten, genügend Führungskompetenz aufbauen, um ihre Leute selbständig führen können.

Wonach beurteilen Sie die Führungsleistung der nächsten Ebene, abgesehen vom Ausmaß, in dem sie Sie entlasten?

Ich beurteile sie anhand ihrer Ergebnisse. Letztlich werden wir alle an den Ergebnissen gemessen.

Als Frau eine Führungsposition in dieser Organisation zu bekleiden, war das ungewöhnlich?

Total. Es hat sich meines Erachtens nach in der Wirtschaft in den letzten 10, 15 Jahren diesbezüglich auch wenig verändert. Man zieht bei Bedarf immer die wenigen Alibifrauen hervor, was mir extrem auf die Nerven geht. Ich versuche immer wieder, meine Position dazu zu verwenden, jungen Frauen Mut zu machen, sage aber immer auch dazu: Wenn jemand weiter kommen will, gibt es eine entscheidende Komponente und die heißt Fleiß. Frauen haben wahrscheinlich ein besseres Sensorium, das mag unser Vorteil sein, dafür haben die Männer bessere connections und Netzwerke. Aber das Geschlecht ist für mich völlig unerheblich.

Was hat sich mit dem Wechsel von der Vertriebsleiterin zur Geschäftsführerin geändert? Gewinnen Organisationsthemen gegenüber Personalführungsthemen an Bedeutung?

Es gab mehrere hierarchische Stufen, bevor ich Geschäftsführerin wurde: Vertriebsleiterin, Vertriebsdirektorin, Bereichsleiterin. Die schwierigsten Positionen sind meiner Ansicht nach die Sandwichpositionen. Wenn Sie einmal ganz oben sitzen, sind Sie in einer guten Position. Vorausgesetzt, Sie sind entscheidungsstark. Es gibt Top-Manager, die werden krank, wenn sie entscheiden müssen, weil sie jede Entscheidung zehnmal hinterfragen – ich entscheide rasch, manchmal falsch, aber ich entscheide. Die Mitarbeiter wissen, wenn sie eine Entscheidung brauchen, dann entscheide ich. Ganz oben ist es also wieder einfacher. Da kann ich den Druck nach unten weiter geben. Die Führungskräfte in der Mitte müssen das dann auffangen.

Meine schwierigste Zeit war sicher die Zeit in dieser Sandwichposition. Ich hatte einen Chef, der unglaublich viel verlangt hat. Er war cholerisch, wollte alles von jetzt auf dann erledigt haben und hat mich mit Arbeit zugeschüttet. Ich habe gearbeitet und gearbeitet und als Dank hat er dann, ganz typisch, meine Ideen als die seinen verkauft. Außerdem hatte ich ständig das Gefühl, ich kann nicht agieren, sondern ich reagiere immer nur. Jetzt als Vorstand kann ich agieren und das verantworte ich dann auch. Als Vorstandsvorsitzende muss man das Unternehmen wie sein eigenes führen. Du wirst daran gemessen, ob dein Vertrag verlängert wird oder nicht und wenn du nicht gut bist, bist du eh weg. Als Mittelmanager war das nicht so. Je mehr ich gearbeitet habe, desto mehr ist von oben nach gekommen. Ich glaube, so empfinden das viele in dieser Sandwichposition.

Welche Rolle spielt überhaupt Führung? Geht es nicht vor allem um das Geschäft und Führung wird nur wichtig, wenn es Probleme gibt?

Erstens einmal bin ich sicher jemand, der dazu neigt, Mitarbeiter zu überfordern. Man läuft immer Gefahr, das, was man gelernt hat, weiter zu geben, auch wenn man sagt, so möchte ich nie sein. In einem Fall stimmt es: Ich werde niemals laut. Mein Chef hat damals so geschrieen, dass das ganze Haus gebebt hat. Aber jemanden an der Hand zu nehmen und zu sagen, schau, wir beginnen hier bei A und enden dann bei Z, du berichtest mir jeden Schritt, und so führe ich dich zum Ziel – das bin ich einfach nicht! Das kann ich nicht. Ich brauche Mitarbeiter, die bereit sind, eigenverantwortlich zu handeln, ohne vor Angst gelähmt zu sein, dass etwas schief gehen könnte. Ich sage den Leuten klipp und klar, ich erwarte 100. Wie du von 10 auf 100 kommst, ist dein Kaffee. Dafür bezahle ich dich als Manager schließlich auch gut, dieses Resultat möchte ich am Ende des Tages haben. Das nehmen viele Leute als Challenge. Die finden das toll, weil sie sich dadurch weiter entwickeln können. Klar ist aber: Jemand, der gewöhnt ist, sich anzulehnen, der hängt da in der Luft.

Was heißt hier Führen?

Für mich? Im jetzigen Stadium heißt Führen Verantwortung zu übertragen. Wobei es ja nicht so ist, dass ich sage, „heute sind wir bei zehn, ich erwarte 100 und in zwei Monaten sehen wir uns wieder“. Ich habe mit jedem, der an mich berichtet, alle 14 Tage oder öfter ein Jour fixe. Da sprechen wir über die laufenden Projekte, ich werde informiert und liefere meinen Input. Aber es ist nicht mehr so wie früher im Vertrieb, dass ich mit jedem Einzelnen die prospects durchgehe.

Gerade im Vertrieb wird stark über Zahlen geführt, oder?

Absolut. Wenn man feststellt, wir haben 20, aber wir wollen 50, muss man fragen, wie erreichen war das? Was können wir für dich tun, damit du am Markt besser wirst? Das ist ein ständiger Dialog, den ich als Verkaufsleiterin auch sehr intensiv gepflogen habe. Schon aus purem Eigennutz. Außerdem stärkt man das Selbstvertrauen der Leute durch nichts mehr, als wenn man sie wissen lässt, dass sie auf dem richtigen Weg sind.

Sie haben im KSV in ihrer Zeit als Geschäftsführerin einen massiven Kulturwandel erzeugt. Wo haben Sie da angesetzt?

Dieser Wandel hat lange gedauert. Als ich zum ersten Mal ins Unternehmen gekommen bin, lagen dort noch überall riesige Aktenberge herum. Aus heutiger Sicht unvorstellbar. Ein von außen gesehen kleines Zeichen dieses Kulturwandels - aber innerlich fast eine Art Tabubruch - war die Namensänderung von „Kreditschutzverband von 1860“ auf KSV und die Entwicklung eines neuen Logos. Diesen Wandel in den Köpfen der Leute zu bewirken, war eine permanente, jahrelange Knochenarbeit. Bis aus einem eher verstaubten Unternehmen ein modernes Dienstleistungsunternehmen wird, müssen Sie das Ihren Leuten über Jahre hinweg jeden Tag vorbeten und vorleben. Da brauchen Sie viel Geduld.

Meine Erfahrung ist übrigens, dass die Mitarbeiter an der Basis viel eher bereit sind bei Veränderungen mitzugehen als die Mittelmanager. Das sind diejenigen, die das Neue vermiesen und den ärgsten Gegendruck liefern, um ja nichts zu verändern, weil sie Angst haben, dass das ihre Position gefährden könnte. Der Mut zur Veränderung ist bei den einfachen Mitarbeitern viel eher gegeben.

Wie bringt man Mittelmanager dazu, doch bei Veränderungen mitzuziehen?

Indem Sie die Phalanx aufbrechen. Entweder Sie finden den einen oder anderen Verbündeten und schaffen so eine kritische Masse oder die Sie holen sich Quereinsteiger als Verstärkung. Allerdings kann es vorkommen, dass sich Quereinsteiger schnell mit den anderen verbrüdern, weil das der Weg des geringsten Widerstands ist und sich keiner gern die Kollegen gleich zum Feind macht. Dann war das allerdings eine Fehlbesetzung. Die andere Gefahr ist, dass Quereinsteiger zuviel Unruhe reinbringen und Sie die Person verheizen. Hier das Mittelmaß zu finden, um Veränderung zu bewirken, ist sehr schwierig.

Als Sie dann Geschäftsführerin im KSV waren...

Ich war insgesamt 18 Jahre beim KSV und ich würde sagen, es hat ca. die ersten 8 Jahre gedauert, bis wir uns wirklich als Marktführer etabliert hatten. Die folgenden zehn Jahre – da war ich dann schon in der Geschäftsführung - habe ich mich vor allem dem Ausbau der internationalen Expansion gewidmet. Wir haben damals als KSV mit der Coface, einem französischen Exportversicherungskonzern, deren Österreich- und Osteuropageschäft ich heute leite, eine Holdinggesellschaft, die Intercredit Information, gegründet. Diese Holding hatte die Aufgabe, das was wir im KSV gemacht haben, nämlich Wirtschaftsinformationen, Inkasso, Abgleich von Datenbanken etc. in die Länder Zentral- und Osteuropas zu tragen. Schließlich sind Bonitätsangaben in den dortigen Ländern für die Unternehmen mindestens ebenso wichtig wie hierzulande. Sie können ja schlecht auf offene Rechnung liefern und – nur weil der Geschäftspartner mit dem Mercedes und im teuren Anzug ankommt – darauf vertrauen, dass das mit der Bonität schon passen wird.

Warum sind Sie eigentlich vom KSV zur ÖKV Coface AG gewechselt?

Die Coface und der KSV hatten als 50:50 Partner gemeinsam besagte Intercredit Information Holding gegründet, durch die wir inzwischen in 15 Ländern Zentral- und Osteuropas mit eigenen Gesellschaften vertreten sind. Neben der Geschäftsführung des KSV hatte ich auch den Vorstandsvorsitz dieser Holding inne. Nach einigen Jahren hat Coface dann 25% dazu erworben und Ende der 90er-Jahre die Österreichische Kreditversicherung gekauft, mit der Idee, das Center of Excellence der weltweit tätigen Coface-Gruppe für Zentral und Osteuropa nach Wien  zu verlegen. Vor einigen Jahren hat man mir dann ein lukratives Angebot gemacht und nach 18 Jahren KSV habe ich mich entschieden, die neue Herausforderung anzunehmen. Von der Mitarbeiterzahl sind wir in Wien 120 Mitarbeiter und mit den Osttöchtern inzwischen rund 400, Tendenz steigernd.

Wie war der Wechsel von 450 Mitarbeitern beim KSV zu 120 Mitarbeitern?

Damals waren es in Österreich noch 150. Der Wechsel war in zweifacher Weise bedeutsam. Zum einen hatte ich am Beginn keine Ahnung vom Versicherungsgeschäft und zum anderen fand ich in diesem Unternehmen eine kollektivvertragliche Gegebenheit vor, aufgrund derer ungefähr 70% der Mitarbeiter unkündbar waren. Das war für mich eine neue Erfahrung.

Wie schafft man es, sich schnell einzuarbeiten?

Gespräche, Gespräche, Gespräche. Ich bin mit jedem Abteilungsleiter stundenlang zusammen gesessen und habe gehofft, von ihm viel zu lernen und ihm gleichzeitig auch viel von meiner Sicht weiter zu geben. Z.B. gab es, als ich gekommen bin, keine Dokumentation im Haus. Ein Wahnsinn. Denn wie soll ich in den neuen Ländern möglichst idente Prozesse aufsetzen, wenn es keine Handbücher gibt. Sie brauchen Standards, wie bestimmte Dinge abzuwickeln sind. Also haben wir begonnen, Handbücher zu erarbeiten.

Im Vertrieb kann man noch gut mit Zahlen agieren, aber was macht man im internen Bereich? Wonach bemessen Sie da Führungsleistung?

Wir verfügen auch über Benchmarks, das ist unser großer Vorteil innerhalb einer weltweiten Gruppe. Wir haben z.B. Benchmarks mit Deutschland, die sind zwar 4-5 mal so groß wie wir, aber Vertrag in der Abteilung Policymanagement ist nun mal Vertrag. Oder der Prozess der Kreditprüfung, den gibt es da wie dort: Da gibt es sehr wohl Ziffern, die wir austauschen und aus denen ich schon einiges ersehen kann. Natürlich sagen die Mitarbeiter dann immer, „das kann man nicht vergleichen, bei uns ist das ganz anders,“ aber man bekommt schon ein ganz gutes Bild über den Status quo.

Was ist aus Ihrer Sicht die zentrale Herausforderung im Mittelmanagement, was die größte Schwierigkeit im Top-Management?

Die zentrale Herausforderung im Mittelmanagement ist, einen möglichst guten Job für das Unternehmen zu machen und sich gleichzeitig ein Team aufzubauen, das für einen durch dick und dünn geht. Ein Sandwich-Manager muss mit den oberen Etagen gut auskommen und versuchen, das was ihm runtergekübelt wird, möglichst gefiltert weiterzugeben, sonst erdrückt er seine Mitarbeiter. Denn es kommt heutzutage von oben so viel hinunter, dass man das nicht 1:1 weitergeben kann.

Man muss auch nach oben immer wieder verhandeln, was in welcher Zeit mit welchen Ressourcen leistbar ist, was nicht, oder? Denn wenn man nur von oben nach unten weitergibt, ist man schon verloren.

Das stimmt. Aber man muss auch Acht geben, dass man nicht plötzlich nach oben wie ein Betriebsrat erscheint. Man muss sich vor seine Mitarbeiter stellen und sie schützen, gleichzeitig muss der nächsthöhere Manager aber sehen, dass Sie mitziehen. Schließlich sind Sie nicht nur Ihren Mitarbeitern, sondern vor allem auch der Organisation verpflichtet.

Wie sehr interessiert die Leute an der Spitze noch die interne Organisation, ist man dort nicht extrem stark nach außen orientiert?

Das wäre das Ideal. Es gehört dazu, das Unternehmen nach außen zu vertreten, und für das Unternehmen Netzwerke und Kontakte zu schaffen. Aber ich glaube, der Alltag schaut anders aus. Wir müssen uns als Vorstand sehr wohl permanent mit Internas beschäftigen und schauen, dass wir das Werkl intern am Laufen halten, und dazu müssen wir uns auch immer wieder in die Niederungen des Tagesgeschäfts begeben. Ich glaube nicht, dass es jemanden gibt, der sich so weit vom Tagesgeschäft befreit hat, dass er nur mehr in strategischen Höhen schwebt. Ich sehe das immer am Flughafen: Da sitzen die tollsten Manager mit Telefon und Laptop, sind mit der Firma verbunden und beschäftigen sich mit genau diesen Organisationsfragen.

Frau Generaldirektor Dobringer, herzlichen Dank für das Gespräch.

03.2005

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KR. Martina Dobringer, Vorstandsvorsitzende der ÖKV Coface AG