"Führung ist eine eigenständige Profession"

Wie organisiert die Generali-Vienna Group die Weiterbildung Ihrer Führungskräfte?

Neben dem traditionellen Stamm-Markt Österreich ist die Generali Vienna Group auch in Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Rumänien und Kroatien tätig. Im Jahr 2000 beschloss der in Wien angesiedelte Holdingvorstand die Etablierung der Funktion strategisches Management samt Gründung einer eigenen Managementakademie. Zielgruppe dieser Akademie sind Vorstände sowie 1. Führungsebene der insgesamt rund 40 Holdingunternehmen. Ziel war die Schaffung eines holdingweit einheitlichen Rahmens für die gezielte Professionalisierung des obersten Managements in einer Zeit, in der die Versicherungsbranche angesichts von Deregulierung, bröckelnden Branchengrenzen und veränderten Rahmenbedingungen vor völlig neue Herausforderungen gestellt wurde. Als Leiter dieser neuen Funktion ernannte man Dr. Sebastian Schuh, zuvor interner Berater für Bereichs- und Managementwicklung in der Zentrale der Daimler-Chrysler AG.

Was heißt hier Führung?

Um die passende Grundlage für die künftigen Angebote ans Top-Management zu schaffen, erarbeitete Dr. Schuh mit den Vorständen der Gruppe in vielen Treffen und Gesprächen ein dann von allen Top-Managern mitgetragenes Führungsleitbild, das nun – vom Holdingsvorstand beschlossen – zwei wesentliche Fragen verbindlich beantwortet:

     

  • Was verstehen wir in der Generali Vienna Group unter gelungener Führung?
    Was erachten wir in der Generali Vienna Group heute und in den nächsten Jahren für die zentralen und erfolgsentscheidenden Führungskompetenzen?

Die 7 Leadership Competencies der Generali

Auf Grundlage der hier zum Ausdruck gebrachten Führungsphilosophie, bei der es nicht um quantitative Skalierungen ging, sondern um ein gemeinsames Begriffsverständnis, entstand das erste Programm der Generali-Management-Akademie mit verschiedenen Veranstaltungsformen wie Kaminabenden, Workshops und einem General-Management-Programm. Dass dieses Führungsleitbild der Generali nicht nur eine hehre Absichtserklärung der Unternehmensspitze war, demonstriert der Vorstand seitdem gleich in mehrfacher Hinsicht. Zum ersten verfügt die Akademie über ein hochkarätiges Präsidium, in dem sowohl Vorstandsvorsitzende der Gesellschaften als auch Holdingvorstände aktiv an der Programmgestaltung mitwirken.

Zudem stehen die Holdingsvorstände in 10 bis 12 sogenannten „Top-Dialogen“ pro Jahr Rede und Antwort zu wichtigen Konzernthemen und diskutieren diese in einem offenen Dialog mit den eingeladenen Managern. Auch im General-Management-Programm sind in so gut wie jedem der Module einer oder gar mehrere Holdingsvorstände involviert, sei es als Gesprächspartner bei einem Kaminabend, als Inputgeber oder gar Referent.

Nachdem klar war, dass im Konzern Value Based Management als neue Steuerungsphilosophie eingeführt werden würde, bereitete sich das Top-Management darauf vor, indem  – auf Vorstandsebene sonst äußerst selten anzutreffen – sämtliche Vorstände ein 9-Tages-Curriculum zu diesem Thema absolvierten und diese Gelegenheit auch gleich dazu nutzten, die Ziele dieses Ansatzes ebenso wie die damit notwendigen Struktur- und Einstellungsänderungen mit der nächsten Führungsebene zu besprechen und zu planen.

Was heißt dementsprechend Personalentwicklung?

Neu und für alle transparent festgelegte Führungskompetenzen entfalten nur dann eine entsprechende Wirkung, wenn sie auch tatsächlich in die Beurteilung von Führungsleistung einfließen. Im Sinn des Credos von Dr. Schuh  „einige wenige, für alle verbindliche Standards, ansonsten Raum für dezentrale Lösungen in der Eigenverantwortung der einzelnen Länder“ kam es daher auch zur Neukonzeption zweier zentraler Führungs- und Personalentwicklungsinstrumente: der Potenzialanalyse und des Mitarbeitergesprächs.

Wie erfolgen Stellenbesetzungen im Management? Nach welchen Kriterien wird wirklich beurteilt und ausgewählt? Ist dieser Prozess transparent und für alle nachvollziehbar? Haben die Neubesetzungen aus Sicht der Betroffenen mit den offiziellen Führungskompetenzen nichts oder wenig gemeinsam, sind die schönen neuen Prinzipien schnell wieder tot.

Das neue Potenzialeinschätzungsverfahren konnte hier gleich dreifach punkten: Erstens wurde es radikal verschlankt. Es gibt keine komplexen Methoden, keine Assessmentcenter, keine Messverfahren mehr, was enorme Kosten spart und einen deutlichen Beitrag der PE zur Wertorientierung zeigt. Zweitens stieß es aufgrund der neuen Einfachheit bei den Führungskräften auf hohe Akzeptanz, wird von diesen nun in Form von Potenzialkonferenzen ohne externe Unterstützung selbst durchgeführt und allen Unkenrufen zum Trotz mit hoher Ernsthaftigkeit betrieben. Zum dritten liegen diesen Gesprächen, bei denen z.B. die Abteilungsleiter (= 1. Führungsebene) zusammen mit dem zuständigen Vorstand die ausgewählten Potenzialträger für eine Abteilungsleiterposition im Quervergleich diskutieren, die besagten sieben Führungsprinzipien zugrunde. Wie gut ist ein Kandidat derzeit etwa in Bezug auf das Thema Entscheiden? Welche Beobachtungen liegen dieser Einschätzung zugrunde? Warum halte ich ihn für besser als andere? Wie schätze ich seine Entwicklung kurz-, mittel und langfristig ein? Worauf gründe ich das? Was meinen hier meine Kollegen?
Ähnlich die Neukonzeption des strukturierten Mitarbeitergesprächs. Dr. Schuh "Wenn heute ein Vorstand mit einem Abteilungsleiter ein Mitarbeitergespräch führt, dann erhält dieser detailliertes Feedback zu jedem der sieben Führungsprinzipien."

Professionalisierung auf allen Ebenen

Während sich das General-Management-Programm der Management-Akademie an Vorstände und erste Ebene der ganzen Gruppe richtet sowie an die Führungskräfte, die innerhalb der nächsten 12 Monate auf eine solche Position kommen werden, zielt der Managementlehrgang der Generali Österreich auf jene heimischen Führungskräfte der zweiten und dritten Ebene im Innen- und Außendienst, die innerhalb des letzten Jahres ihre Funktion neu übernommen haben oder eine solche in naher Zukunft (max. ein Jahr) gesichert übernehmen werden.
Auch in diesem von Dr. Alois Kehrer, dem Leiter der Führungskräfteausbildung der Generali Versicherungs AG, entwickelten 6-wöchtigen Führungslehrgang bilden die Führungsprinzipien die entscheidende Klammer beim Ziel, die nachrückende Generation beim Hineinwachsen in die neuen Aufgaben zu begleiten. 

So finden sich neben der begleitenden Projektaufgabe in jedem der sechs, stark die Selbstreflexion und Selbsterfahrung fördernden Blöcke immer wieder spezielle Bausteine, die teils explizit – "die aktuellen Herausforderungen der Generali Gruppe", "das Führungsverständnis der Generali Vienna Group" – teils implizit – "das Mitarbeitergespräch", "Organisation / Strukturen / Verhalten" oder "vernetztes Denken im Management" - die besagten Führungsprinzipien transportieren. Ergänzend zum Curriculum haben die Teilnehmer die Möglichkeit, Coaching oder kollegiale Beratung in Anspruch zu nehmen. Abgerundet wird das Angebot durch rund 20 Seminare des Bildungsprogramms zu spezifischen Aspekten und Führungsaufgaben.

Die Veränderung und ständige Adaptierung der Managementausbildung bei der Generali ist bereits ein deutliches Signal der Dynamisierung in der Versicherungswirtschaft, der wirklich markante Wandel aber passiert seit einigen Jahren auf der Ebene des Bewusstseins. Führung als eigenständige Profession und Lernen als Ausdruck von Professionalität zu verstehen, um für die veränderte Wettbewerbssituation auch adäquat gerüstet zu sein, das ist ein Schritt, den viele andere große Unternehmen wohl noch vor sich haben.

09.2004

...zurück zum Seitenanfang

Teilen:

Dr. Sebastian Schuh, Leiter strat. PE, Generali Vienna Group